OGH 15Os96/95

OGH15Os96/9520.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juli 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Schindler, Mag.Strieder und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pointner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig R***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.April 1995, GZ 1 b Vr 4921/94-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ludwig R***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er (zusammengefaßt wiedergegeben) in der Zeit vom 11. bis zum 29.April 1994 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in zwölf (im Urteilsspruch sowie in den Entscheidungsgründen näher umschriebenen) Angriffen Angestellte der dort genannten elf Firmen (die Angestellte des Textilgeschäftes T***** Harald G***** an zwei verschiedenen Tagen) durch Täuschung über Tatsachen, nämlich unter der Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Käufer mit gedeckten Schecks (sogenannten "Bankschecks") der Bankinstitute E***** (E*****) und B***** (BA*****) zu sein, zu Handlungen, nämlich zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von 828.340 S (richtig gerechnet: 828.840 S) verleitet hat, welche die (im Urteil namentlich angeführten) elf Firmen in diesem - sohin in einem 500.000 S übersteigenden - Betrag am Vermögen schädigten, wobei der Angeklagte die - zum Teil schweren (Punkte 2.a, 8., 9. und 10. des Urteilssatzes) - Betrügereien in der Absicht verübt hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.

Der in der Mängelrüge (Z 5) erhobene allgemeine Vorwurf, das Erstgericht habe "bei der Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Beweisergebnisse mit Stillschweigen übergangen", ist mangels Substantiierung, welche Beweisergebnisse gemeint sind und worin die - der Sache nach - behauptete Unvollständigkeit gelegen sein soll, einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich und ist somit keine gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 11 ff, 74; 285 a Z 49).

Mit dem konkreten Vorbringen hinwieder, wonach das Schöffengericht im Hinblick auf die Konstatierung, daß sich der Angeklagte zu seiner homosexuellen Veranlagung bekennt und sich in einem exzentrischen Outfit gefällt, die weitere Feststellung hätte treffen "müssen", daß die inkriminierten Einkäufe keinesfalls dazu dienen sollten, den Beschwerdeführer wiederkehrende Einnahmen zu ermöglichen, sondern "lediglich zur Befriedigung psychischer, nicht jedoch finanzieller Belange", vermag der Nichtigkeitswerber ebenfalls keinen formellen Begründungsfehler darzutun, sondern bekämpft in Wahrheit lediglich nach Art einer unzulässigen Schuldberufung die (ihm nicht genehme) erstgerichtliche Urteilsfeststellung, er habe "gewerbsmäßig" gehandelt.

Fehl geht auch der weitere Beschwerdevorwurf, das bekämpfte Urteil leide an einer "Aktenwidrigkeit", weil die erstgerichtliche Konstatierung (US 6 zweiter Absatz und US 7 fünfter Absatz), der Angeklagte habe den Scheck der E***** mit der Endnummer 2087 über 55.000 S am 19.April 1994 gleichzeitig mit zwei Schecks der BA***** (Endnummern 1003 und 1004 über 10.000 S bzw 15.000 S) der Firma K***** Damenmoden mit Betrugsvorsatz übergeben, der Aussage der Zeugin Edith L***** anläßlich der Anzeigeerstattung (12/I) widerspreche, derzufolge die erste Scheckübergabe am 19.April 1994 (im Gesamtbetrag von 25.000 S) erfolgt und erst am 28.April 1994 ein weiterer Einkauf mit einem Scheck über 55.000 S bezahlt worden sei, nachdem sich der Beschwerdeführer am Vortag erkundig habe, "ob der Scheck am 19.4.1994 in Ordnung gegangen sei", und von der Zeugin L***** die Auskunft erhalten habe, daß der (richtig: die) Scheck(s) vom 19.April 1994 "ordnungsgemäß abgewickelt" worden sei(en) und er deshalb davon ausgehen durfte, "daß sein Konto sehr wohl gedeckt ist".

Eine (Nichtigkeit begründende) Aktenwidrigkeit liegt indes nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt - fallbezogen - einer Aussage in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (EvBl 1972/17). Angesichts der Vielzahl der betrügerisch begebenen Schecks innerhalb des Zeitraumes vom 11. bis zum 29.April 1994 mit einem Gesamtschadensbetrag von weit über 500.000 S berührt die - an sich zutreffend gerügte - Tatzeit am 19. anstatt aktenkonform am 28.April 1994 keinen für die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden Umstand (vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 18; ähnlich E 112).

Im Zusammenhang mit der (von der Rechtsmittelschrift allerdings nur unvollständig zitierten) Aussage der Zeugin Edith L*****, die der Beschwerdeführer beweiswürdigend als wesentliches Indiz für seine Gutgläubigkeit bei der Scheckbegebung am 28.April 1994 ins Treffen führt, verschweigt er jenen ausschlaggebenden Aspekt, daß die Geschäftsherrin der Zeugin die Schecks vom 19.April erst am 29.April 1994 bei der BA***** einzulösen versuchte und die Zeugin L***** demnach anläßlich der Anfrage des Angeklagten am 28.April noch gar nicht wußte, daß diese Schecks nicht gedeckt waren (abermals 12/I; siehe auch Aussage der Zeugin F***** 323/I); ganz davon zu schweigen, daß es sich dabei um "Bankschecks" zweier verschiedener Geldinstitute handelte.

Bei der von der Beschwerde (irrig) als "Feststellung" bezeichneten Urteilspassage (US 10 dritter Absatz: "Wie lügenhaft diese zuletzt zitierte Verantwortung des Angeklagten Ludwig R***** war, zeigt ...") handelt es sich - wie aus dem Zusammenhang unmißverständlich zu entnehmen ist - um keine Tatsachenfeststellung, sondern bloß um eine (im Nichtigkeitsverfahren unanfechtbare - vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 2 und 26 -) Erwägung des Schöffengerichtes, warum es der wechselhaften Verantwortung des Angeklagten bezüglich eines betrügerischen Schmuckeinkaufs nicht geglaubt hat.

Abgesehen davon mißdeutet der Beschwerdeführer diese Urteilspassage, indem er sie auf die - im Urteil ohnedies konstatierte (US 7 oben) - Rückgabe des Schmuckes (als Schadensgutmachung) bezieht. Der Hinweis des Urteils auf die Lügenhaftigkeit betrifft nämlich unzweifelhaft die (als falsch erachtete) Behauptung des Angeklagten, der Schmuck sei versehentlich in einer an einen marokkanischen Freund verborgten Jacke verblieben.

Sonach zeigen die Beschwerdeausführungen keinen formellen Fehler der Urteilsbegründung auf, sondern erweisen sich vielmehr bloß als unzulässiger Versuch, einzelnen Verfahrensergebnissen einen anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Beweiswert zu unterlegen und solcherart die Beweiswürdigung der Tatrichter zu kritisieren.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10) verfehlen eine prozeßordnungsgemäße Darstellung, indem sie gegen das Gebot verstoßen, demzufolge die Nichtigkeitsbeschwerde bei Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes verpflichtet ist, den gesamten Urteilssachverhalt zugrundezulegen und (demnach auch) den im Urteil in Ansehung der subjektiven Tatseite festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 E 26, 44).

In der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wird einerseits unter Hinweis auf die vom Schöffengericht als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung des Angeklagten (US 9 ff) das Vorliegen des in den Entscheidungsgründen sowohl allgemein (US 1, 5, 11) als auch gesondert zu jedem einzelnen Schuldspruchsfaktum mängelfrei festgestellten "Betrugsvorsatzes" (US 5 ff), d.h. des auf Bereicherung und Vermögensschädigung gerichteten Täuschungsvorsatzes, bestritten, andererseits unter dem Vorwand vermeintlicher Feststellungsmängel (so habe sich der Angeklagte bei den Einkäufen ausgewiesen, seine Adresse bekannt gegeben und sich bei der Verkäuferin L***** über die Deckung zweier vorangegangener Schecks erkundigt; in einigen Geschäften sei er entweder persönliche oder seine Lebensgefährtin als Kunde bestens bekannt gewesen) - der Sache nach - erneut zu Unrecht eine Unvollständigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO releviert (vgl hiezu aber US 6 vorletzter Absatz) und eine günstigere Lösung der Schuldfrage angestrebt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) - und auch Teile der Mängelrüge, die als Subsumtionsrüge gedacht sein könnten - schließlich wollen die "Gewerbsmäßigkeit" verneint wissen, weil der Beschwerdeführer - im Gegensatz zu den unmißverständlichen Urteilskonstatierungen (US 1 iVm US 5 zweiter Absatz, 11 fünfter Absatz und 12 oben) - "nicht die Absicht verfolgte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sondern mit den angeschafften Kleidungsstücken lediglich seine narzißtische Veranlagung befriedigen wollte, sowie seine, wie vom Erstgericht selbst festgestellt, exzentrischen Bekleidungsvorstellungen, welche nicht zuletzt durch seine homosexuelle Veranlagung hervorgerufen sind". Die Befriedigung von "Kleidungsgelüsten" - so folgert die Beschwerde daraus - stelle aber keinesfalls die Absicht dar, sich fortlaufende Einnahmen zu verschaffen.

Dieses Vorbringen übersieht, daß das Erstgericht ausdrücklich feststellte, daß der Angeklagte den Entschluß faßte, seinen gewohntermaßen exzentrischen - kostspieligen "Lebensstil" durch fortgesetzten Scheckbetrug zu finanzieren (US 5 zweiter Absatz, 11 fünfter Absatz), wobei die Anschaffung von "Klamotten" ausdrücklich ("insbesondere") nur als beispielhafter Teilaspekt angeführt wird. Das Vorbringen übergeht weiters die Urteilsfeststellung, daß der wertmäßig überwiegende Teil der herausgelockten Beute gar keine Kleidungsstücke waren. Außerdem mißachtet der Beschwerdeführer die Feststellung, daß er sich durch Wiederholung der Taten "eine fortlaufende Einnahme verschaffen wollte" (US 12 oben).

Indem der Beschwerdeführer nur das beispielhafte Klammerzitat über die Anschaffung von "Klamotten" herausgreift, somit nur ein Teilmotiv (Befriedigung von "Bekleidungsgelüsten") berücksichtigt, aber alle anderen entscheidenden Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit außer acht läßt, bringt er auch diesen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlich Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285 i StPO).

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