OGH 15Os88/19h

OGH15Os88/19h22.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Philipp N***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Mai 2019, GZ 230 Hv 10/19w‑23, ferner über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00088.19H.0822.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Philipp N***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG (1./) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG (2./) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (3./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** vorschriftswidrig Suchtgift

1./ in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Tathandlungen über längere Zeit hinweg ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und nachdem er bereits einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden war (AZ 7 Hv 8/17h des Landesgerichts für Strafsachen Graz), anderen überlassen, indem er von Mitte Oktober 2018 bis 4. Jänner 2019 nachgenannte Substanzen an zahlreiche, teils minderjährige Abnehmer gewinnbringend weiterveräußerte, und zwar

a./ 4.250 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 7,9 % (335,75 Gramm Delta‑9‑THC in Reinsubstanz, somit 16,78 Grenzmengen),

b./ 229 Stück Ecstasy‑Tabletten (70,2 Gramm) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 46,7 % (32,78 Gramm MDMA‑Base in Reinsubstanz, somit 1,09 Grenzmengen),

c./ 135 Gramm kristallines MDMA mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 81,8 % (110,43 Gramm MDMA‑Base, somit 3,68 Grenzmengen) und

d./ 250 Gramm Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt von etwa 10 % (25 Gramm Amphetamin‑Base in Reinsubstanz, somit 2,5 Grenzmengen)

2./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 4. Jänner 2019 nachgenannte für den Weiterverkauf bestimmte Substanzen bis zur Sicherstellung durch die Polizei innehatte, und zwar

a./ 284,2 Gramm Cannabiskraut (22,4 Gramm Delta‑9‑THC in Reinsubstanz),

b./ 21,76 Gramm Ecstasy‑Tabletten (10,15 Gramm MDMA‑Base in Reinsubstanz) sowie

c./ 11,10 Gramm kristallines MDMA (9,08 Gramm MDMA‑Base)

3./ besessen, indem er von Mitte Oktober bis 4. Jänner 2019 etwa 450 Gramm Delta‑9‑THC‑hältiges Cannabiskraut, unbekannte Mengen Kokain und Crystal Meth ausschließlich zum persönlichen Gebrauch inne hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die – undifferenziert – auf Z 5 und 10 (der Sache nach nur Z 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.

Die zu 1./ erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) bekämpft die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG mit dem Vorbringen, die letzte einschlägige Verurteilung (zu AZ 7 Hv 8/17h des Landesgerichts für Strafsachen Graz ua wegen § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG) sei seit 20. Juli 2017 rechtskräftig, der dem Angeklagten angelastete Tatzeitraum hingegen beginne erst mit Oktober 2018, sodass diese Verurteilung wegen Überschreitung der Einjahresfrist des § 70 Abs 3 StGB nicht als Vortat nach § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB herangezogen werden könne.

Dabei geht die Rüge allerdings nicht – wie das bei der Geltendmachung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit erforderlich wäre (vgl RIS‑Justiz RS0099810) – von der Gesamtheit der Feststellungen aus, wonach sich der Angeklagte nach seiner Verurteilung zu 32 Monaten Freiheitsstrafe (zu AZ 7 Hv 8/17h des Landesgerichts für Strafsachen Graz) bis Anfang Juli 2018 im Strafvollzug in der Justizanstalt Leoben befand (US 4). Weshalb diese frühere Verurteilung entgegen der Bestimmung des § 70 Abs 3 zweiter Satz StGB, wonach in die Frist Zeiten, in denen der Täter auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, nicht eingerechnet werden, außer Betracht bleiben sollte, leitet die Rüge nicht argumentativ aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; vgl dazu im Übrigen RS0130966).

Bleibt zu 1./ festzuhalten, dass die Urteilsfeststellungen zur gewerbsmäßigen Tendenz, dem Angeklagten sei es darauf angekommen, sich durch die wiederkehrende Begehung „derartiger Suchtgiftgeschäfte“ über längere Zeit hinweg ein fortlaufendes monatliches Einkommen zu verschaffen (US 5), die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG nicht zu tragen vermögen. Dazu wäre es erforderlich, dass der Täter die Absicht hat, sich über längere Zeit hindurch durch wiederkehrendes In-Verkehr-Setzen von bereits je für sich die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Suchtgiftquanten ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen (vgl 15 Os 47/18b; 13 Os 78/17w).

Da sich dieser Subsumtionsfehler bei der Strafrahmenbildung (nach § 28a Abs 2 SMG) nicht auswirkte, und das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an die fehlerhafte Subsumtion gebunden ist (RIS-Justiz RS0118870), konnte eine amtswegige Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) unterbleiben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde ergibt (§ 285i, § 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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