Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird in seinem Punkt 3 aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung eines Bußgeldverfahrens gemäß den §§ 142 f KartG aufgetragen.
Text
Begründung
Die Einschreiterin zeigte das Vereinbarungsmuster eines Franchise-Vertrages als vertikale Vertriebsbindung gemäß § 30 b KartG an.
Entgegen der Vorschrift des § 46 KartG wurde diese nur in einfacher Ausfertigung vorgelegt. Ein Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes, die Eingabe durch Nachbringung von sechs Stück Gleichschriften der Eingabe und Beilagen (Franchise-Vertrag samt Geschäftsbedingungen) binnen 14 Tagen zu verbessern, blieb erfolglos.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß verständigte das Erstgericht nach Darstellung des Sachverhalts (P 1) die Amtsparteien und den Paritätischen Ausschuß für Kartellangelegenheiten von dieser Anzeige durch Übersendung je einer Gleichschrift ohne Beilagen (P 2) und beschloß gleichzeitig eine Gleichschrift der Anzeige der ihr beigeschlossenen Urkunde (Vereinbarungsmuster ./A) in die Urkundensammlung aufzunehmen (P 3). Es begründete diese Vorgangsweise (in P 4) damit, daß eine den §§ 65 Abs 1, 67 Abs 2, 68 a Abs 2 KartG analoge Regelung (Zurückweisung des Antrages wegen Nichtbefolgung des Verbesserungsauftrages) für die Anzeige einer vertikalen Vertriebsbindung fehle, so daß der Verstoß gegen § 46 KartG sanktionslos sei und auf die Gültigkeit der Anzeige keinen Einfluß habe.
Gegen den Beschluß des Erstgerichtes richtet sich der Rekurs Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte insofern, als dieser Beschluß sanktioniere, daß die Vertragsurkunde zur angezeigten vertikalen Vertriebsbindung (Vereinbarungsmuster Beilage./A) nur in einfacher Ausfertigung und nicht in Form von Gleichschriften für sämtliche Amtsparteien vorgelegt wurde. Vorsichtshalber ficht die Rekurswerberin den gesamten Beschluß an und beantragt, ihn dahingehend abzuändern, daß der Anzeigerin aufgetragen werde, die fehlenden Vereinbarungsmuster (Beilage./A) nachzureichen, insbesondere ein Exemplar für sie zur Verfügung zu stellen, in eventu die Sache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Anzeigerin hat keine Gegenäußerung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Rekurswerberin bringt zu Recht vor, daß die "Sanktionierung" der gesetzwidrigen Vorgangsweise der Anzeigerin, keine Gleichschriften vorzulegen (§ 30 b iVm § 46 KartG) bzw die Unterlassung des Gerichtes, solche von Amts wegen herzustellen (§ 2 AußStrG iVm § 43 KartG) und den Amtsparteien sowie dem Paritätischen Ausschuß zuzustellen (§ 47 KartG), der Rekurswerberin ihre gesetzmäßig zugewiesene Tätigkeit erheblich erschwere, weil sie - ohne Eigeninitiativen zu setzen - über den Inhalt der Vereinbarung keine Kenntnis erlangt und ihr darüber hinaus - sowohl im Einzelfall als auch (sollte das vorliegende Beispiel Schule machen) generell - zusätzliche Fotokopie-, Personal-, Fahrtkosten entstehen würden. Das Erstgericht hätte die gesetzwidrige Vorgangsweise der Anmelderin nicht hinnehmen dürfen, sondern nach ungenütztem Verstreichen der Frist die Anzeige als nicht ordnungsgemäß erstattet zu betrachten und in der Folge ein Bußgeldverfahren einzuleiten gehabt.
Zutreffend ist zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Nichtbefolgung eines Verbesserungsauftrages im Falle der Anzeige einer vertikalen Vertriebsbindung nicht mit der Sanktion der Zurückweisung der Anzeige bedroht ist. Dies wäre auch nicht zweckmäßig, weil die Anzeigepflicht (§ 30 b KartG) in Verbindung mit der Verständigungspflicht des Gerichtes (§ 47 KartG) es den Amtsparteien ohne großen Aufwand ermöglichen soll, zu prüfen, ob sie einen Antrag auf Untersagung der Durchführung der vertikalen Vertriebsbindung stellen wollen. Das heißt aber noch nicht, daß die Unterlassung der Befolgung des Verbesserungsauftrages sanktionslos wäre; diese zieht vielmehr ein Bußgeldverfahren nach sich. Bis zum Zeitpunkt der Beibringung der notwendigen Gleichschriften der Schriftsätze und Beilagen hat nämlich die Anzeigerin ihre Anzeigepflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt.
Nach § 142 Z 1 lit a und b KartG hat das Kartellgericht von Amts wegen oder auf Antrag Unternehmern bzw Verbänden Bußgelder aufzuerlegen, wenn sie ihre Anzeigepflicht nach § 30b KartG verletzen oder in einer Anzeige nach § 30 b unrichtige oder unvollständige Angaben machen; gleiches muß gelten, wenn ihre Anzeige insofern unvollständig ist, daß sie die zur Verständigung notwendigen Gleichschriften nicht beibringt und einen Verbesserungsauftrag zu deren Beibringung mißachtet.
Das Bußgeldverfahren entspricht - jedenfalls im hier relevanten Bereich - in etwa dem Zwangsstrafenverfahren des § 24 FBG, welches seinerseits das frühere in § 14 HGB iVm § 132 FGG enthaltene Ordnungsstrafenverfahren zur Erzwingung von Eintragungen ersetzte. Es ist ein Beugemittel zur Erzwingung einer bestimmten Verhaltensweise. Das nur äußerst rudimentär geregelte Bußgeldverfahren des Kartellgesetzes ist daher im Sinn des firmenrechtlichen Zwangsstrafenverfahrens, das ebenfalls nach den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens zu vollziehen ist, auszulegen, was auch der Praxis des Kartellgerichts entspricht. Es ist daher vorerst die Anzeigerin unter Androhung eines Bußgeldes aufzufordern, ihrer Anzeigepflicht durch Beibringung der notwendigen Gleichschriften ordnungsgemäß nachzukommen; erst im Fall der Nichtbefolgung ist das Bußgeld als Beugemittel zur Erzwingung aufzuerlegen (16 Ok 8/95, ÖBl 1996, 250 = ecolex 1996, 687 mAnm Wollmann).
Da der Anzeigerin bisher eine derartige Sanktion nicht angedroht wurde, ist sie nochmals unter Androhung eines Bußgeldes aufzufordern, die notwendigen Gleichschriften der Anzeige und der Beilagen beizubringen und erst im Falle der Nichtbefolgung ein Bußgeld als Beugemittel zu Erzwingung der Beibringung aufzuerlegen.
Vertriebsbindungen müssen gemäß § 30 b KartG vor ihrer Durchführung - ordnungsgemäß - angezeigt werden (zur zivilrechtlichen Konsequenz der Nicht- oder nicht ordnungsgemäßen Anzeige, nämlich schwebend unwirksame Verträge siehe Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 185 f; aA Barfuß/Wollmann/Tahedl 173). Aus diesem Gesetzesauftrag ist nach Ansicht des erkennenden Senates auch der Schluß zu ziehen, daß bis zur ordnungsgemäßen Beibringung der notwendigen Gleichschriften das Anzeigeverfahren nach § 30 b KartG noch nicht so weit gediehen ist, daß es bereits als ordnungsgemäß abgeschlossen zur Aufnahme in die Urkundensammlung (§ 75 Abs 4 KartG) geeignet betrachtet werden könnte, werden doch Urkunden stets nur nach Abschluß des Verfahrens (meist im Zusammenhang mit einer Registereintragung) zur Urkundensammlung genommen. Daraus folgt, daß P 3 des Beschlusses als verfrüht aufzuheben ist. Die Aufnahme in die Urkundensammlung als Abschluß des Anzeigeverfahrens hat nicht vor der ordnungsgemäßen Verständigung der Amtsparteien und des Paritätischen Ausschusses durch Übersendung je einer Gleichschrift der Anzeige und des Vereinbarungsmusters zu erfolgen.
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