OGH 15Os86/22v

OGH15Os86/22v18.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 5. April 2022, GZ 7 Hv 54/21d‑66, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00086.22V.1018.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * K* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1.) und des Vergehens des Schwangerschaftsabbruchs nach § 98 Abs 1 erster Fall StGB (2.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in der Nacht zum 20. Juli 2021 in *

1. * B* durch massives Würgen sowie das Versetzen mehrerer Stiche in den Hals‑ und Nackenbereich, die letztlich zu einer Luftembolie des Herzens führten, vorsätzlich getötet,

2. durch die zu 1. beschriebene Tat ohne Einwilligung der * B* deren Schwangerschaft abgebrochen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Instruktionsrüge (Z 8) behauptet, die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung zum Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB wäre unrichtig, weil „stärker hervorzuheben gewesen wäre, dass nach der Rechtsprechung die allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zwar nach einem objektiv normativen Maßstab zu beurteilen ist, jedoch alle konkreten Tatumstände und psychologischen Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, im Sinne eines individualisierten objektiven Maßstabs“. Die Rechtsbelehrung hätte darauf hinweisen müssen, dass bei der Prüfung, ob eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung vorlag, „vom zu erwarteten Handeln eines 'Normmenschen' abzugehen und zu berücksichtigen [ist], dass der Angeklagte aufgrund seiner schweren psychischen Erkrankung vom sthenischen Affekt in seinem Handeln bereits bestimmt war, dies bereits in einer Phase der Geschehnisse, in welcher bei einem gesunden Menschen ein solcher Affekt noch nicht zu erwarten ist“.

[5] Damit legt die Rüge jedoch nicht dar, weshalb eine heftige Gemütsbewegung allgemein begreiflich sein sollte, wenn der Affektsturm auf ein psychisch abnormes Persönlichkeitsbild zurückzuführen ist (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0092138 [T3, T12, T14, T15], RS0092197 [T7], RS0092353 [T2, T5]; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 76 Rz 3; Leukauf/Steininger/Nimmervoll, StGB4 § 76 Rz 12; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65).

[6] Der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf ab, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahe legen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS‑Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]).

[7] Auch die Tatsachenrüge (Z 10a) zielt auf das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB ab. Sie verweist auf die Ausführungen des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen, wonach beim Angeklagten eine äußerst komplexe Persönlichkeitsstörung mit fehlender Impulskontrolle vorliege, sowie auf jene der beigezogenen Sachverständigen für forensische Psychologie zur sozio‑psychologischen Situation des Angeklagten. Mit dem Hinweis auf diese Verfahrensergebnisse zum „nachhaltigen Aufstauen von Wut und Zorn“, eine „akute Konfliktsituation mit dem Opfer und unmittelbar zuvor mit der Ex‑Freundin“ des Angeklagten, dem Abreißen einer Halskette des Angeklagten durch das Opfer und den „psychischen Status des Angeklagten“ werden keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen geweckt.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[9] Über die Berufung und die Beschwerde hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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