Spruch:
1. Die Replik der Antragstellerin vom 9. 4. 2003 sowie die Stellungnahme des Antragsgegners vom 28. 4. 2003 hiezu werden zurückgewiesen.
2. Aus Anlass des Rekurses werden der angefochtene Beschluss und das diesem vorangegangene Provisorialverfahren als nichtig aufgehoben. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des nichtigen Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben. Der Antragsgegner hat seine Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin befasst sich mit der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneispezialitäten. Sie vertreibt unter anderem in Österreich die von ihr entwickelten und hergestellten Arzneispezialitäten C***** und C***** PLUS, die in dem vom Antragsgegner - dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (künftig: Hauptverband) - herausgegebenen Heilmittelverzeichnis enthalten sind. Mit Schreiben vom 3. 12. 1999 teilte der Hauptverband der Antragstellerin mit, dass im Rahmen der Überprüfung der auf Rechnung der Krankenversicherungsträger verordneten Arzneimittel festgestellt worden sei, dass "die Preisabstände" zwischen den beiden genannten, von der Antragstellerin vertriebenen Arzneispezialitäten und anderen in das Heilmittelverzeichnis aufgenommenen Arzneispezialitäten für die gleiche Substanzklasse unvertretbar hoch seien. Es werde daher zur "Erörterung des Umstandes" eingeladen.
Die Antragstellerin teilte dem Hauptverband mit Schreiben vom 11. 2. 2000 mit, sie habe den Hauptverband im Hinblick auf die Arzneispezialität C***** bereits am 28. 12. 1999 darüber informiert, dass sie eine umfassende Analyse erarbeite, die einen Überblick über alle medizinischen und ökonomischen Aspekte enthalten werde. Die Analyse sei vor der Fertigstellung und werde dem Hauptverband bald übermittelt werden. Die Analyse solle der Vorbereitung für weitere Gespräche dienen.
Mit Schreiben vom 17. 3. 2000 informierte der Hauptverband die Antragstellerin, er werde dem kleinen Fachbeirat nach Prüfung der vorliegenden Unterlagen und der von der Antragstellerin eingebrachten Argumente vorschlagen, die weitere Verschreibbarkeit der Arzneispezialitäten (C***** 50 mg Filmtabl. und C***** PLUS Filmtabl. 28 St) zu prüfen, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben scheine. In der gleichen Indikationsgruppe stünden bei der Indikation "Hypertonie, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind" kostengünstigere Arzneispezialitäten (die beispielsweise genannt wurden) zur Verfügung, welche in der Regel bei entsprechender Dosierung therapeutisch gleichwertig seien. Eine allfällige Stellungnahme der Antragstellerin würde gemeinsam mit dem Vorschlag des Hauptverbandes dem kleinen Fachbeirat vorgelegt werden, soferne sie bis zum 28. 3. 2000 beim Hauptverband einlange. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 17. 3. 2000 war die von der Antragstellerin in Aussicht gestellte Analyse noch nicht vorgelegt worden.
Mit Schreiben vom 27. 4. 2000 setzte der Hauptverband die Antragstellerin von der Empfehlung des kleinen Fachbeirats in Kenntnis. Dieser kam zum Ergebnis, dass C***** 50 mg Filmtabletten 28 Stück und C***** PLUS Filmtabletten 28 Stück nicht mehr wirtschaftlich und daher zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus dem Heilmittelverzeichnis zu streichen seien, zumal in der gleichen Indikationsgruppe kostengünstigere Arzneispezialitäten zur Verfügung stünden, welche in der Regel bei entsprechender Dosierung gleichwertig seien. Mit diesen - beispielsweise genannten - Produkten sei in der Regel eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung gewährleistet. Für den Fall, dass die Antragstellerin nicht einverstanden sei, könne sie beim Hauptverband binnen sechs Wochen nach Kenntnis der Empfehlung des kleinen Fachbeirats für Arzneimittelwesen schriftliche Einwendungen erheben und die Unrichtigkeit der mitgeteilten Gründe nachweisen.
Mit Schreiben vom 7. 6. 2000 erhob die Antragstellerin gegen die Entscheidung des kleinen Fachbeirats Einwände und bezog sich auf eine ökonomische und medizinische Analyse, die dem Schreiben beigelegt war. Sie legte dar, weshalb die vom Hauptverband geforderte Preisreduktion um 11,2 % nicht gerechtfertigt sei. Sie sei aber angesichts der angespannten Budgetsituation bereit, die Preise für C***** und C***** PLUS um 3,6 % ab 1. 8. 2000 zu senken. Mit Schreiben vom 11. 7. 2000 kündigte der Hauptverband der Antragstellerin den Termin der Sitzung des großen Fachbeirates für Arzneimittelwesen vom 28. 7. 2000 an.
Die Antragstellerin teilte dem Hauptverband mit Schreiben vom 25. 7. 2000 mit, sie werde mit Wirkung vom 1. 10. 2000 den Preis von C***** und C***** PLUS jenem der vom Hauptverband angeführten Monopräparate anpassen und daher die verlangte Preisreduktion auf 226,38 S implementieren. Dies führe wirtschaftlich zu einer Preissenkung von 11,2 %. Dennoch sei die Anhörung durch den großen Fachbeirat am 28. 7. 2000 wichtig, weil die vom Hauptverband verlangte Preisreduktion weder von einem medizinischen noch von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus gerechtfertigt sei.
Der Hauptverband schrieb der Antragstellerin am 30. 7. 2000, im Rahmen einer Überprüfung der Arzneispezialitäten C***** und C***** PLUS auf ihre Wirtschaftlichkeit sei Übereinstimmung erzielt worden, dass die Verschreibbarkeit derzeit nicht geändert werde, sofern bei Ausschöpfung der Spannen für den Drogengroßhandel und für die Apotheken der vom Hauptverband angeführte Krankenkassenpreis (ohne Mehrwertsteuer) nicht überschritten werde, und zwar ab 1. 10. 2000 C***** 50 mg Filmtabletten 30 Stück und C***** PLUS Filmtabletten 30 Stück Fabriksabgabepreis je 226,38 S, Apothekeneinstandspreis je 254,68 S und Krankenkassenpreis je 366,50 S.
Mit Schreiben vom 7. 8. 2000 teilte der Hauptverband der Antragstellerin mit, der große Fachbeirat habe unter Berücksichtigung der Ausführungen des Vorsitzenden des kleinen Fachbeirates sowie nach Anhörung der Vertreter der Antragstellerin einstimmig festgestellt, dass die Empfehlung des kleinen Fachbeirates nachvollziehbar sei. Sie laute wie folgt:
"Grundsätzlich keine Änderung gegenüber der Empfehlung des kleinen Fachbeirates vom 13. 4. 2000. Die Einwendungen bringen keine wesentlichen neuen Erkenntnisse über die Arzneispezialität gegenüber der Empfehlung des kleinen Fachbeirates vom 13. 4. 2000. Das vorgelegte Anbot vom 7. 6. 2000 ist nicht ausreichend."
Angemerkt wurde noch, dass neu hinzugekommene Unterlagen bei der Feststellung der Nachvollziehbarkeit der Empfehlung des kleinen Fachbeirates keine Berücksichtigung finden können. Sie können gegebenenfalls (bei Vorliegen wesentlich geänderter Erkenntnisse) dem kleinen Fachbeirat in Form eines Neuanbots zur Prüfung vorgelegt werden.
Ab 1. 10. 2000 wurden die Arzneispezialitäten der Antragstellerin C***** 50 mg Filmtabletten und C***** PLUS Filmtabletten, Packungsgröße je 30 Stück, im Heilmittelverzeichnis mit einem Fabriksabgabepreis von je 226,38 S bzw einem Kassenverkaufspreis von je 366,50 S (anstelle von bisher 418,50 S) gelistet. Bei dem am 28. 9. 2000 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrt die Antragstellerin zuletzt (AS 179), auszusprechen, dass der Hauptverband seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, indem er die Antragstellerin durch die erzwungene Zustimmung zu einer Anpassung des im Heilmittelverzeichnis angeführten Kassenverkaufspreises für C***** und C***** PLUS von bisher 413,50 S pro 28 Stückpackung auf 366,50 S pro 28 Stückpackung ab 2. 10. 2000 mittelbar zu unangemessenen Verkaufspreisen an die Großhändler in Höhe von 226,38 S ab 1. 10. 2000 zwinge, und dem Hauptverband aufzutragen, diesen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung abzustellen.
Weiters beantragte die Antragstellerin (AS 71), dem Hauptverband mit einstweiliger Verfügung
1. zu untersagen, im Heilmittelverzeichnis für C***** und C***** PLUS einen niedrigeren Kassenverkaufspreis als den derzeit angeführten Kassenverkaufspreis für diese Produkte von 418,50 S einzutragen bzw aufzunehmen, wenn die Zustimmung der Antragstellerin hiezu durch Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Hauptverbandes erzielt und die Antragstellerin dadurch mittelbar zu unangemessenen Verkaufspreisen gezwungen werde, insbesondere den im Heilmittelverzeichnis für C***** und C***** PLUS derzeit angeführten Kassenverkaufspreis von 418,50 S ab 1. 10. 2000 auf 366,50 S zu reduzieren;
2. für den Fall, dass der Hauptverband das Heilmittelverzeichnis bereits gedruckt und versendet habe, anzuordnen, einen Nachtrag zum Heilmittelverzeichnis in gleicher Weise wie das Heilmittelverzeichnis selbst zu veröffentlichen, aus dem hervorgehe, dass der zum Zeitpunkt der Antragstellung im Heilmittelverzeichnis angeführte Kassenverkaufspreis für C***** und C***** PLUS von 418,50 S pro 28 Stückpackung bis auf weiteres weiterhin gelte.
Zur Begründung führte die Antragstellerin - unter näherer Darlegung - aus, der Hauptverband sei ein marktbeherrschendes Unternehmen iSd § 34 KartG und iSd Art 82 EG. Er habe eine einzigartige Stellung als Nachfrager für Arzneispezialitäten im gesamten österreichischen Bundesgebiet. Er habe das gesetzliche Verhandlungsmonopol für die gesetzliche Krankenversicherung in Österreich. Ihm allein obliege die Entscheidung, welche Arzneispezialitäten zu welchem Preis in das Heilmittelverzeichnis aufgenommen und somit auf Rechnung der Krankenversicherungsträger frei verschreibbar werden. Nur der Hauptverband verhandle die Konditionen, zu denen er bereit sei, eine Arzneispezialität in das Heilmittelverzeichnis aufzunehmen. Er trete ausschließlich im Rahmen privatrechtlicher Verhandlungen den Leistungserbringern gegenüber, um mit ihnen die Konditionen, zu denen sie bereit seien, bestimmte Arzneispezialitäten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen, zu vereinbaren. Für Arzneispezialitäten, die nicht in das Heilmittelverzeichnis aufgenommen würden, gebe es in Österreich im Vergleich zu den frei verschreibbaren Arzneispezialitäten de facto keinen Markt. Die Antragstellerin habe keine andere Wahl gehabt, als der geforderten, unangemessen hohen Preissenkung um 11,2 % nachzugeben, weil der Hauptverband ungerechtfertigt ein formales Verfahren auf Streichung von C***** und C***** PLUS aus dem Heilmittelverzeichnis eingeleitet habe.
Der Hauptverband beantragte, die Anträge abzuweisen. Er sei kein Unternehmen im Sinn des österreichischen oder des europäischen Kartellrechts, jedenfalls aber kein Nachfrager oder Anbieter auf dem relevanten Markt. Aufgrund "besonderer gesetzlicher Regelungen (§ 5 KartG, Art 86 Abs 2 EG)" seien wesentliche Bereiche seiner Tätigkeit von der Anwendbarkeit des Kartellrechts ausgenommen. Selbst wenn eine marktbeherrschende Stellung des Hauptverbandes angenommen würde, habe er sich nicht missbräuchlich verhalten, sondern im Rahmen des gesetzlichen Auftrags zur Sicherung der staatlichen Krankenversicherungssysteme und zum Wohle der Versicherungsnehmer, die Medikamente nachfragten, agiert.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es traf neben den eingangs wiedergegebenen weitere Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus:
Die Regelung der Beziehungen des Hauptverbandes zu den Pharmaunternehmen sei nach dem System des ASVG dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen, sodass keine Ausnahme vom sachlichen Anwendungsbereich nach § 5 Abs 1 Z 3 KartG gegeben sei. Dasselbe gelte auch unter dem Gesichtspunkt des Art 86 Abs 2 EG. Der im vorliegenden Fall sachlich relevante Markt sei jener für frei verschreibbare A-II-Antagonisten innerhalb der Antihypertensiva. Aufgrund der Tätigkeit des Hauptverbandes sei das österreichische Bundesgebiet der räumlich relevante Markt. Grundsätzlich seien die Versicherten und deren Ärzte jene, die den Absatz der Pharmahersteller bestimmten. Durch die Entscheidung der Frage, ob ein Heilmittel im Heilmittelverzeichnis gelistet werde oder nicht, wirke der Hauptverband gerade im vorliegenden Fall massiv marktbeeinflussend, zumal alle Antihypertensiva rezeptpflichtig und 99,4 % davon im Heilmittelverzeichnis enthalten seien. Deshalb schaffe der Hauptverband durch die Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis die Grundlage für die individuelle Nachfrage der Versicherten. Die Ansicht, dass der Hauptverband marktbeherrschender Nachfrager iSd § 34 KartG sei, sei daher vertretbar. Diese Rechtsfrage müsse jedoch nicht gelöst werden, weil der Antragstellerin die Bescheinigung nicht gelungen sei, der Hauptverband missbrauche seine marktbeherrschende Stellung (dies wird eingehend vom Erstgericht begründet).
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, jenen im antragstattgebenden Sinn abzuändern, in eventu im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen.
Der Antragsgegner beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu abzuweisen, in eventu die von der Antragstellerin gestellten Anträge, einschließlich des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Die Antragstellerin erstattete zur Rekursbeantwortung des Antragsgegners die Replik vom 9. 4. 2003, zu der der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 28. 4. 2003 Stellung nahm.
1. Die Replik der Antragstellerin auf die Rekursbeantwortung des Antragsgegners sowie die zur Replik der Antragstellerin erstattete Stellungnahme des Antragsgegners sind zurückzuweisen. Jede Partei hat nur das Recht, ein Rechtsmittel und eine Rechtsmittelbeantwortung (Gegenäußerung) zu erstatten; weitere Schriftsätze auf eine Gegenäußerung sind nicht vorgesehen (vgl 16 Ok 10/02; 16 Ok 12/02; allgemein RIS-Justiz RS0007007 mwN).
2. Der Antragsgegner macht unter anderem geltend, sämtliche Anträge der Antragstellerin seien möglicherweise wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen. In seinem Prüfungsbeschluss vom 7. 12. 2002, GZ V 5/02-13, führe der Verfassungsgerichtshof nämlich aus, das Heilmittelverzeichnis scheine wegen seiner normativen Wirkungen als Verordnung anzusehen zu sein und diese Qualifikation auch für jene Rechtsakte zutreffen dürfte, mit denen das Heilmittelverzeichnis zum Beispiel durch Aufnahme oder Streichung von Arzneimitteln verändert werde. Unter diesen Prämissen könnte die von der Antragstellerin beantragte Untersagung bestimmter Eintragungen im Heilmittelverzeichnis durch den Antragsgegner bzw dessen Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Nachtrages zum Heilmittelverzeichnis eine unzulässige gerichtliche Kontrolle bzw ein unzulässiger Eingriff in die Verwaltung mittels einstweiliger Verfügung sein.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Einwand ist berechtigt:
Wie sich aus § 133 Abs 1 ASVG ergibt, umfasst der Krankenbehandlungsanspruch der in der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruchsberechtigten ärztliche Hilfe, Heilmittel sowie Heilbehelfe als Sachleistungen. Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 133 Abs 2 ASVG). Als Heilmittel gelten die "notwendigen Arzneien" (§ 136 Abs 1 lit a ASVG), aber auch die "sonstigen Mittel" (§ 136 Abs 1 lit b ASVG), die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilungserfolges dienen. Die Kosten der Heilmittel werden vom Krankenversicherungsträger im Wege der Abrechnung mit den Apothekern übernommen (§ 136 Abs 2 ASVG).
Der Hauptverband ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichtet (§ 32 Abs 1 ASVG).
§ 31 Abs 3 Z 12 ASVG (idF vor Inkrafttreten der 60. ASVG-Novelle, BGBl I 2002/140) bestimmt, dass der Hauptverband ein Heilmittelverzeichnis herauszugeben hat, und zwar "unter Bedachtnahme auf § 133 Abs 2 [ASVG]". In diesem Verzeichnis sind jene Arzneispezialitäten (siehe hiezu § 2 Abs 5 Arzneimittelgesetz, BGBl 1983/185 idgF) anzuführen, die entweder allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen (zB für gewisse Krankheitsgruppen oder Altersstufen von Patienten, in bestimmter Menge oder Darreichungsform) ohne die sonst notwendige chef- oder kontrollärztliche Bewilligung auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers abgegeben werden können. In diesem Verzeichnis sind ferner jene Stoffe für magistrale Zubereitungen anzuführen, die entweder allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen nur mit vorheriger chef- oder kontrollärztlicher Bewilligung für Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegeben werden können.
Eine ergänzende Bestimmung trifft § 350 Abs 1 Z 3 ASVG, wonach - mit Ausnahme jener Fälle, in denen eine chef- oder kontrollärztliche Bewilligung vorliegt - Heilmittel von Apothekern bzw Hausapotheken führenden Ärzten nur dann auf Kosten des Krankenversicherungsträgers abgegeben werden dürfen, wenn sie im Heilmittelverzeichnis als "frei verschreibbar" ausgewiesen sind.
Die Herausgabe des Heilmittelverzeichnisses bedarf der Beurkundung des gesetzmäßigen Zustandekommens durch den Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen. Ab dem 1. Jänner 2002 sind unter anderem Änderungen des Heilmittelverzeichnisses im Internet zu verlautbaren (§ 31 Abs 1 ASVG idF der 58. ASVG-Novelle, BGBl I 2001/99). Rechtsakte die - wie bis zum 31. Dezember 2001 vorgesehen - in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" kundgemacht worden sind, müssen bei sonstigem Außerkrafttreten bis zum 31. Dezember 2005 im Internet wieder verlautbart werden (§ 593 Abs 3 ASVG idF 58. Novelle).
Die vom Hauptverband kundgemachte "Verfahrensordnung für die Erstellung des Heilmittelverzeichnisses gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG (VOHMV)", Soziale Sicherheit 11/1998, Amtliche Verlautbarung Nr 104/1998, bestimmte jenes Verfahren, nach dem das Heilmittelverzeichnis erstellt wurde. § 2 VOHMV enthielt die bei der Aufnahme von Arzneispezialitäten in das Heilmittelverzeichnis zu beobachtenden Regeln, § 5 VOHMV jene über Änderungen (Streichungen) von Eintragungen im Heilmittelverzeichnis. § 5 Abs 4 VOHMV bestimmte:
"Sprechen ökonomische Gründe dafür, wird der Hauptverband vom pharmazeutischen Unternehmer die Senkung des Preises einer Arzneispezialität verlangen. Gibt es über den neuen Preis keine Einigung, gilt die schriftliche Aufforderung zur Preissenkung als Einleitung des Verfahrens zur Streichung dieser Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis."
Mit der 60. ASVG-Novelle, BGBl I 2002/140, wurden die Vorschriften betreffend das Heilmittelverzeichnis abgeändert: § 31 Abs 3 Z 12 ASVG wurde eine neue Fassung gegeben, zu dem wurde in den sechsten Teil des ASVG ein neuer "Abschnitt V" (§§ 351c - 351j ASVG) eingefügt, der jenes Verfahren regelt, in dem das Heilmittelverzeichnis zu erstellen (und abzuändern) ist.
Diese Vorschriften stehen seit dem 1. 10. 2002 in Kraft (§ 600 Abs 1 Z 2 ASVG idF 60. Novelle) und finden auf jene Fälle Anwendung, in denen das Anbot zur Aufnahme einer Arzneispezialität in das Heilmittelverzeichnis nach dem 30. September 2002 gestellt wird (§ 600 Abs 7 ASVG idF 60. Novelle).
Nach § 351i Abs 1 Z 2 ASVG (idF 60. ASVG-Novelle) obliegt es nunmehr der - beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen als Kollegialbehörde gemäß Art 133 Z 4 B-VG eingerichteten - unabhängigen Heilmittelkommission, über "Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis gestrichen werden soll", im Einzelfall zu entscheiden, und zwar mit Bescheid, weil für das Verfahren vor der unabhängigen Heilmittelkommission die Vorschriften des AVG gelten (§ 351j Abs 5 ASVG idF 60. Novelle).
Der Hauptverband hat die "Verfahrensordnung zur Herausgabe des Heilmittelverzeichnisses nach § 351g ASVG - VO-HMV" im Internet kundgemacht (www.avsv.at Amtliche Verlautbarung Nr 100/2002). Diese Verfahrensordnung ist am 1. 10. 2002 in Kraft getreten und auf jene Fälle anzuwenden, in denen die Antragstellung nach dem 30. 9. 2002 erfolgt bzw ein Verfahren nach dem 30. 9. 2002 eingeleitet wird (§ 39 VO-HMV). Die Verfahrensordnung für die Erstellung des Heilmittelverzeichnisses gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG, Amtliche Verlautbarung Nr 104/1998, ist am 30. 9. 2002 außer Kraft getreten. Sie ist allerdings für jene Fälle noch anzuwenden, in denen die Antragstellung vor dem 1. 10. 2002 erfolgt bzw ein Verfahren nach dieser Verfahrensordnung vor dem 1. 10. 2002 eingeleitet wird (§ 40 VO-HMV).
In seinem Erkenntnis vom 10. 10. 2003, GZ G 222/02-18, G 1/03-17, hielt der Verfassungsgerichtshof seine im zu V 5/02 ergangenen Prüfungsbeschluss vorläufig geäußerte Auffassung aufrecht, dass das Heilmittelverzeichnis (sowie jede seiner Änderungen) als Verordnung iSd Art 139 B-VG anzusehen ist und daher Gegenstand eines entsprechenden Normenprüfungsverfahrens sein kann. Er führte aus:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter einer Verordnung - unabhängig von ihrer Bezeichnung - eine von einer Verwaltungsbehörde erlassene, generelle Rechtsnorm zu verstehen ... Verordnungen können nur im Rahmen der Hoheitsverwaltung erlassen werden (zB VfSlg 5191/1966). Als Verwaltungsbehörden kommen jedoch auch Organe von Nicht-Gebietskörperschaften, etwa von beruflichen Selbstverwaltungskörpern (zB VfSlg 1798/1948) oder von Anstalten (zB VfSlg 1397/1931), in Betracht. Für die normative Wirkung eines Verwaltungsaktes ist ausschließlich sein Inhalt entscheidend. Wird durch eine generelle Norm die Rechtslage der Betroffenen gestaltet, so wendet sich diese ihrem Inhalt nach an die Allgemeinheit und stellt daher eine Verordnung dar ...
Ein Heilmittel kann nur dann unmittelbar auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers bezogen werden, wenn es entweder in das Heilmittelverzeichnis aufgenommen ist oder eine chef- oder kontrollärztliche Bewilligung vorliegt (vgl § 31 Abs 3 Z 12 ASVG). Vertragsapotheker sowie -ärzte dürfen gemäß § 350 Abs 1 ASVG ein von einem Vertragsarzt verordnetes Heilmittel nur dann auf Rechnung des jeweiligen Krankenversicherungsträgers abgeben, wenn das Heilmittel im Heilmittelverzeichnis als "frei verschreibbar" ausgewiesen ist. Das Heilmittelverzeichnis gestaltet somit zunächst die Rechtsstellung des Versicherten, und zwar ungeachtet dessen, dass ihm für den Fall der Versagung der chef- bzw kontrollärztlichen Genehmigung die Durchsetzung seines Leistungsanspruchs im Sinn der §§ 116 ff, 133 Abs 2 ASVG (ohne Bindung an die chef- bzw kontrollärztliche Beurteilung) im Gerichtsweg offensteht ...
Das Heilmittelverzeichnis berührt überdies die Rechtsposition der im Hauptverband zusammengeschlossenen Krankenversicherungsträger, welche die Kosten eines - ärztlich verordneten - Heilmittels, das in das Verzeichnis aufgenommen ist, ohne weiteres zu tragen haben (vgl § 31 Abs 6 ASVG).
Das Heilmittelverzeichnis ist daher wegen seiner normativen Wirkungen als Verordnung anzusehen (ebenso Geppert, Heilmittelversorgung und Heilmittelverzeichnis, in: Martinek/Wachter [Hrsg], Arbeitsleben und Rechtsordnung, FS Gerhard Schnorr [1988] 363 [366 ff]). Diese Qualifikation trifft auch auf jene Rechtsakte zu, mit denen das Heilmittelverzeichnis zum Beispiel durch Aufnahme oder Streichung von Arzneimitteln verändert wird. Auch solche Rechtsakte - wie der im vorliegenden Fall angefochtene - sind daher Verordnungen und damit zulässiger Gegenstand eines Verfahrens nach Art 139 B-VG.
...
Die Entscheidung über die Streichung einer in das Heilmittelverzeichnis aufgenommenen Arzneispezialität aus diesem greift in jene Rechtssphäre des Arzneimittelherstellers unmittelbar ein, die sich aus den Rechtswirkungen des Heilmittelverzeichnisses selbst und aus allfälligen, aus Anlass der Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis zwischen dem Hersteller und dem Hauptverband getroffenen weiteren Vereinbarungen ergibt."
Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Verfassungsgerichtshofs über die Rechtsnatur des Heilmittelverzeichnisses (sowie jeder seiner Änderungen) als Verordnung im Sinne des § 139 B-VG. Davon ausgehend ist die Zulässigkeit des Rechtsweges im vorliegenden Fall zu verneinen.
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind in erster Linie der Wortlaut des Begehrens und darüber hinaus die Behauptungen, auf die es gestützt wird, maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Dafür ist der geltend gemachte Rechtsgrund von Bedeutung, ob nach dem Inhalt ein kartellrechtlicher Anspruch erhoben wird, der vom Kartellgericht zu entscheiden ist (16 Ok 14, 15/02 mwN; vgl allgemein RIS-Justiz RS0045584 mwN). Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, wenn ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird, mit dem jedoch ein unmittelbarer Eingriff in das hoheitliche Handeln eines Rechtsträgers angestrebt wird, sei es durch Beseitigung der Folgen hoheitlichen Handelns durch Vornahme oder Rückgängigmachung eines Verwaltungsaktes, sei es durch Untersagung hoheitlichen Handelns (SZ 61/88 mwN). Die Antragstellerin hat sich zwar eindeutig auf den Missbrauch der Stellung des Antragsgegners als beherrschendes Unternehmen im Sinn des § 35 KartG bzw des Art 82 EG gestützt (und dies ua mit der Verletzung von Regeln der VOHMV begründet), sie strebt jedoch nach dem Inhalt des Sicherungsantrags einen unmittelbaren Eingriff durch das Kartellgericht in hoheitliches Handeln des Hauptverbands an, soll diesem doch eine bestimmte Änderung des Heilmittelverzeichnisses untersagt bzw aufgetragen werden. Hiefür ist der Rechtsweg unzulässig.
Aus Anlass des zulässigen Rekurses gegen die Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung war gemäß § 42 Abs 1 JN die Unzulässigkeit des Rechtswegs vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen (vgl 1 Ob 2054/96g; EvBl 1963/55; JBl 1958, 121 uva), der angefochtene Beschluss und das diesem vorangegangene Provisorialverfahren als nichtig aufzuheben und der Sicherungsantrag zurückzuweisen. Über eine Nichtigkeit des Hauptverfahrens durfte aus Anlass des Rekurses bloß gegen die Abweisung des Sicherungsantrags nicht abgesprochen werden (SZ 38/27; SZ 54/30 ua; vgl Kodek in Rechberger2, ZPO § 527 Rz 1).
Die Kostenentscheidung stützt sich in Bezug auf das für nichtig erklärte Provisorialverfahren auf § 51 Abs 2 ZPO iVm § 45 Abs 2 KartG und in Bezug auf das Rekursverfahren auf § 45 Abs 2 KartG. Ein Kostenersatzanspruch tritt nach § 45 Abs 2 KartG in Verfahren nach § 35 KartG nur soweit ein, als die Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig war; für ein im Zusammenhang mit einem solchen Hauptverfahren durchgeführtes Provisiorialverfahren muss dieselbe Einschränkung gelten (vgl 16 Ok 1/00; 16 Ok 8/00; 16 Ok 4/01). Eine mutwillige Rechtsverfolgung ist hier nicht zu erkennen, wurde doch die Rechtsnatur des Heilmittelverzeichnisses (und jeder seiner Änderungen) erst im Rekursverfahren klargestellt.
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