OGH 15Os90/14w

OGH15Os90/14w27.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Wolfgang A***** und Hermann R***** sowie die den Angeklagten A***** betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. April 2014, GZ 16 Hv 1/14b‑134, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00090.14W.0827.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten A***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten R***** und der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten sowie einen Freispruch des Angeklagten A***** von weiteren Vorwürfen enthält, wurden Wolfgang A***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB (I.A.1.a, I.A.2., I.B.), mehrerer Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB (II.), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (III.) sowie mehrerer Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (IV.A.) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (IV.B.) sowie Hermann R***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I.A.3.) schuldig erkannt.

Danach haben die Angeklagten

I./ in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie mit dem Vorsatz, sich und Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen Nachgenannte zu Handlungen und Unterlassungen, die diese und andere in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten,

A./ verleitet, und zwar

1. im Zeitraum von März bis September 2013 Verantwortliche der Wiener Gebietskrankenkasse sowie der Bauarbeiter‑Urlaubs- und Abfertigungskasse durch die Vorgabe, die „auf die B***** KG von ihnen angemeldeten“ Dienstnehmer wären Dienstnehmer dieser Gesellschaft, zur Unterlassung der Geltendmachung der Beiträge und Zuschläge gegenüber den nachstehend angeführten tatsächlichen Dienstgebern, und zwar

a./ Wolfgang A***** und Christian U***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) hinsichtlich insgesamt 33 Dienstnehmern, und zwar gegenüber

aa./ der G***** GmbH hinsichtlich 14 Dienstnehmern (Schaden: 8.660,04 Euro);

bb./ eines unbekannt gebliebenen Unternehmens hinsichtlich 19 Dienstnehmern (Schaden: 23.902,19 Euro WGKK; 3.192 Euro BUAK);

2./ Wolfgang A***** am 3. September 2013 Nuhi M***** unter der Vorspiegelung, die von diesem für eine Scheinrechnung überwiesene Summe von 12.000 Euro nach Abzug einer Provision von 2.000 Euro wieder in bar zurückzugeben, wobei er von Anfang an plante, das Geld für eigene Zwecke zu verwenden, zur Überweisung von 12.000 Euro verleitet, wodurch dieser in Höhe von zumindest 10.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

3./ Hermann R***** im Zeitraum von 2010 bis Anfang November 2012 in mehrfachen Angriffen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Steven S***** Franz C***** als Verantwortlichen der Gebäudeverwaltungen T***** GmbH, der F***** GmbH und der Ri***** GmbH durch Vorlage von Scheinrechnungen der U***** GmbH, des Einzelunternehmens Claus M***** und der C.***** GmbH für vermeintlich durch die genannten Unternehmen erbrachte Leistungen im Gesamtrechnungsbetrag von 1.607.631,49 Euro, obgleich die Arbeiten tatsächlich von Schwarzarbeitern zu nur etwa 50 % der jeweiligen Rechnungsbeträge ausmachenden Preisen verrichtet worden waren, sohin durch Täuschung über die tatsächliche Höhe des für die Leistungen zu erbringenden Entgelts sowie über den Umstand, dass die in Rechnung gestellten Beträge im vollen Umfang tatsächlich den rechnungsausstellenden Unternehmen zustanden und zukommen sollten, unter Vorlage eines falschen Beweismittels zur Bezahlung der über die tatsächlichen Kosten zur Verrichtung der Arbeiten (Schwarzarbeiter, Material) hinausgehenden Rechnungsbeträge verleitet, wodurch die Eigentümer der von den genannten Hausverwaltungen verwalteten Liegenschaften bzw die Versicherungsunternehmen, denen die ausgestellten Rechnungen zur Erbringung von Versicherungsleistungen vorgelegt wurden, in einem 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrag in Höhe von rund 800.000 Euro geschädigt wurden;

B./ zu verleiten versucht, und zwar Wolfgang A***** am 30. September 2013 Nuhi M***** durch die Behauptung, dass die unter I.A.2. bereits erfolgte Überweisung durch die Bank nicht gutgeschrieben wurde, zur neuerlichen Überweisung des Betrags von 12.000 Euro;

II./ Wolfgang A***** im Zeitraum von 2010 bis 2012 in 13 Fällen Scheinrechnungen lautend auf die Un***** GmbH, das Einzelunternehmen Claus Ma***** und die C.***** GmbH hergestellt, denen tatsächlich keine Leistungen zugrunde lagen und die daher nicht den Tatsachen entsprachen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass diese in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht werden;

III./ Wolfgang A***** im Zeitraum von März bis September 2013 als faktischer Machthaber der B***** KG dadurch, dass er zumindest einen Betrag von 15.600 Euro untituliert aus der Gesellschaft entnahm und für gesellschaftsfremde Zwecke verwendete, Bestandteile des Vermögens der B***** KG beiseite geschafft sowie das Vermögen der genannten Gesellschaft verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger des genannten Unternehmens, und zwar unter anderem der Republik Österreich und der Wiener Gebietskrankenkasse, oder wenigstens eines von ihnen vereitelt, wodurch die Gläubiger der B***** KG in zumindest diesem, 50.000 Euro nicht übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden;

IV./ Wolfgang A***** zwischen Mai und Juli 2013 falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtsverhältnisses bzw eines Rechts gebraucht, und zwar

A./ Privaturkunden zum Beweis eines Rechtsverhältnisses, und zwar

1./ eine Vollmacht von Rudolf B***** an Wolfgang A***** zum Beweis eines Vollmachtsverhältnisses zwischen den Genannten, indem er sie an Ferudun Ge***** übermittelte;

2./ eine Versicherungsbestätigung der W***** Versicherung zum Beweis des Bestehens einer Bauhaftpflichtversicherung, indem er sie an den Angeklagten U***** zwecks Weiterleitung an das Unternehmen Sa***** zur Erlangung eines Subunternehmerauftrags übermittelte;

B./ inländische öffentliche Urkunden, und zwar

1./ eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Wiener Gebietskrankenkasse zum Beweis einer Tatsache, nämlich dass die B***** KG sämtliche Sozialversicherungsbeiträge bezahlt habe, indem er sie an Ferudun Ge***** übermittelte;

2./ einen Bescheid der MA 63 über die Gewerbeanmeldung der B***** KG, zum Beweis eines Rechts, nämlich der Gewerbeberechtigung, indem er sie an den Angeklagten U***** zwecks Weiterleitung an S***** zur Erlangung eines Subunternehmerauftrags übermittelte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch wenden sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die Wolfgang A***** auf Z 5, 9 lit a und 10, Hermann R***** auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO stützen. Die Rügen verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen der Urteilsannahme, der Angeklagte habe (zu I.A.1.a.) Provisionen in der Höhe von 3.600 Euro für sich behalten und für seinen Lebensunterhalt verwendet (US 19), und der Konstatierung (zu III.), durch Behebung dieser Beträge vom Gesellschaftskonto habe er das Vermögen der B***** KG verringert (US 27), kein Widerspruch. Weshalb dieser Umstand „für die Beurteilung gewerbsmäßigen Handelns von Relevanz“ sein sollte, macht die Beschwerde überdies nicht klar.

Zu II. wurde der Vorsatz des Angeklagten, dass Hermann R***** die von ihm ausgestellten 13 Scheinrechnungen in einem finanzbehördlichen Verfahren gebrauchen werde, nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), sondern ‑ logisch und empirisch einwandfrei ‑ auf Usancen in der Baubranche, in der der Angeklagte lange Zeit tätig war, in Verbindung mit dessen eigener Verantwortung, er sei davon ausgegangen, die Rechnungen würden „für die Buchhaltung“ benötigt, gestützt (US 31).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die zu diesem Faktenkomplex behauptet, der Angeklagte habe sich ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bloß eingebildet und daher ein Wahndelikt begangen, vernachlässigt einerseits die (eine vollendete strafbare Handlung begründenden) erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Erstangeklagte es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass der Drittangeklagte die (von ihm hergestellten) falschen Beweismittel zur Verschleierung tatsächlicher Zahlungsvorgänge in einem finanzbehördlichen Verfahren gebrauchen werde (US 15, 31), und leitet andererseits nicht argumentativ aus dem Gesetz ab, wieso ein Irrtum des Täters über die tatsächlich geplante Verwendung der falschen Beweismittel in einem späteren Verfahren einen Einfluss auf die Strafbarkeit des bereits mit Herstellung der Urkunde ‑ unabhängig von deren allfälligen Verwendung ‑ vollendeten Delikts (vgl Plöchl/Seidl in WK2 § 293 Rz 32) haben könnte (zur Abgrenzung von strafbarem Versuch und Wahndelikt vgl im Übrigen Fuchs, AT I8 29/8 ff; Kienapfel/Höpfel/Kert, AT14 Z 24 Rz 20 ff).

Auch die Subsumtionsrüge zu I.A.1.a., I.A.2. und I.B. (Z 10) geht nicht von den Konstatierungen des Erstgerichts zur gewerbsmäßigen Tendenz des Angeklagten aus (US 26 letzter Absatz, 27), wenn sie behauptet, der Beschwerdeführer habe weder eine fortlaufende Einnahme für sich selbst noch eine solche durch wertqualifizierte Betrugshandlungen angestrebt. Dass ein gewerbsmäßiger schwerer Betrug nach § 148 zweiter Fall StGB „denknotwendig ausscheidet“, wenn bei einzelnen Fakten die Wertgrenze nicht überstiegen wird, wird vom Rechtsmittel lediglich behauptet, nicht aber aus dem Gesetz abgeleitet (s dazu RIS-Justiz RS0091990; Kirchbacher in WK2 StGB § 148 Rz 6).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die (zu I.A.3.) argumentiert, die Schadensbehebungen durch Schwarzarbeiter seien mängelfrei und kostenangemessen durchgeführt worden (US 14, 29), sodass den Eigentümergemeinschaften und den Versicherungen kein vermögensrechtlicher Schaden erwachsen sei, geht nicht ‑ wie dies bei Geltendmachung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit erforderlich ist (RIS-Justiz RS0099810) ‑ vom gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt aus, wonach die Hausgemeinschaften bzw die Versicherungsunternehmen durch die Auszahlungen in der Höhe von zumindest 50 % der Rechnungsbeträge (zumindest rund 800.000 Euro) am Vermögen geschädigt wurden (US 14).

Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, dass er nach den Urteilsannahmen nicht über die Mängelfreiheit der Leistungen oder die Angemessenheit des Preises täuschte, sondern über die tatsächliche Höhe des für die Leistungen zu erbringenden Entgelts sowie über den Umstand, dass die in Rechnung gestellten Beträge in vollem Umfang tatsächlich den Rechnung ausstellenden Unternehmen zustanden und zukommen sollten (US 4, 13 f). Er täuschte dabei auch darüber, dass er die Arbeiten tatsächlich nicht ‑ wie es aus gewährleistungsrechtlichen und abrechnungstechnischen Gründen seine Vorgabe war (US 41) ‑ konzessionierten Unternehmen in Auftrag gegeben, sondern durch Schwarzarbeiter hatte verrichten lassen. Hätten die Getäuschten gewusst, dass tatsächlich nicht die die Rechnung ausstellenden Unternehmen die Leistungen erbracht hatten, hätten sie die verrechneten Beträge nicht bezahlt (US 13). Durch die Überweisung des über die tatsächlichen Kosten hinausgehenden Mehrbetrags erlitten die Hausgemeinschaften bzw die Versicherungsunternehmen einen Schaden in der Höhe von zumindest 800.000 Euro (US 14).

Im Übrigen ist für die Ermittlung des Vermögensschadens der wirkliche Geschehensablauf und der Erfolg in seiner konkreten Gestalt maßgeblich (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 66; 11 Os 68/11a, 15 Os 133/13t). Die für die Schadenshöhe beim Betrug bedeutsame Schadenskompensation (unter Berücksichtigung opferbezogener Schadensfaktoren) ist nur dann von Relevanz, wenn und insoweit der Verlust, den der Vermögensinhaber durch die irrtumsbedingte Vermögensverfügung erlitten hat, durch einen ihm im unmittelbaren Ausgleich zugeflossenen (äquivalenten) Gegenwert gemindert wird. Maßgebender Zeitpunkt für den Vergleich von Leistung und Gegenleistung ist immer die Vornahme der kritischen Verfügung, hier die Bezahlung der über die tatsächlichen Kosten hinausgehenden Rechnungsbeträge (RIS-Justiz RS0094217). Insofern erklärt die Beschwerde nicht, weshalb dem Angeklagten, der über die tatsächliche Höhe des für die Leistungen zu erbringenden Entgelts täuschte, die Leistung nicht im Austauschverhältnis stehender Dritter schadensmindernd zu Gute kommen sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ‑ ebenso wie die zwar ausgeführte (ON 155), jedoch nicht angemeldete (ON 137) Berufung des Angeklagten A***** ‑ schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0100243), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten R***** und der Staatsanwaltschaft ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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