OGH 15Os86/23w

OGH15Os86/23w30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eschenbacher in der Strafsache gegen * A* wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Mai 2023, GZ 84 Hv 11/23m‑44.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00086.23W.0830.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* von April 2021 bis 26. April 2022 mit der am * 2015 geborenen * Al*, sohin mit einer unmündigen Person, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er

I. sie in vier Angriffen anal mit seinem Finger penetrierte;

II. in 20 Angriffen den Oralverkehr an ihr vornahm.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 11 zweiter Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptet zu II. einen Widerspruch zwischen den Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte die Schamlippen des Opfers auseinanderzog, um mit seiner Zunge ein Stück weit in ihre Vagina eindringen zu können, wobei das folgende intensive Schlecken von dessen Absicht getragen war, zumindest ein wenig mit seiner Zunge eindringen zu können (US 4), einerseits und den beweiswürdigenden Erwägungen, wonach die Feststellung, dass der Angeklagte beim Schlecken über die Vagina der Al* ein Stück weit eindrang, aus den Schilderungen des Opfers folge (US 7), andererseits.

[5] Damit spricht sie keine entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0106268). Denn die Rüge vernachlässigt, dass das Ansetzen der Zunge einem tatbestandsmäßigen Unternehmen einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung entspricht, wenn das Berühren des äußeren Geschlechtsteils mit dem (wie hier festgestellten US 4) geforderten Penetrationsvorsatz verbunden ist (RIS‑Justiz RS0095114 [T10]; Philipp in WK² StGB § 206 Rz 12).

[6] Der im Rahmen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) erhobene Einwand, aus der Annahme, dass der Angeklagte trotz fortgeschrittenen Alters (zwar) unbescholten sei, der Senat jedoch nicht verkenne, dass er sich erst seit 2015 in Österreich aufhalte und daher über die Zeit davor gar keine Informationen vorliegen würden (US 10), resultiere Nichtigkeit infolge Verletzung der Unschuldsvermutung, versagt, weil eine solche nur vorliegt, wenn das Gericht bei der Strafbemessung auf die Begehung einer Straftat als tatsächlichen Anknüpfungspunkt abstellt, die nicht Gegenstand des im angefochtenen Urteil gefällten oder eines sonstigen rechtskräftigen Schuldspruchs ist (RIS‑Justiz RS0132357, RS0074684 [T7]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 713, 725). Die erstgerichtliche Annahme enthält den Vorwurf der Begehung einer weiteren, noch nicht rechtskräftig mit Schuldspruch abgeurteilten Tat hingegen nicht.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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