OGH 15Os92/21z

OGH15Os92/21z20.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Casagrande als Schriftführer in der Strafsache gegen ***** F***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten ***** S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten ***** F*****, ***** St*****, ***** S***** und ***** K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 24. Februar 2021, GZ 30 Hv 106/20v‑467, ferner über die Beschwerde des Angeklagten S***** gegen den unter einem ergangenen Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe (ON 467a) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00092.21Z.1020.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde H***** S***** des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 erster und vierter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich von 2018 bis zum 27. April 2020 in S***** und an anderen Orten in einer Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch die Einführung eines Systems der Selbstjustiz in Form eines sogenannten „Gerichtshofes auf Grundlage desCommon Law mit biblischer Grundlage“, bei dem staatliche Entscheidungsträger, Politiker, Beamte und Privatpersonen durch sogenannte „Sheriffs“ entführt und gefangen gehalten und durch „Richter“ der staatsfeindlichen Verbindung „verurteilt“ hätten werden sollen, die ordentliche Gerichtsbarkeit (Art 82 B‑VG), somit eine verfassungsgemäße Einrichtung der Republik Österreich zu erschüttern, indem sie abgeschafft und durch eigene Richter der staatsfeindlichen Verbindung ersetzt werden sollte,

nämlich dem „Global Common Law Court“ („GCLC“) bzw nunmehr „Global Court of the Common Law“ („GCCL“), dem sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz mehrere hundert Mitglieder angeschlossen haben und der über eine auf Dauer, nämlich seit zumindest der Gründung am 16. Oktober 2016 bis heute, angelegte, hierarchisch organisierte und arbeitsteilige Struktur mit ***** H***** als Anführer verfügt,

führend betätigt und die staatsfeindliche Verbindung sonst in erheblicher Weise unterstützt, indem er

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die aus Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Die Geltendmachung materieller Nichtigkeit im geschworenengerichtlichen Verfahren verlangt den Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen (§§ 330 bis 333 StPO) festgestellten Tatsachen mit der im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 iVm § 342 StPO) vorgenommenen Subsumtion. Der Rechtsirrtum muss aus dem Wahrspruch selbst unter Zugrundelegung der in diesem von den Geschworenen festgestellten Tatsachen abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0101148, RS0101403).

[5] Diese Kriterien verfehlt die Rechtsrüge, indem sie vorbringt, bei der einzigen vom „GCCL“ organisierten Geschworenenverhandlung habe es sich lediglich um eine Simulation gehandelt, es sollten Menschenrechtsverletzungen aufgezeigt und die Angelegenheiten den nationalen Behörden übergeben werden, weshalb keine Erschütterung der ordentlichen Gerichtsbarkeit bezweckt gewesen wäre. Nach dem – von der Beschwerde vernachlässigten – Wahrspruch war es nämlich, wenn auch nicht ausschließlicher Zweck der Verbindung, durch die Einführung eines Systems der Selbstjustiz die ordentliche Gerichtsbarkeit zu erschüttern, indem diese abgeschafft und durch eigene Richter der staatsfeindlichen Verbindung ersetzt werden sollte (US 4 f).

[6] Weshalb die dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen für die Verbindung (Einnahme einer Funktion des Richters, Kontrolle der Buchhaltung der Finanzgebarung, Verschicken einer Vielzahl an Propagandaschreiben sowie Kontrolle bzw Befüllung zahlreicher Dokumente zur Ausstellung an die Mitglieder des „GCLC“) nicht zumindest als „sonstiges Unterstützen in erheblicher Weise“ qualifiziert werden sollten, leitet die Beschwerde – mit dem bloßen Bestreiten der Tatbestandsmäßigkeit – nicht argumentativ aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; vgl dazu im Übrigen Salimi/Tipold, SbgK § 246 Rz 36 f und 44 ff; Bachner‑Foregger in WK2 StGB § 246 Rz 6; RIS‑Justiz RS0120361).

[7] Soweit die Beschwerde schließlich den mit Blick auf § 7 Abs 1 StGB durch die dem Text des § 246 Abs 2 StGB entsprechende Formulierung der Hauptfrage (III.; US 4 f) hinreichend zum Ausdruck gebrachten (vgl RIS‑Justiz RS0113270) und solcherart im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Vorsatz – unter eigenständiger beweiswürdigender Erwägung – bestreitet, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).

[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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