OGH 16Ok12/06

OGH16Ok12/0621.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Gerhard Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas als weitere Richter in den verbundenen Kartellrechtssachen der Antragstellerinnen 1. Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 31 (27 Kt 18, 193/04), 2. B*****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien (27 Kt 83/04), wider die Antragsgegnerinnen 1. E*****, 2. S***** GesmbH, *****, 3. Sparkasse ***** A*****, 4. Sparkasse B*****, 5. Sparkasse N*****, 6. Sparkasse H*****-B*****, 7. Sparkasse H*****-V*****, 8. Sparkasse Ha*****, 9. Sparkasse H***** - N*****, 10. W***** Sparkasse AG, *****, 11. Sparkasse Ho*****, 12. Sparkasse Ki*****, 13. Sparkasse ***** Ko*****, 14. K*****, 15. Sparkasse La*****, 16. Sparkasse Le*****, 17. Sparkasse M*****, 18. Sparkasse N*****, 19. Sparkasse P*****, 20. Sparkasse Po*****, 21. Sparkasse ***** W*****, 22. W*****Sparkasse, *****, 23. Bank *****, 24. Stadtsparkasse T*****, 25. Sparkasse E*****, 26. Sparkasse F*****, 27. Sparkasse K*****, 28. Sparkasse L*****, 29. Allgemeine Sparkasse O*****, 30. Sparkasse N*****, 31. Sparkasse M*****, 32. S***** Sparkasse *****, 33. S*****, 34.S parkasse G*****, 35. S***** Bank *****, 36. Sparkasse ***** K*****, 37. Sparkasse M*****, 38. Sparkasse V*****, 39. Sparkasse F*****, 40. K***** *****, 41. T***** *****, 42. Sparkasse R*****, 43. Sparkasse ***** B*****, 44. Sparkasse B*****, 45. Sparkasse der Gemeinde E*****, 46. Sparkasse ***** F*****, 47. Sparkasse I*****, 48. D***** Sparkasse *****, 49. Sparkasse B*****, 50. Sparkasse ***** G*****, 51. Sparkasse S*****, 52. Sparkasse P*****, 53. Sparkasse B*****, 54. Sparkasse P*****, 55. L***** Sparkasse *****, alle vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Abstellung von Zuwiderhandlungen (§ 26 KartG 2005) und Feststellung (§ 28 KartG 2005), über die Rekurse der Zweitantragstellerin und der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 13. Juni 2006, GZ 27 Kt 83/04-70, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erstantragsgegnerin ist die zweitgrößte inländische Bank und das Spitzeninstitut des Sparkassensektors. Sie hat mit den Antragsgegnerinnen zu 3. bis 55. (inländische Sparkassen) mit Wirkung zum 1. 1. 2002 eine Grundsatzvereinbarung über die Errichtung eines Haftungsverbunds abgeschlossen. Der Haftungsverbund ist ein subsidiäres Instrument, das im Garantiefall nach der gesetzlichen Einlagensicherung in Kraft tritt; die daran teilnehmenden Sparkassen garantieren die Einlagen ihrer Kunden bis zu 100 Prozent. Zur Umsetzung der damit verbundenen Einrichtung eines Früherkennungssystems für wirtschaftliche Fehlentwicklungen und der vereinbarten Verpflichtung zu wechselseitiger Unterstützung bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde die Zweitantragsgegnerin errichtet. Dadurch ist zwischen den Antragsgegnerinnen eine Kreditinstitutsgruppe im Sinn des § 30 Abs 2a BWG entstanden. Die Bundeswettbewerbsbehörde begehrte mit ihrem am 16. 1. 2004 beim Erstgericht eingelangten, auf § 8a KartG 1988 gestützten Antrag zu 27 Kt 18/04, das Kartellgericht möge feststellen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt, insoweit Antragsgegnerinnen zu 3. bis 55. der Grundsatzvereinbarung oder der Antragsgegnerin zu 2. erst nach dem 1. 9. 2002 beigetreten sind, das KartG (mit Ausnahme seiner Abschnitte II und IIa) anzuwenden ist. Am 23. 4. 2004 stellte sie einen auf § 25 KartG 1988 gestützten Antrag zu 27 Kt 193/04, das Kartellgericht möge die Durchführung der Grundsatzvereinbarung und des Gesellschaftsvertrags der Zweitantragsgegnerin sowie die Ergänzungsvereinbarung untersagen, soweit sie Art 81 EG widerspreche. Die Zweitantragstellerin ist die größte inländische Mitbewerberin der Erstantragsgegnerin. Sie begehrt mit ihrem am 13. 2. 2004 beim Erstgericht eingelangten, auf § 25 KartG 1988 gestützten, Antrag zu 27 Kt 83/04, die Durchführung der Grundsatzvereinbarung zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1. und 3. bis 55. und des Gesellschaftsvertrags der Antragsgegnerin zu 2., hilfsweise die Durchführung der wettbewerbswidrigen Teile davon, zu untersagen, hilfsweise festzustellen, dass die Grundsatzvereinbarung und der Gesellschaftsvertrag europäischem Wettbewerbsrecht - insbesondere Art 81 EG - unterliegen und gegen Art 81 Abs 1 EG verstoßen. Die Grundsatzvereinbarung sei eine wettbewerbsbeschränkende mehrseitige Vereinbarung zwischen Unternehmen. Sie verwirkliche einen gemeinsamen Marktauftritt, die Gruppenmitglieder böten Dienstleistungen zu vereinheitlichten Konditionen (etwa im Wege eines Internet-Kreditrechners) an. Die Kooperationsvereinbarung bezwecke die Festsetzung von Preisen, die Beschränkung der Produktion und Aufteilung von Märkten. Die Gruppenteilnehmer seien in ihrem Vorgehen im Gebührenbereich nicht unabhängig. Es liege ein Preis- und Konditionenkartell vor. Die gemeinsame Planung und Entwicklung von Sektorprodukten und -dienstleistungen, die enge Zusammenarbeit und die Harmonisierung der Risikoanalyse samt den dafür eingesetzten Beiräten und Expertenrunden sei ein gegen Art 81 EGV verstoßendes Marktinformationsverfahren, in dessen Rahmen individuelle wettbewerbsrelevante Daten von Unternehmern in einem organisierten Verfahren ausgetauscht würden, was notwendigerweise Auswirkungen auf das Marktverhalten der beteiligten Unternehmen habe und darüber hinaus zu einer für ein Kartell typischen Gruppensolidarität führe. Die Haftungsgesellschaft sei durch die zentrale Sammlung von Daten und von zentralen Organisations- und Verwaltungseinrichtungen als organisiertes Informations-Pooling anzusehen. In der Bündelung wesentlicher Abwicklungsfunktionen liege ein nicht freigestelltes Spezialisierungskartell. Ein wettbewerbsbeschränkender Effekt der Grundsatzvereinbarung liege in den in der Haftungsgesellschaft ausgetauschten Informationen, die nach § 4 Abs 4 der Ergänzungsvereinbarung alle für die Zwecke der Erfüllung der Grundsatzvereinbarung und der Ergänzungsvereinbarung notwendigen Datenlieferungen an die Haftungsgesellschaft und die Erstantragsgegnerin beträfen; dies sei nicht durch Vertraulichkeitsbestimmungen abgesichert. Auch durch den Abtausch bzw die Überlassung von Filialen der Erstantragsgegnerin an örtliche Sparkassen sei eine Beschränkung des Wettbewerbes bereits eingetreten. Die Zweitantragsgegnerin (Haftungsgesellschaft) sei kein Gemeinschaftunternehmen iSd Art 3 Abs 2 FKVO; auch sie verstoße gegen Art 81 EG. Der Sachverhalt unterliege EU-Kartellrecht, weil die Vereinbarungen auch Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hätten.

Die Antragsgegnerinnen haben beantragt, die Untersagungsanträge wegen Unzuständigkeit bzw mangels rechtlichen und wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin zurückzuweisen, hilfsweise abzuweisen, sowie die Feststellungsanträge abzuweisen.

Die Abweisung der Unzuständigkeitseinrede der Antragsgegnerinnen durch das Erstgericht hat der Senat bestätigt (16 Ok 6/05). In der Sache wenden die Antragsgegnerinnen ein, der Haftungsverbund mit seinen beiden Komponenten Frühwarnsystem und erweitere Einlagensicherung liege im Kundeninteresse, weil dadurch dem Insolvenzrisiko einzelner Kreditinstitute entgegengewirkt und neben der gesetzlichen Einlagensicherung ein zusätzliches Sicherheitsnetz geschaffen werde. Unrichtig sei, dass alle beteiligten Sparkassen dieselben Dienstleistungen um dasselbe Entgelt anbieten würden. Zwar verwiesen die Gruppenmitglieder auf ihren Internetseiten zum gleichen Kreditrechner, bei dem die Basiskonditionen gleich hoch eingestellt seien. Es werde aber deutlich darauf hingewiesen, dass die angeführten Werte nur ungefähre Berechnungen und kein verbindliches Angebot seien; die Konditionen wären im jeweiligen Einzelfall mit den verschiedenen Bankstellen zu vereinbaren. Die Sparkassen hätten vergleichsweise eingeschränkte Ressourcen und seien nicht in der Lage, mit vertretbarem Aufwand alleine jene komplexen Produkte zu entwickeln, die von Universalbanken angeboten würden; sie könnten keinen eigenständigen Geld-, Devisen-, Wertpapier- oder Kommissionshandel durchführen, bei dem es durchwegs ausländischer Korrespondenz der Bankverbindungen bedürfe. Ebenso wenig könnten sich kleine Sparkassen eigenständig jene hoch entwickelten EDV-Einrichtungen leisten, wie sie im Rahmen eines modernen Bankbetriebes benötigt würden. Mit Wirksamwerden von „Basel II" kämen weitere Herausforderungen auf alle Kreditinstitute zu; die klein- und mittelbetrieblichen Mitglieder der Sparkassengruppe besäßen weder ausreichendes Datenmaterial noch EDV-technisches Rüstzeug und Know-how, um die entsprechenden Analysen anzustellen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Sparkassen liege im Retailgeschäft mit Privatkunden und kleinen und mittleren Unternehmen; dies seien lokale Märkte, auf denen man sich im Wettbewerb zu ortsansässigen Banken anderer Bankensektoren bewähren müsse. Der Haftungsverbund der Sparkassen beschränke den Wettbewerb nicht, sondern fördere ihn. Die weiter vereinbarte Kooperation innerhalb der Sparkassen-Gruppe sei in Wahrheit markterschließend und verschaffe den teilnehmenden Instituten die Möglichkeit, umfassende Dienstleistungen als Universalbanken anzubieten und so mit Großbanken in Wettbewerb zu treten. Ohne diese Kooperation wären die Sparkassen auf beschränkte Bankgeschäfte mit niedrigerem Komplexitätsgrad und/oder niedrigeren Limits verwiesen. Die Grundsatzvereinbarung sei nicht geeignet, eine spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels mit sich zu bringen.

Auch die Amtspartei Bundeskartellanwalt hat sich am Verfahren

beteiligt.

Das Erstgericht traf folgende Entscheidung:

1. Es stellte fest, dass die Anträge

a) der Bundeswettbewerbsbehörde, das Kartellgericht möge die Durchführung der Grundsatzvereinbarung und des Gesellschaftsvertrages der Zweitantragsgegnerin sowie die Ergänzungsvereinbarung untersagen, und

b) der Zweitantragstellerin, das Kartellgericht möge die Durchführung der Grundsatzvereinbarung zwischen der Erstantragsgegnerin und der Antragsgegnerinnen zu 3. - 55. sowie den Gesellschaftsvertrag der Zweitantragsgegnerin, in eventu dessen wettbewerbswidrige Teile, untersagen, hinsichtlich

- der Ergänzungsvereinbarung, insbesondere des darin vereinbarten Datenflusses von den Sparkassen des Haftungsverbundes zur Erstantragsgegnerin,

- des Kreditrechners auf den Internetseiten der Sparkassen des Haftungsverbundes,

- der mangelnden Verschwiegenheitsverpflichtung der Organe der Zweitantragsgegnerin gegenüber der Erstantragsgegnerin bzw des Mangels an Mechanismen den Informationsfluss von der Zweitantragsgegnerin zur Erstantragsgegnerin zu kontrollieren und zu unterbinden,

- der Bestellung der die Stimmenmehrheit innehabenden Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin

- sowie der Möglichkeit der Bestellung von Geschäftsführern, die nicht unabhängig sind, insbesondere weil sie auch weiterhin Funktionen bei der Erstantragsgegnerin oder ihren Tochterunternehmen innehaben,

dem Grunde nach zu Recht bestehen;

2. das Mehrbegehren hinsichtlich der zuvor genannten Anträge wies das Erstgericht ab.

3. Den weiteren Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde festzustellen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt, insoweit Antragsgegnerinnen zu 3. bis 55. der Grundsatzvereinbarung oder der Zweitantragsgegnerin erst nach dem 1. 9. 2002 beigetreten sind, das KartG (mit Ausnahme seiner Abschnitte II und IIa) anzuwenden ist, wies das Erstgericht ab.

4. Den Eventualantrag der Zweitantragstellerin festzustellen, dass die Grundsatzvereinbarung zwischen der Erstantragsgegnerin und der Antragsgegnerinnen zu 3. - 55. und der Gesellschaftsvertrag der Zweitantragsgegnerin europäischem Wettbewerbsrecht (inbes Art 81 EG) unterliegen und gegen Art 81 Abs 1 EG verstoßen, wies das Erstgericht zurück.

5. Den weiteren Eventualantrag der Zweitantragstellerin, die Zuwiderhandlung gegen Art 81 EG „Abschluss, Aufrechterhaltung und Durchführung der Grundsatzvereinbarung sowie des Gesellschaftsvertrages der Zweitantragsgegnerin bzw der wettbewerbswidrigen Teile dieser Verträge" abzustellen, wies das Erstgericht, soweit der Antrag über die in Punkt 1. als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannten Teile der genannten Verträge hinausgeht, ab.

Das Erstgericht traf umfangreiche Feststellungen (Seiten 42-178 der angefochtenen Entscheidung), aus denen besonders hervorzuheben ist:

Das österreichische Kreditwesen ist historisch gewachsen in fünf Sektoren aufgeteilt, nämlich jenen der Banken und Bankiers, der Hypothekenbanken, der Sparkassen, der Genossenschaften nach dem System Schulze-Delitsch sowie den Genossenschaften nach dem System Raiffeisen. Der Sparkassensektor ist - gemessen an der Bilanzsumme - der größte Sektor; er umfasst neben der Erstantragsgegnerin und der Zweitantragstellerin 61 (Bundesländer)-Sparkassen. Die zehn größten Mitglieder der Sparkassengruppe (Haftungsverbund) besetzen die Ränge 2, 14, 15, 30, 32, 36, 38, 43, 56 und 58 im inländischen Bankenbereich. Im Bankengeschäft wird der Markt in sachlicher Hinsicht in das Privatkunden- und Firmenkundengeschäft unterteilt, und dort jeweils in die Produktsegmente Einlagen- und Kreditgeschäft; daneben besteht ein Markt für verschiedene Abwicklungsarten des Zahlungsverkehrs und kundenspezifische Dienstleistungen. Räumlich gesehen bestehen im Hauptgeschäftsgebiet der Sparkassen, dem Retailgeschäft, lokale Einzugsgebiete der einzelnen Institute, die in ihren Randbereichen jeweils überlappen, weshalb durch diese Überschneidungen in einer Art „Dominoeffekt" letztlich das gesamte Bundesgebiet als räumlich abzugrenzender Markt betroffen ist. Im Jahr 2002 betrugen bei umsatzorientierter Betrachtung der Marktkonzentration die Marktanteile (nach der Bilanzsumme) ua der Zweitantragstellerin 25,8 %, jene der Erstantragsgegnerin 21,1 % (vor Inkrafttreten des Haftungsverbunds). Im Inland betrug 2002 die Bilanzsumme des gesamten österreichischen Kreditwesens rund 420 Mrd EUR, jene des Sparkassensektors rund 140 Mrd EUR, davon entfallen auf die Zweitantragstellerin rund 64 Mrd EUR, auf die Erstantragsgegnerin inklusive ihrer Tochterunternehmen, an denen sie Beteiligungen hält, im Inland rund 46 Mrd EUR, auf den Haftungsverbund rund 76 Mrd EUR. Acht Sparkassen sind weder der Grundsatzvereinbarung noch der Haftungsgesellschaft beigetreten. Die Sparkassen des Haftungsverbunds machen mehr als die Hälfte des Inlandgeschäfts der Erstantragsgegnerin aus, etwa 10 % des Gesamtvolumens betragen ihre „sonstigen internationalen Geschäfte". Nach dem Referat eines Mitglieds des Vorstands der Erstantragsgegnerin im Oktober 2003 habe die Kooperation zwischen der Erstantragsgegnerin und den Sparkassen zu einer Ertragssteigerung und Kostenreduktion durch Vermeidung von Konkurrenz zwischen den Sparkassen durch Tausch von Filialen gegen Beteiligungen (Übertragung von rund 100 Filialen seit 1999 im Austausch gegen Beteiligung an sieben regionalen Sparkassen) geführt; durch die Einrichtung des Haftungsverbundes sei der Aufbau eines franchise-ähnlichen Systems gelungen, mit gemeinsamer Marke, gemeinsamen Marketingmaßnahmen und zentralisierten Dienstleistungen, die von der Erstantragsgegnerin bereit gestellt würden, sowie einem Vertriebsnetz mit den lokalen Kontakten und Marktkenntnissen, das die lokalen Sparkassen zur Verfügung stellten; Synergien seien durch Migration aller Sparkassen auf die gemeinsame IT-Plattform per Oktober 2003 erreicht worden.

Klassische Retailbanken wie auch die Antragsgegnerinnen haben das Kreditgeschäft als größten Geschäftszweig und tragen in diesem Bereich auch das höchste Risiko (etwa 2/3 des Gesamtrisikos, gefolgt vom allgemeinen Marktrisiko mit rund 25 % Risikoanteil). Zur Messung des Kreditrisikos hat die Erstantragsgegnerin gemeinsam mit den Sparkassen ein Ratingverfahren aufgebaut, in dem bestimmte Risikofaktoren für bestimmte Kreditgruppen angesetzt werden. Diese Kataloge sind je nach Kundengruppen unterschiedlich ausgestaltet. Diese sogenannten Ratingverfahren sind auf einer aggregierten Ebene bei allen Banken gleich, Unterschiede liegen in den Details und der Wertung der einzelnen Komponenten. Mit „Basel I" haben die Nationalbanken der G-10 Staaten versucht, einen gemeinsamen Standard einzuführen, dessen Grundgedanke es war, dass Banken 8 % Eigenkapital von den vergebenen Krediten halten sollten; dieser Vorschlag wurde in rund 100 Staaten gesetzlich verwirklicht, so auch in Österreich. Da dieser Ansatz ein sehr undifferenzierter ist und die Bonität des jeweiligen Kunden gänzlich außer Acht lässt, wurde das System mit dem Entwurf zu „Basel II" (einem Konsultationspapier des Baselausschusses, das auch zum Gegenstand einer EU-Richtlinie gemacht und in der nationalen Gesetzgebung bis 2007 umgesetzt werden soll) verfeinert: Künftig soll die notwendige Eigenkapitalunterlegung von Krediten in Relation zum Risiko der Kreditvergabe gesetzt werden. Vergibt etwa eine Bank Kredite mit geringem Risiko, ist eine geringere Eigenkapitalvorratshaltung erforderlich als 8 %; bei Krediten mit größerem Risiko muss entsprechend mehr Eigenkapital gehalten werden. Basel II sieht zwei Möglichkeiten vor, Risiko zu messen und zu gewichten: Den Standardansatz und den internen Ratingansatz (IRB-Ansatz). Der IRB-Ansatz verlangt von der Bank die Fähigkeit zur eigenen Einschätzung der Risikoqualität der vergebenen Kredite; die Bank muss angeben können, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kreditnehmer einer bestimmten Klasse ihres Ratings innerhalb der nächsten 12 Monate seinen Zins- und Kapitalrückzahlungsverpflichtungen nachkommen wird oder nicht. Es muss also eine Prognose über die Ausfallswahrscheinlichkeit abgegeben werden. Dieses Verfahren muss vor der jeweiligen staatlichen Aufsicht dargelegt und von dieser genehmigt werden. Dazu ist es notwendig, relativ große statistische Grundgesamtheiten, also Kundenmengen und Daten heranzuziehen, um für jede Gruppe von Kunden ausreichende Datenmengen, die statistisch relevante Aussagen treffen lassen, zu erhalten. Im Rahmen dieses Systems müssen nicht nur die Ausfallswahrscheinlichkeiten, sondern auch für Kredite gegebene Sicherheiten und der Zeithorizont ihrer Verwertung und die damit verbundenen Kosten bewertet werden. Auch hiefür müssen Datenbanken aufgebaut werden. Um diesen IRB-Standard zu erreichen, wird es einer kleinen Bank nicht leicht fallen, entsprechende Datenmengen und Grundgesamtheiten aus eigenem zu erreichen. Grundsätzlich ist auch ein Datenpooling zulässig, sofern die Banken gleiche Ratingverfahren haben und in gleichen Kundensegmenten mit gleicher Verlust- und Ausfallsbearbeitung tätig werden. Im Sparkassenbereich wurde deshalb ein Ratingsystem in Zusammenarbeit entwickelt und ein Datenpool eingerichtet, in den die einzelnen Sparkassen bereits vordefinierte Daten liefern. Basel II kennt Kreditinstitutsgruppen insoferne, als dieses Papier Konsolidierungskreise beschreibt, in denen - zumindest langfristig - alle Mitglieder dasselbe Verfahren anwenden sollen. Das Risikomesssystem der Sparkassen führt zu einer Vereinheitlichung innerhalb der Gruppe des Datenpools. Die Methodik der Berechnung des Risikokostenanteiles wird vereinheitlicht. Ob die einzelnen Sparkassen die so zu kalkulierenden Kosten dagegen auf den einzelnen Kunden überwälzen oder nicht, ist jeweils eine Frage der Einzelentscheidung des kreditvergebenden Organs und daher grundsätzlich nicht vereinheitlicht. Auch wenn ein kreditvergebendes Entscheidungsorgan zB weiß, dass die Risikokosten in einem bestimmten Bereich liegen und daher ein entsprechender Aufschlag bei der Kreditvergabe durchzuführen wäre, liegt es grundsätzlich in seinem Entscheidungs- und Verantwortungsbereich, diesen Aufschlag tatsächlich durchzuführen oder einen geringeren anzubieten, etwa weil der Kunde strategisch wichtig ist. Es ist zu erwarten, dass durch die Einführung eines internen trennschärferen Ratingmodells eine bessere Selektion der Kunden vorgenommen werden kann, sodass jedenfalls - langfristig und generell gesehen - Kunden mit einem besseren Rating bei Banken, die dem IRB-Ansatz folgen, günstigere Konditionen bekommen können als bei Banken im Standardansatz. „Bessere" Kunden werden daher eher zu Banken mit IRB-Ansatz wechseln, was bei diesen Banken tendenziell zu einer geringeren vorzuhaltenden Eigenmittelreserve führen dürfte. Ziel des Haftungsverbunds ist es, dass unterschiedliche Sparkassen des Verbunds unter gleichen Voraussetzungen zur gleichen Risikoeinschätzung eines Unternehmens kommen; das bedeutet aber nicht notwendig, dass dem konkreten Kunden letztlich auch gleiche Konditionen verrechnet werden. Wird eine Sparkasse, die nicht dem Haftungsverbund angehört, zum Sanierungsfall, treten der Sparkassenprüfverband, die HaftungsAG und auch die Finanzmarktaufsicht in Kontakt. Die HaftungsAG versucht in der Folge eine Lösung herbeizuführen, wobei sie jeweils auf die Zustimmung der im Sektor zusammengefassten Sparkassen angewiesen ist. Sie kann daher eine Auffanglösung durch Beteiligung anderer Sparkassen lediglich vermitteln, es stehen ihr aber selbst keine finanziellen Mittel oder sonstige Ressourcen zur Verfügung, die sie auch ohne Zustimmung aus eigenem einsetzen könnte. Konkrete Hilfestellungen können daher nur von anderen Sparkassen kommen. Die HaftungsAG muss daher Mitgliedssparkassen motivieren, Mittel locker zu machen. Im Haftungsverbund werden darüber hinaus zusätzliche Daten herangezogen, die additiv zu den Meldungen im Sparkassenverband zu erstatten sind, wie zB Risikoberichte, wo Kundengruppen nach Risikoklassen gewichtet und zusammengefasst werden, also eine Meldung über das Portfolio der Risikogruppen zu denen Kredite vergeben worden sind, wobei diese Kredite der Höhe nach aggregiert sind. Weiters hat der Haftungsverbund Möglichkeiten, von einzelnen Sparkassen bestimmte weitere Daten zu verlangen, in die Bücher und Unterlagen Einsicht zu nehmen bzw einen Wirtschaftsprüfer damit zu betrauen oder einen Sachverständigen zu den Aufsichtsratssitzungen zu entsenden. Die Zweitantragsgegnerin kann diese Maßnahmen insofern durchsetzen, als eine Zuwiderhandlung eine Vertragsverletzung verwirklicht. Typische Unterstützungsleistungen im Haftungsverbund sind die Möglichkeiten der Mitglieder zum Zugriff auf Fachwissen, auf die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts sowie auf finanzielle Unterstützungsleistungen. Größere Sparkassen entwickeln auch selbst Produkte, die zum Teil auch über andere Sparkassen vertrieben werden (zB Fondsprodukte). Jede Sparkasse bearbeitet alleine ihre Geschäfte vor Ort und bestimmt prinzipiell die Konditionen für alle ihre Produkte bzw die Entgeltersätze ihrer Kunden. Für kleine Sparkassen gibt es wenig Möglichkeiten, für ihre Leistungen zu werben; sie konzentrieren sich daher auf ihren lokalen Bereich.

In rechtlicher Hinsicht (Seiten 182-272 der angefochtenen Entscheidung) beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt zusammengefasst wie folgt:

Die Vereinbarungen und das damit im Zusammenhang stehende Verhalten beträfen das gesamte österreichische Staatsgebiet und im Verhältnis zum gesamtösterreichischen „Bankenmarkt" gesehen einen Anteil - grob über alle relevanten (Teil-)Märkte betrachtet - von rund 25 %. Die mitbetroffenen Refinanzierungs- und Interbankenmärkte seien von vornherein internationale Märkte, und einige Antragsgegnerinnen seien auch im EU-Ausland tätig und betreuten Auslandskunden in Österreich. Es sei deshalb grundsätzlich europäisches Wettbewerbsrecht anzuwenden. Die Vereinbarungen hätten zur Folge, dass die einzelnen Sparkassen nicht mehr autonom über Fragen des Marketing, der Werbung und der Produktentwicklung entscheiden könnten; andererseits kämen sie dadurch auch in Kenntnis und verstärkte Gelegenheit, Dienstleistungen und Produkte des Sektors für ihre Kunden kennen zu lernen und in der Folge auch anzubieten, für deren Einführung oder Erstellung sie alleine nicht die Finanzkraft oder das Fachwissen hätten. Sie müssten auch nicht die Kosten für überregionales Marketing und Werbung und die damit verbundene allgemeine Steigerung des Bekanntheitsgrades der Marke Sparkasse aus eigenem finanzieren, sondern könnten hier an gemeinsamer Anstrengung teilhaben. Von den Vereinbarungen gingen daher spürbare Wirkungen aus. Sie fielen unter Art 81 Abs 1 EGV, weil sie (auch) eine Verringerung des Wettbewerbs und damit dessen Verfälschung bezweckten. Grundsatzvereinbarung und Gesellschaftsvertrag der Zweitantragsgegnerin erfüllten jedoch grundsätzlich die Kriterien des Art 81 Abs 3 EGV. Soweit damit eine Produktions- und Vertriebs-, Werbungs-, Spezialisierungs- und Garantiegemeinschaft gegründet werde, bestünden keine Kernbeschränkungen; die Vorteile sowohl für die Verbraucher als auch für den technischen Fortschritt seien größer als die nachteiligen Wirkungen. Durch den Interbrandwettbewerb mit Kreditinstituten anderer Sektoren vor Ort werde der Wettbewerb letztlich gesteigert, Preisvorteile würden an die Kunden weitergegeben.

Anderes gelte nur für den Kreditrechner, der als Vereinbarung einer Preisfestsetzung zu beurteilen sei und eine nicht freistellungsfähige Kernbeschränkung betreffe. Wettbewerbsrechtliche Bedenken bestünden darüber hinaus überall dort, wo die Weitergabe von Daten und Informationen an die Erstantragsgegnerin als Wettbewerberin der übrigen Sparkassen drohe. Diese Datenweitergabe schaffe einen Informationsvorteil, der nicht unerlässlich iSd Art 81 Abs 3 EG sei. Dass die Erstantragsgegnerin diesen Datenfluss allenfalls zur Durchführung der Konsolidierung benötige, ändere an der Beurteilung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nichts, weil niemand gezwungen sei, einer kartellrechtswidrigen Kreditinstitutsgruppe beizutreten. Die Vereinbarungen seien daher insofern zu beanstanden, als sie keine verbindlichen Schutzmechanismen für die Weitergabe von Daten der Sparkassen untereinander und vor allem an die Erstantragsgegnerin enthielten. Die Ergänzungsvereinbarung sei zur Gänze zu beanstanden, weil sie die Datenweitergabe an die Erstantragsgegnerin und die sonstigen Modalitäten der wettbewerbsrechtlich insoweit ebenfalls zu beanstandenden Konsolidierung verbindlich regle. Aus Zweckmäßigkeitsgründen sei vorerst eine Entscheidung dem Grunde nach (§ 36 Abs 2 AußStrG) zu treffen gewesen; erst nach abschließender Klärung der Wettbewerbswidrigkeiten sei die Frage einer wirksamen Abstellung des verpönten Verhaltens zu beantworten. Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse der Zweitantragstellerin und der Antragsgegnerinnen.

Die Antragsgegnerinnen und die Zweitantragstellerin beantragen jeweils, dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben. Beide Rekurse sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Rekurs der Antragsgegnerinnen

1.1. Die Antragsgegnerinnen machen als Nichtigkeitsgrund geltend, ihr Recht auf Gehör (§ 15 AußStrG) sei deshalb nicht hinreichend gewahrt worden, weil ihnen keine Gelegenheit geboten worden sei, zu den Ergebnissen der Internet-Abfrage des Erstgerichts zum Kreditrechner auf den Internetseiten der Sparkassen des Haftungsverbunds Stellung zu nehmen.

1.2. Vorauszuschicken ist, dass der Senat die Beurteilung des Erstgerichts teilt, wonach der beanstandete Kreditrechner eine für die angesprochene Marktgegenseite maßgebliche Preisangabe über die Kreditkosten enthält; er betrifft demnach unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten einen Kernbereich der Zusammenarbeit der Antragsgegnerinnen.

1.3. Das rechtliche Gehör ist gewahrt, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen, und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern können (16 Ok 10/05; RIS-Justiz RS0005915 [T17]; vgl RS0119970). Wird dem Antragsteller nicht jede Einzelheit der Erhebungen zur Kenntnis gebracht, bewirkt dies weder Nichtigkeit noch Mangelhaftigkeit (RIS-Justiz RS0006002 [T1]).

1.4. Die Zweitantragstellerin hat schon in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag den „gleichgeschalteten" Kreditrechner, der für sämtliche Sparkassen des Haftungsverbunds idente Resultate ausweise, als Beispiel einer offensichtlichen Preisabsprache der Antragsgegnerinnen angeführt (ON 1 S. 5 und 17); der Kreditrechner war auch Thema des Sachverständigen-Gutachtens (ON 38 S. 27) und dessen mündlicher Erörterung (ON 48a S 38). Die Antragsgegnerinnen haben somit ausreichend Gelegenheit gehabt, im Verfahren ihren Standpunkt zu diesem Beweisthema darzulegen, und haben dies auch wahrgenommen (vgl Schriftsatz ON 32 S. 6); sie haben aber letztlich den Nachweis für ihre Behauptung, den Kreditrechner in der Folge derart modifiziert zu haben, dass er je nach abgefragter Sparkasse individuelle Ergebnisse in Form unterschiedlicher Monatsraten ausweise, nicht erbracht. Bei dieser Sachlage wurden daher die zuvor dargestellten Erfordernisse des rechtlichen Gehörs auch dann nicht verletzt, wenn ihnen das Ergebnis einer amtswegigen Internet-Abfrage durch das Erstgericht nicht zur Stellungnahme mitgeteilt worden ist; angesichts des öffentlichen Zugangs zu diesem Abfrageergebnis konnten die Antragsgegnerinnen davon auch nicht überrascht werden. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt demnach nicht vor.

2.1. Die Antragsgegnerinnen bezweifeln die Eignung des festgestellten Sachverhalts, den zwischenstaatlichen Handel iSd Art 81 Abs 1 EGV spürbar zu beeinträchtigen. Die Ausführungen des Erstgerichts zur Zwischenstaatlichkeit stünden in Widerspruch zu den Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des EG-Vertrags (LLBeeintr), weil keiner der dort aufgezählten Faktoren - die Indizien für eine marktabschottende Wirkung seien - in Bezug auf den Haftungsverbund festgestellt worden sei. Kooperationsvereinbarungen zwischen Unternehmen aus einem einzigen Mitgliedstaat unterlägen, folge man den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH zu Kartellen, nur dann Art 81 , wenn sie geeignet seien, sich auf den Marktzugang ausländischer Unternehmen auszuwirken, was im Anlassfall nicht feststehe.

2.2. Die LLBeeintr enthalten keine abschließende Aufzählung jener Umstände, bei deren Vorliegen der zwischenstaatliche Handel beeinträchtigt ist, sondern bieten eine für Gerichte und Behörden unverbindliche Anleitung bei der Anwendung des in Art 81 und 82 EGV enthaltenen Begriffs der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit (Rz 3). Es kommt auf eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall an (Rz 83). Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, die auf einen einzigen Mitgliedstaat begrenzt sind und nicht direkt Einfuhren und Ausfuhren betreffen, sind insbesondere dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sie eine Marktabschottung bewirken und so Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten den Zutritt zum nationalen Markt erschweren (Rz 84).

2.3. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat ein Kartell, das sich auf das Gesamtgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen; es verhindert somit die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung und schützt die inländische Produktion (Nachweise bei Schröter in Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art 81 Abs 1 Rz 202 FN 925; 16 Ok 17/04 = Öbl 2005, 181 - Wärmedämmverbundsysteme).

Rein innerstaatliche Kartelle weisen einen Zwischenstaatsbezug unter anderem dann auf, wenn die von der Vereinbarung betroffene Dienstleistung ihrer Natur nach grenzüberschreitenden Charakter hat (EuGH Rs C-309/99 Wouters, Slg 2002, I-1577 Rn 96). Im sogenannten Lombard-Club-Fall (2004/138/EG Abl 2004 L 56, 1 Rz 456) wurde die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf rein nationale Zinsabsprachen ua damit begründet, dass die künstliche Überhöhung des Zinsniveaus geeignet sei, die Beschaffung von Investitionsgütern im Ausland zu beeinträchtigen.

Erst jüngst hat der EuGH (13. Juli 2006, Rs C-295/04 Manfredi Rz 52) ausgesprochen, dass ein Kartell oder ein abgestimmtes Verhalten von Versicherungsgesellschaften, das in einem gegenseitigen Informationsaustausch besteht, der eine durch die Marktbedingungen nicht gerechtfertigte Erhöhung der Prämien für die Kfz-Haftpflichtversicherung ermöglicht, und das gegen die nationalen Vorschriften über den Schutz des Wettbewerbs verstößt, auch gegen

Artikel 81 EG verstoßen kann, wenn unter Berücksichtigung der Merkmale des relevanten nationalen Marktes eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das betreffende Kartell oder abgestimmte Verhalten den Abschluss dieser Versicherungen in dem betreffenden Mitgliedstaat durch Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell beeinflussen kann und dieser Einfluss nicht nur geringfügig ist. Beurteilungsgrundlage sind regelmäßig eine Gesamtheit objektiver rechtlicher und tatsächlicher Umstände (aaO Rz 42). Somit liegt im Allgemeinen eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels vor, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, die für sich allein genommen nicht unbedingt entscheidend sind (aaO Rz 43).

2.4. Das Erstgericht hat im Rahmen der gebotenen Gesamtanalyse des nationalen Markts darauf abgestellt, dass die vom zu beurteilenden Sachverhalt auch betroffenen Refinanzierungs- und Interbankenmärkte von vornherein (also schon ihrer Natur nach) grenzüberschreitenden Charakter besitzen, dass mehrere Antragsgegnerinnen im - vor allem angrenzenden - EU-Ausland tätig sind und im Inland einen nicht unbeträchtlichen Anteil von Auslandskunden betreuen, und daraus den Schluss gezogen, ein Zwischenstaatsbezug liege vor. Der Vorwurf des Rechtsmittels, damit werde die Zwischenstaatlichkeit auf Grund der geografischen Ausdehnung des betroffenen Verhaltens automatisch unterstellt und nur formelhaft begründet, geht ins Leere. Die Beurteilung des Erstgerichts stützt sich nämlich nicht auf hypothetische oder spekulative Überlegungen und weicht in seiner Abwägung der gesamten maßgeblichen Umstände nicht von den zuvor dargestellten Grundsätzen der europäischen Rechtsprechung ab. Neben den schon vom Erstgericht berücksichtigten Sachverhaltsgrundlagen ist im gegebenen Zusammenhang auch noch auf die explizit zwischenstaatliche Zweckrichtung der Grundsatzvereinbarung zu verweisen, wie sie in deren Präambel zum Ausdruck kommt. Danach versteht sich die Gruppe der Antragsgegnerinnen nämlich „als Verbund selbständig agierender, regional verankerter Sparkassen, der geschlossen und in dem von ihm gebildeten Zusammenschluss agieren will und so Konkurrent auch großer ausländischer Finanzdienstleister sein kann."

Es ist unter den festgestellten Umständen demnach hinreichend wahrscheinlich, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerinnen das Angebot an Dienstleistungen der betroffenen Art im Inland durch Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell beeinflussen kann. Das Verhalten kann nämlich abschreckend auf die nicht im Inland tätigen Anbieter von Bankgeschäften aus anderen Mitgliedstaaten wirken, indem es die Koordinierung und Festsetzung der Entgelte für die Dienstleistungen in einer Höhe ermöglicht, in der der Abschluss solcher Bankgeschäfte durch ausländische Anbieter nicht mehr rentabel ist. Dass dieser Einfluss bei einem - grob über alle relevanten (Teil-)Märkte berechneten - Marktanteil von rund 25 % nicht nur geringfügig ist, ist nicht zweifelhaft und wird auch von den Rechtsmittelwerbern nicht in Frage gestellt. Anders als im Fall Bagnasco (EuGH C-215, 216/96 Slg 1999, I-135), wo es allein um Bürgschaften für Kontokorrentkredite im Privatkundengeschäft ging, ist das Handelspotential der im Anlassfall betroffenen Bankdienstleistungen nicht so beschränkt, dass ihm keine ausschlaggebende Bedeutung für ein Tätigwerden ausländischer Unternehmen in Österreich zukäme.

Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung macht es für die Beurteilung der Zwischenstaatlichkeit nach den Grundsätzen der angeführten Rechtsprechung auch keinen Unterschied, ob es sich um ein Kartell oder ein abgestimmtes Verhalten handelt (vgl EuGH 13. Juli 2006, Rs C-295/04 Manfredi Rz 52).

3. Die Antragsgegnerinnen halten die angefochtene Entscheidung insoweit für überschießend, als sie auch geschäftliche Verhaltensweisen im Verhältnis der Erstantragsgegnerin zu solchen Sparkassen betreffe, die mit ihr eine wirtschaftliche Einheit bildeten; insoweit liege nämlich konzerninterner Wettbewerb vor, auf den Art 81 EGV nicht anwendbar sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass das beanstandete Verhalten nicht (nur) auf Absprachen konzernmäßig verbundener Unternehmen, sondern auf multilateralen Vertragsverhältnissen beruht, die Rechte und Pflichten zwischen sämtlichen Vertragsparteien - und nicht nur konzernmäßig verbundenen Unternehmen - begründen. Es ist deshalb verfehlt, im Rahmen der kartellrechtlichen Würdigung des Gesamtsachverhalts isoliert auf einzelne Vertragsparteien und deren allfällige Konzernverbundenheit abzustellen.

Tochterunternehmen treten auch bei wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Muttergesellschaft im Wirtschaftsverkehr nach außen als selbständige Akteure auf; bezogen auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit am Markt sind sie daher auch dann Unternehmen, wenn sie im Konzernverbund stehen (Bunte in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht10 Art 81 Rz 10). Nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit wird aber jedem Unternehmen eigenes kartellrechtswidriges Verhalten zugerechnet, mag es sich auch um ein beherrschtes Konzernunternehmen handeln (Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht Art 81 EG Rz 29). Es ist daher auch allfälligen Tochterunternehmen der Erstantragsgegnerin - zusammen mit ihrer Muttergesellschaft - die Teilnahme an den beanstandeten multilateralen Vertragswerken insoweit versagt, als dabei kartellrechtswidrig gehandelt wird.

4.1. Die Rechtsmittelwerber bekämpfen die Auffassung des Erstgerichts, die Bestellung der die Stimmenmehrheit innehabenden Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin sei schon als solche kartellrechtswidrig. Es fehle jedes Indiz dafür und sei nicht zu unterstellen, dass von der Erstantragsgegnerin nominierte Organe der Zweitantragsgegnerin bestehende vertragliche und gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verletzten oder die Erstantragsgegnerin einen solchen Datenfluss zu Wettbewerbszwecken nütze.

4.2. Das Erstgericht hat das Nominierungsrecht der die Stimmenmehrheit innehabenden Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin zutreffend als dem Grunde nach kartellrechtswidrig beurteilt, eröffnet es doch letzterer einen faktischen Einfluss auf die Geschäftsführung der Zweitantragsgegnerin und die Möglichkeit deren Beherrschung, womit die Gefahr der Erlangung von marktrelevanten Informationen über ihre Mitbewerber verbunden ist (vgl zu dieser Form einer kartellrechtlich relevanten Einflussmöglichkeit nur Art 5 Abs 4 lit b iii FKVO). Dass vertragliche oder gesetzliche Bestimmungen einem solchen Informationsfluss entgegenstehen, ist für die allein auf die objektive Gefährdungseignung des Verhaltens oder der Vereinbarung abstellende kartellrechtliche Beurteilung (dazu näher Punkt 4.3.) ohne Bedeutung.

4.3. Nach den Feststellungen bezwecken der Haftungsverbund und die damit einhergehenden Vereinbarungen die Vermeidung von Überschneidungen und Doppelgleisigkeiten im lokalen Marktauftritt mit dem Hauptziel der Steigerung von Marktanteilen und betriebswirtschaftlichen Erfolgen der Sparkassengruppe; der Intrabrandwettbewerb soll verringert und dadurch der Interbrandwettbewerb „nach außen" schlagkräftiger und verstärkt werden. Das Erstgericht hat daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass damit erklärter Zweck der Vereinbarungen (auch) eine Verringerung des Wettbewerbes und damit dessen Verfälschung ist. Steht aber der wettbewerbsbeschränkende Zweck einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise fest, so ist die Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb entbehrlich; irgendwelche Umsetzungs- oder Durchführungshandlungen sind nicht erforderlich. Art 81 Abs 1 EGV ist in der Tatbestandsvariante der die Wettbewerbsbeschränkung bezweckenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise Gefährdungsdelikt zum Schutze des Wettbewerbs (Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner aaO Rz 71 mwN). Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbots sind selbst dann erfüllt, wenn die beteiligten Unternehmen die Absprache nicht ausführen (Schröter aaO Rz 139 mwN), sich die potentielle Gefährdung der Marktstruktur auf dem Markt also nicht konkret verwirklicht hat. Es bedarf deshalb des von den Rechtsmittelwerbern vermissten Nachweises nicht, dass ein Informationsfluss von der Zweitantragsgegnerin an die Erstantragsgegnerin betreffend marktrelevante Daten ihrer Mitbewerber tatsächlich stattgefunden hat.

4.4. Die Antragsgegnerinnen machen weiters geltend, es wäre im Zusammenhang mit dem beanstandeten Informationsfluss der Datenqualität nach zwischen den für das Risikomanagement erforderlichen Risikodaten und den zur Erstellung einer Bankbilanz notwendigen Konsolidierungsdaten zu unterscheiden; die Kenntnis zumindest ersterer sei für die Erstantragsgegnerin im Rahmen ihres eigenen Risikomanagements unerlässlich. Die Zweitantragsgegnerin verfüge über keine eigenen Ressourcen, sondern sei vollständig in die Erstantragsgegnerin integriert, weil der Aufbau einer eigenständigen „Risikobewertungsagentur" für die Antragsgegnerinnen zu 3. bis 55. mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar sei. Jeder Haftungsfall innerhalb der Gruppe treffe in erster Linie die Erstantragsgegnerin als größtes beteiligtes Institut. Die Konsolidierungsdaten seien wettbewerbsrechtlich nicht sensibel; es handle sich um Bilanzdaten, die schon von Gesetzes wegen zu veröffentlichen seien.

4.5. Marktinformationsverfahren verstoßen dann gegen Art 81 EGV, wenn die beteiligten Wettbewerber zeitnah Informationen über solche Umstände austauschen, die nicht allgemein und ohne Weiteres verfügbar und für den Wettbewerb zwischen den beteiligten Unternehmen von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere, wenn die Ungewissheit über das Marktverhalten der Wettbewerber beeinträchtigt oder gar beseitigt wird (Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner aaO Rz 187). Zutreffend beurteilt der gerichtliche Sachverständige die Wettbewerbswirkung des beanstandeten Informationsaustausches deshalb danach, inwiefern die anderen Marktteilnehmer daraus Rückschlüsse auf die Strategie des einzelnen Gruppenmitglieds oder auf dessen Einzelgeschäfte ziehen können (ON 38 Rz 55).

Da sich unter den ausgetauschten Informationen auch solche über die Verteilung der Kredite nach Risikoklassen und die jeweilige Durchschnittsmarge befinden, ermöglicht dies Rückschlüsse auf die Strategie des betreffenden Mitbewerbers. Bei dieser Sachlage teilt der Senat die Auffassung des Erstgerichts, die vereinbarte Datenweitergabe schaffe einen Informationsvorteil der Erstantragsgegnerin, der nicht unerlässlich iSd Art 81 Abs 3 EG ist. Ob es - wie die Rechtsmittelwerberinnen behaupten - zur Durchführung der Vereinbarungen wirtschaftlich unvermeidbar sei, dass die Zweitantragsgegnerin personell und im Sachaufwand vollständig in die Erstantragsgegnerin eingegliedert sei, spielt unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten keine Rolle, weil wettbewerbswidriges Verhalten nie mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen gerechtfertigt werden kann. Schließlich macht es aus wettbewerbsrechtlicher Sicht einen entscheidenden Unterschied, ob man über wesentliche Geschäftsdaten des Mitbewerbers jederzeit aktuell verfügt, oder ob man sie erst Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres einer Bilanz entnehmen kann; die von den Rechtsmittelwerberinnen angestrebte Differenzierung nach Risiko- und Konsolidierungsdaten ist daher nicht angebracht.

5.1. Nach § 30 Abs 7 BWG haben die Institute der Kreditinstitutsgruppe angemessene interne Kontrollverfahren einzurichten und dem übergeordneten Kreditinstitut alle für die Konsolidierung erforderlichen Unterlagen zu übermitteln und Auskünfte zu erteilen. Sie haben einander außerdem alle erforderlich erscheinenden Informationen zu geben, um für die Kreditinstitutsgruppe und die ihr angehörenden Institute eine angemessene Risikobegrenzung und Risikosteuerung im Sinne des § 39 BWG und die bankbetrieblich erforderliche Erfassung, Ermittlung und Auswertung von Kreditrisiken sicherzustellen.

5.2. § 30 Abs 7 BWG beschränkt demnach die Informationspflicht auf alle für die Konsolidierung und Risikobegrenzung erforderlichen Unterlagen; die Meldeerfordernisse des § 4 Abs 4 der Ergänzungsvereinbarung umfassen hingegen alle zur Erfüllung von Grundsatz- und Ergänzungsvereinbarung notwendigen Daten und gehen damit über das gesetzliche Erfordernis hinaus. Schon aus diesem Grund ist die von den Antragsgegnerinnen zuletzt vertretene Auffassung nicht berechtigt, der beanstandete Informationsfluss an die Erstantragsgegnerin sei durch die gesetzlichen Pflichten nach § 30 Abs 7 BWG gedeckt, die Ergänzungsvereinbarung daher nicht kausal für eine erhöhte Transparenz zugunsten der Erstantragsgegnerin.

6. Dem Rekurs der Antragsgegnerinnen ist demnach ein Erfolg zu versagen.

II. Zum Rekurs der Zweitantragstellerin

1.1. Zum Themenkreis „Vereinheitlichung der Geschäfts- und Marktpolitik der Antragsgegnerinnen" macht die Zweitantragstellerin geltend, die Vereinbarungen seien schon ihrem Wortlaut nach als Kernbeschränkungen (nämlich als Preis- und Konditionenabsprache, Marktaufteilung und Spezialisierungskartell) zu beurteilen. Es liege eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vor, die ungeachtet ihrer tatsächlichen Auswirkungen verboten sei. Die vertragliche Verpflichtung der Gruppenmitglieder, Treasury Transaktionen mit der Erstantragsgegnerin durchzuführen, sei eine verbotene Bezugsbindung. Durch spürbare Kostenangleichung sei zumindest eine indirekte Preisabsprache gegeben. Es fehlten positive Aspekte, die eine Freistellung nach Art 81 Abs 3 EGV rechtfertigten.

1.2. Klassische Kernbeschränkungen des Wettbewerbs sind Preisabsprachen, Produktions- und Absatzbeschränkungen und Marktaufteilungsabsprachen (Eilmansberger in Streinz, EUV/EGV Art 81 Rz 39); solche sind - mit Ausnahme des ohnehin als kartellrechtswidrig beurteilten Kreditrechners - in den hier zu beurteilenden Vereinbarungen (die die Zusammenarbeit auf ganz bestimmte Bereiche beschränken) und abgestimmten Verhaltensweisen nicht enthalten.

Dass sich die Gruppenmitglieder verpflichtet haben, „wesentliche Transaktionen im Bereich des Treasury unter der Voraussetzung der Einräumung marktkonformer Bedingungen, die einem nationalen und internationalen Vergleich standhalten, mit der Erstantragsgegnerin durchzuführen" (§ 1 Abs 2 lit b der Grundsatzvereinbarung), kann schon deshalb nicht als relevante kartellrechtswidrige Alleinbezugsbindung beurteilt werden, weil das hier angesprochene Interbankengeschäft auf einem internationalen Markt abgewickelt wird, auf dem die Gruppe der Antragsgegnerinnen nach den Feststellungen des Erstgerichts (S. 217) eine nicht spürbare Marktbedeutung hat. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die Sparkassen durch die gemeinsam entwickelten Produkte und deren Kostenstruktur in ihrer individuellen Preissetzung derart limitiert wären, dass dies einer indirekten Preisabsprache oder Konditionenabsprache gleichzuhalten wäre. Wenn die Rekurswerber dieses Ergebnis unter Hinweis auf das von ihnen vorgelegte Privatgutachten in Frage stellen, greifen sie in Wahrheit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichts an (vgl 16 Ok 20/04; RIS-Justiz RS0110381).

Eine unter Art 81 Abs 1 EGV fallende Vereinbarung erfüllt die Voraussetzungen des Art 81 Abs 3 EGV, wenn die Vorteile, die sich aus der Absprache ergeben, größer als die sich aus ihr ergebenden Nachteile sind (EuGH Slg 1966, 322, 397 Grundig/Consten). Der Senat teilt die Beurteilung des Erstgerichts, dass Grundsatzvereinbarung und Gesellschaftsvertrag der Haftungsverbundgesellschaft grundsätzlich die Kriterien des Art 81 Abs 3 EG erfüllen. Soweit mit diesen Verträgen eine Produktions-, Vertriebs-, Werbungs-, Spezialisierungs- und Garantiegemeinschaft gegründet wird, überwiegen die Vorteile sowohl für die Verbraucher im Sinne einer Verbreiterung und Modernisierung des Angebots, die vor allem kleine Sparkassen sonst nicht finanzieren könnten, als auch für den technischen Fortschritt, der dadurch auf breiterer Basis erzielt werden kann. Durch den Interbrandwettbewerb mit Kreditinstituten anderer Sektoren vor Ort ist auch die Weitergabe von Preisvorteilen an die Kunden gewährleistet und eine Ausschaltung des Wettbewerbs nicht zu befürchten. Zutreffend verweist das Erstgericht in diesem Zusammenhang auch auf die Effizienzvorteile, die kleinere Gruppenteilnehmer aus der Zusammenarbeit durch gemeinsame EDV-Plattform und IT-Anwendungen, gemeinsame Entwicklung von Produkten, gemeinsames Produktionsmarketing und den gemeinsamen Werbeauftritt ziehen. Weiters bewirkt die einheitliche Risikoklassifizierung nach Einführung des IRB-Standards positive gesamtwirtschaftliche Effekte durch bessere Kreditkundenauswahl. Dass die Gruppenmitglieder die erzielten Vorteile ihrer Zusammenarbeit in angemessenem Umfang an die Verbraucher weitergeben, gewährleistet schon der festgestellte Wettbewerb dieses Sektors mit den übrigen Sektoren der Kreditwirtschaft.

2.1. Zum Themenkreis „Haftungsverbund" macht die Zweitantragstellerin geltend, es liege ein Preis- und Konditionenkartell vor; die Kostenangleichung bei den Risikokosten führe nämlich zu einer Konditionenharmonisierung.

2.2. Die umfangreichen Rekursausführungen zu diesem Punkt lassen die vom Erstgericht im Zusammenhang mit der Einführung des IRB-Ansatzes in der Sparkassen-Gruppe getroffenen Feststellungen unberücksichtigt. Danach führt dieses Risikomesssystem zwar zu einer Vereinheitlichung innerhalb der Gruppe des Datenpools, indem die Methodik der Berechnung des Risikokostenanteiles vereinheitlicht wird; ob aber die einzelnen Sparkassen die so zu kalkulierenden Kosten auf den einzelnen Kunden überwälzen oder nicht, ist jeweils eine Frage der Einzelentscheidung des kreditvergebenden Organs und daher innerhalb der Gruppe grundsätzlich nicht vereinheitlicht. Bei diesem Sachverhalt kann von einer Gleichschaltung der Kreditvergaben, die einem Konditionenkartell gleichkäme, keine Rede sein. Auch im Ergänzungsgutachten verweist der Sachverständige ausdrücklich darauf, dass jedes Gruppenmitglied trotz Vereinheitlichung von Risikoklassifizierung und -qualifizierung erheblichen Spielraum in der Frage der Risikobewertung besitzt, weshalb es die Höhe der Risikoprämie letztlich autonom festlegen kann (ON 48 Rz 50).

2.3. Die Rechtsmittelwerberin hält den Haftungsverbund unter dem Gesichtspunkt des Art 81 Abs 3 EGV für nicht gerechtfertigt; er führe weder zu Effizienzgewinnen noch zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher.

2.4. Angemessene Beteiligung des Verbrauchers bedeutet, dass in einer Abwägung der Vorteile die nachteiligen Auswirkungen durch die Wettbewerbsbeschränkung auf den Verbraucher zumindest ausgeglichen werden (Leitlinien der Kommission zu Art 81 Abs 3 Rn 85). Nach Auffassung des Erstgerichts werden die wettbewerbsbeeinträchtigenden Aspekte des Haftungsverbunds (umfangreiche Pflichten der beteiligten Sparkassen zur Datenübermittlung, damit verbundene verstärkte Transparenz ihrer Geschäftspolitik, Einflussnahme auf das Management im Krisenfall) durch überwiegende positive Effekte zum Nutzen der Kunden und der Gesamtwirtschaft (verstärkter Sicherheits- und Vertrauenseffekt, der von der gegenseitigen Einstandspflicht ausgeht; Aufbau vertraglicher Strukturen, die ein verbindliches Eingreifen bereits im Vorfeld einer sich anbahnenden Krise ermöglichen) aufgewogen.

Der Senat teilt diese Beurteilung. Den Rechtsmittelausführungen, ein weiteres (vertragliches) Früherkennungssystem neben dem ohnehin schon bestehenden gesetzlichen System der Einlagensicherung bringe keinen Mehrwert und sei entbehrlich, ist entgegenzuhalten, dass nach den Feststellungen zwar rund 96 % der Einlagen bei den Sparkassen unter 20.000 EUR liegen und somit von der gesetzlichen Einlagensicherung abgedeckt sind; dies schließt aber keineswegs aus, dass vom vertraglich begründeten Haftungsverbund zusätzliche Sicherheitseffekte ausgehen, und dass dadurch zusätzliches Kundenvertrauen entsteht. Zutreffend weist das Erstgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Haftungsverbund vor allem danach trachtet, Sicherungsfälle durch die verbundinternen Sanierungs- und Beteiligungsmaßnahmen erst gar nicht entstehen zu lassen; daraus ziehen aber ohne Zweifel auch die Verbraucher in angemessener Weise Gewinn.

3.1. Zum Themenkreis „Marktaufteilung durch Filialaufteilung" macht der Rekurs geltend, das Erstgericht gehe aktenwidrig davon aus, die Zweitantragstellerin habe zum ursächlichen Zusammenhang zwischen Filialübertragungen und Grundsatzvereinbarung nichts ausgeführt; es liege eine kartellrechtlich bedenkliche Gesamtstrategie trotz fehlender Beanstandungen bei Beurteilung der einzelnen Zusammenschlusstatbestände vor.

3.2. Die Interpretation des Parteivorbringens, insbesondere dahin, ob eine bestimmte Prozessbehauptung aufgestellt wurde, fällt nicht unter den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0043324 [T6]). Davon abgesehen enthält die gesamte Grundsatzvereinbarung keine Bestimmung, die auch nur ansatzweise als Marktaufteilung in geografischer Hinsicht aufgefasst werden könnte. Das Erstgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es durch Filialübertragungen zwar grundsätzlich zu einer Übernahme des Kundenstocks der betreffenden Filialen kommt; diese Form der „Kundenaufteilung" erfolgt jedoch auf der Grundlage von Verträgen, die allenfalls in Fusionskontrollverfahren zu überprüfen sind, wobei diese Überprüfung bewirkt, dass mit den Verträgen allenfalls einhergehende Wettbewerbsbeschränkungen von der Freistellungswirkung des Zusammenschlusses umfasst sind. Gegen das Bestehen einer - von der Rekurswerberin unterstellten, jedoch nicht festgestellten - „Gesamtstrategie" spricht nicht nur, dass die Grundsatzvereinbarung erst nach Durchführung der meisten Filialabtretungen abgeschlossen worden ist und dass Filialen auch an Sparkassen abgetreten worden sind, die nicht Mitglieder des Haftungsverbunds sind, sondern auch, dass nur acht der 53 beteiligten Sparkassen überhaupt Filialen von der Erstantragsgegnerin übernommen haben.

4.1. Abschließend macht die Zweitantragstellerin geltend, das Erstgericht habe die behauptete Wettbewerbsbeschränkung betreffend die Erschwerung des Erwerbs von Beteiligungen an Sparkassen nicht hinreichend geprüft und zu diesem Thema keine ausreichenden Feststellungen getroffen; unrichtig sei jedenfalls die Beurteilung, insoweit bestehe kein Markt iSd Art 81 EGV.

4.2. Vorauszuschicken ist, dass die zu beurteilenden Verträge keine den Beteiligungserwerb an Sparkassen durch Mitbewerber beschränkende oder erschwerende Klauseln enthalten. Die vom Rekurs im hier gegebenen Zusammenhang angesprochene Frage betrifft vielmehr den Umstand, dass durch Abschluss des Haftungsverbunds - auch nach Außerkrafttreten des der Erstantragsgegnerin zustehenden Aufgriffsrechts nach § 21 Abs 2 SparkG mit 31. 12. 2005 - die Möglichkeit zum Markteintritt von Wettbewerbern durch den Erwerb von Beteiligungen an Sparkassen dadurch faktisch erschwert werden kann, dass die Haftungsübernahme im Rahmen der Grundsatzvereinbarung Eventualverbindlichkeiten in Form des Einstehenmüssens für fremde Forderungen im Haftungsfall begründen, die den Kauf der diese Haftung übernehmenden Sparkasse (oder Anteile daran) möglicherweise wirtschaftlich unattraktiv machen.

Die Antragsgegnerinnen weisen zutreffend darauf hin, dass diese „Reflexwirkung" des Haftungsverbunds für sich allein noch keine Wettbewerbsbeschränkung ist. Nahezu jeder bedeutendere Vertrag, den ein Unternehmen abschließt, hat wirtschaftliche Auswirkungen auf den Wert der daran beteiligten Unternehmen; dies ändert nichts daran, dass jeder Vertrag nur im Rahmen der Tatbestände des Art 81 Abs 1 EGV von kartellrechtlicher Bedeutung ist. Die isolierte Beurteilung, ob sich ein bestimmter Vertrag auf den Wert der daran beteiligten Unternehmen auswirkt, und ob er die Wahrscheinlichkeit eines Unternehmens(-anteils)erwerbs durch Mitbewerber beeinflusst, ist daher unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten ohne Bedeutung.

4.3. Auch dem Rekurs der Antragsgegnerinnen kann demnach kein Erfolg beschieden sein.

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