OGH 15Os86/18p

OGH15Os86/18p12.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Gsellmann als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. Eduard L***** gegen die Antragsgegnerinnen T***** GmbH & Co KG und K***** GmbH wegen § 7a MedienG, AZ 93 Hv 13/17p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2017, AZ 17 Bs 322/17b, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag der T***** GmbH & Co KG und der K***** GmbH auf Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO per analogiam betreffend das genannte Urteil, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Dr. Schreiber und der Vertreterin der Antragsgegnerinnen Mag. Rest, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00086.18P.1212.000

 

Spruch:

 

In der Medienrechtssache AZ 93 Hv 13/17p des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2017, AZ 17 Bs 322/17b, § 7a Abs 1 Z 2 MedienG iVm Art 10 Abs 1 MRK.

Dieses Urteil wird, soweit damit der Berufung wegen Nichtigkeit Folge gegeben wurde, aufgehoben und es wird der Berufung des Antragstellers Dr. Eduard L***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2017, GZ 93 Hv 13/17p‑7, insgesamt nicht Folge gegeben.

Dem Antragsteller fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Mit ihren Anträgen auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam werden die Antragsgegnerinnen auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. Eduard L***** gegen die Antragsgegnerinnen T***** GmbH & Co KG (als Medieninhaberin der Website www.k *****.at) und K***** GmbH (als Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „K*****“) wegen § 7a Abs 1 Z 2 MedienG, AZ 93 Hv 13/17p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, lagen nachgenannte Veröffentlichungen zugrunde, nämlich

1./  die auf der Website www.k *****.at abrufbaren Artikel vom

a./ 14. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Richter schickt Arzt zum Psychiater “,

b./ 15. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Der eigene Arzt treibt dich in Suizid “,

c./ 18. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Arzt vor Gericht: Justiz ermittelt wegen Polit-Intervention “,

d./ 20. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Arzt vor Gericht: Land Steiermark prüft Berufsverbot “ und

e./ 2. Februar 2017 mit der Überschrift „ Berufsverbot für Hausarzt: Seine Patienten wollen ihn zurück “, sowie

2./  die im periodischen Druckwerk „K*****“ erschienenen Artikel vom

a./ 14. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Richter schickt Arzt zum Psychiater “,

b./ 15. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Der eigene Arzt treibt dich in Suizid “,

c./ 18. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Arzt vor Gericht: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Polit-Intervention bei Gutachter “,

d./ 20. Jänner 2017 mit der Überschrift „ Arzt vor Gericht: Land Steiermark prüft Berufsverbot “ und

e./ 2. Februar 2017 mit der Überschrift „ Berufsverbot für Hausarzt: Seine Patienten wollen ihn zurück “.

 

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2017 (ON 7) wurden die Anträge des Antragstellers, die Antragsgegnerinnen aufgrund der vorstehend bezeichneten Veröffentlichungen wegen der darin jeweils erfolgten identifizierenden Berichterstattung über ihn als Verdächtigen gerichtlich strafbarer Handlungen jeweils zu Entschädigungszahlungen nach § 7a Abs 1 Z 2 MedienG zu verpflichten, abgewiesen. Die Einzelrichterin legte ihrer Entscheidung nachstehenden Sachverhalt zugrunde (US 3 ff):

Der Antragsteller ist seit 1991 „Allgemeinarzt“ und betrieb bis 31. Jänner 2017 die größte Ordination in der Steiermark. Diese Arztpraxis „hatte rund 3.500 Krankenscheine inne“. Weiters war der Antragsteller als Notarzt und Skiarzt bei der österreichischen Ski‑Nationalmannschaft tätig. Der Antragsteller ist Bruder des derzeitigen Obmanns des ÖVP‑Parlamentsklubs. Er selbst war aber nie politisch aktiv oder trat auch sonst nicht medial gegenüber einer größeren Öffentlichkeit in Erscheinung.

Alle verfahrensgegenständlichen (nachstehend im Detail dargestellten) Veröffentlichungen wenden sich an Leser mittlerer Bildungsschichten, welche vorrangig einen– privaten oder beruflichen – Bezug zum Bundesland Steiermark und ein erhöhtes Interesse an Kriminalberichterstattung aufweisen sowie bereits die Vorberichterstattung kennen.

Am 14. Jänner 2017 wurde in der Tageszeitung „K*****“ ein Artikel mit der Überschrift „ Richter schickt Arzt zum Psychiater “ und dem Subtitel „ Steiermark. Mediziner soll seine Kinder gequält haben. Jetzt wird abgeklärt, ob er überhaupt zurechnungsfähig ist “ veröffentlicht.

Der angesprochene Leser entnimmt diesem Artikel, dass sich der Antragsteller als tätiger Arzt Selbstverletzungen zufüge. Jetzt stehe er aber vor Gericht, weil er seine eigenen Kinder über Jahre hinweg physisch und insbesondere psychisch gequält haben soll (so ua durch die wiederholte Ankündigung, sich selbst zu erhängen oder zu erschießen). Dabei habe er sogar Medikamente und illegale Drogen verwendet. Trotz biederer Erscheinung des Antragstellers vor Gericht habe er noch ein außereheliches Verhältnis geführt, und auch in diesem Zusammenhang gebe es Ermittlungen gegen den Antragsteller; so seien Nacktfotos der Tochter der Geliebten im Internet aufgetaucht. Der Antragsteller weise beachtliches Vermögen auf und genau deswegen seien – (Anm:) laut den Angaben des Antragstellers – nach Beendigung der Beziehung die falschen Anschuldigungen entstanden. Nicht zuletzt seien seine Ex‑Frau und seine Geliebte krankhaft eifersüchtig. Der Antragsteller habe im Rahmen seiner Verteidigung die Anklagepunkte relativiert. Aufgrund der nicht abstreitbaren Selbstverletzungen des Antragstellers habe ihn das Gericht zum Psychiater geschickt, um dessen Zurechnungsfähigkeit zu überprüfen.

Am nächsten Tag, dem 15. Jänner 2017 , wurde im „K*****“ ein Artikel mit der Überschrift „ Der eigene Arzt treibt dich in Suizid “ und den Subtiteln „ Steiermark. Der Fall L***** geht weiter, als die Anklage verrät – Vergewaltigungsvorwurf und mysteriöser Tod “ und „ Was noch im Raum steht: Explosion, Säure “ veröffentlicht.

Der angesprochene Leser entnimmt diesem Artikel, dass der Antragsteller ein außereheliches Verhältnis mit einer seiner Patientinnen gehabt habe. Diese Ex-Geliebte habe dem Antragsteller mehrfach vorgeworfen, sie vergewaltigt und bedroht zu haben. Doch alle ihre Anzeigen seien eingestellt worden. Der Antragsteller soll seine Ex‑Geliebte „emotional erpresst und damit in der Hand gehabt“ haben. Sie habe einen schrecklichen Schicksalsschlag erlitten, weil sich ihr Vater erschossen habe. Ihr Vater sei immer gegen den Antragsteller gewesen. Beim Suizid habe der Vater aber seltsamerweise die Waffe des Antragstellers verwendet. Dem angesprochenen Leser wird verdeutlicht, dass die Ex-Geliebte sich bis heute nicht mit dem Suizid ihres Vaters abfinden kann. Sie beschreibe den Antragsteller als höchst manipulativ und gleichzeitig wird dem angesprochenen Leser klar vor Augen geführt, dass nach Ansicht dieser Ex‑Geliebten die Behörden bis dato versagt hätten und der Antragsteller nie die Konsequenzen für sein Handeln tragen musste. Zusätzlich erhält der angesprochene Leser die Information, dass erst ein Zusammentreffen zwischen Ex‑Geliebter und nunmehriger Ex-Ehefrau im Jahre 2014 der Anstoß zur Aufdeckung gewesen sei. Weiters erfährt er, wie sich der Antragsteller gegen die Vorwürfe, er habe seine Ex‑Geliebte bedroht, damals in seinen Vernehmungen verteidigt habe, wobei wiederum der Fokus auf die Selbstverletzungen des Antragstellers gelenkt wird. Allerdings versteht der angesprochene Leser diesen Artikel nicht dahingehend, dass der Antragsteller der Verbrechen des Mordes oder der Vergewaltigung verdächtig oder bereits verurteilt worden sei. Insgesamt erhellt sich dem angesprochenen Leser, dass die gesamte, jahrelang aufrecht erhaltene bürgerliche Idylle des Antragstellers als erfolgreicher Arzt und Familienvater in sich zusammenzubrechen scheint.

Am 18. Jänner 2017 wurde in der Zeitung „K*****“ ein Artikel mit der Überschrift „ Arzt vor Gericht: Staatsanwalt ermittelt wegen Polit-Interventionen bei Gutachter “ veröffentlicht.

Der angesprochene Leser versteht den Artikel dahingehend, dass der Verdacht bestehe, dass es Interventionen von Politikern zu Gunsten des Antragstellers gegeben habe. Er erhält erneut die Information, dass gegen den Antragsteller ein Strafverfahren wegen seiner damals noch unmündigen Kinder anhängig sei und nunmehr vom Gericht ein psychiatrisches Gutachten zum Geisteszustand des Antragstellers eingeholt werde. Der Antragsteller habe mit einer Schulkollegin seiner Töchter ein außereheliches Verhältnis gehabt, und der Vater der Ex-Geliebten habe dieses Verhältnis beenden wollen. Doch soll sich der Vater mit einem Schuss in den Kopf umgebracht haben und die Waffe habe dem Antragsteller gehört. Die Ex-Geliebte und ein weiterer Verwandter glaubten nicht an den Suizid. Sie habe den Antragsteller wegen Vergewaltigung und Drohung angezeigt, doch seien diese Verfahren eingestellt worden. Der angesprochene Leser versteht diesen Artikel nicht dahingehend, dass der Antragsteller der Verbrechen des Mordes oder der Vergewaltigung verdächtig oder bereits verurteilt worden sei.

Am 20. Jänner 2017 wurde in der Zeitung „K*****“ ein Artikel mit der Überschrift „ Arzt vor Gericht: Land Steiermark prüft Berufsverbot “ veröffentlicht.

Der angesprochene Leser versteht diesen Artikel dahingehend, dass aufgrund der vorangegangenen Berichterstattung über den Antragsteller endlich von den zuständigen Stellen reagiert worden sei und ein Berufsverbot gegen den Antragsteller geprüft werde. Weiters entnimmt der angesprochene Leser, dass strafrechtlich relevante Vorwürfe wegen Kinderpornografie gegen den Antragsteller von der zuständigen Staatsanwaltschaft geprüft werden, weil dieser Fotos der minderjährigen Tochter seiner Ex-Geliebten ins Internet gestellt haben soll. Insgesamt wird dem angesprochenen Leser suggeriert, dass die zuständigen Stellen, trotz massiver Vorwürfe gegen den Antragsteller bis dato, aus welchen Gründen auch immer, untätig gewesen seien.

Am 2. Februar 2017 wurde in der Zeitung „ K***** “ ein Artikel mit der Überschrift „ Berufsverbot für Hausarzt: Seine Patienten wollen ihn zurück “ veröffentlicht.

Dem angesprochenen Leser wird der Tatverdacht gegen den Antragsteller erneut zur Kenntnis gebracht, und er versteht diesen Artikel dahingehend, dass nun einerseits von den zuständigen Behörden reagiert worden sei, und der Antragsteller seinen Beruf als Arzt nicht mehr ausübe, aber andererseits seine Patienten, trotz aller Vorwürfe, hinter dem Antragsteller stehen und ihn unbedingt als Arzt zurück haben wollen.

Die am 14., 15., 18. und 20. Jänner sowie am 2. Februar 2017 auf der Website www.k *****.at veröffentlichten Artikel sind mit jenen jeweils am selben Tag unter demselben Titel in der Zeitung „K*****“ veröffentlichten Beiträgen inhaltlich identisch. Der jeweils angesprochene Leser und sein jeweiliges Leseverständnis entsprechen jenen zur inhaltsgleichen Berichterstattung in der Tageszeitung „K*****“.

Der Antragsteller war in allen inkriminierten Berichterstattungen jeweils „für jeden“ erkennbar.

„Zum Hintergrund“ der inkriminierten Veröffentlichungen stellte die Erstrichterin weiters fest (US 10 ff):

Die Staatsanwaltschaft Graz hatte am 6. Oktober 2016 gegen den Antragsteller beim Landesgericht für Strafsachen Graz einen Strafantrag eingebracht. Darin wird diesem vorgeworfen, er habe in E***** und an anderen Orten

I./ seinen leiblichen Kindern

A./ S***** L*****, geboren am *****, im Zeitraum von spätestens 2000 bis 26. Juni 2006,

B./ M***** L*****, geboren am *****, im Zeitraum von spätestens 2000 bis 18. Oktober 2007,

C./ Mi***** L*****, geboren am *****, im Zeitraum von spätestens 2000 bis 15. September 2012 und

D./ J***** L*****, geboren am *****, im Zeitraum von spätestens 2006 bis 2014,

sohin Personen, die seiner Fürsorge unterstanden und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, in einer Vielzahl von Angriffen körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem er bei ihnen durch die diesen gegenüber getätigte, wiederholte Ankündigung, sich durch Erhängen oder Erschießen umzubringen und die Familie werde verarmen, Verlust- und Existenzängste schürte, durch permanente Beleidigungen, Demütigungen und liebloses Verhalten ihr Selbstwertgefühl herabsetzte, ihnen befahl, verdorbene Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, sich vor ihnen selbst Verletzungen zufügte, die teils von ihnen versorgt werden mussten, ihnen teils Ohrfeigen und Schläge auf den Hinterkopf versetzte, sie an den Haaren und an den Ohren zog, ihnen befahl, ihm venöse Injektionen zu verabreichen, ihnen vermittelte, an der Scheidung zwischen ihm und ihrer Mutter schuld zu sein, sie wechselseitig gegen die anderen Geschwister aufbrachte und sich selbst von der Familie isolierte, wobei die Taten Körperverletzungen mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) in Form schwerer psychischer Leiden, nämlich bei

S***** L***** eine dysthyme Störung (leichtere länger dauernde depressive Störung, ICD‑10: F34.1),

M***** L***** eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD.10: F43.1), wiederholte depressive Episoden (ICD-10: F33.4) und eine Opiat- und Benzodiazepinabhängigkeit, abstinent (ICD-10: F11.2),

Mi***** L***** eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1), wiederholte depressive Episoden (ICD-10: F33.4) und eine Opiatabhängigkeit in der Vorgeschichte (ICD-10: F11.2) und

J***** L***** eine generalisierte Angststörung (ICD-10: F41.1)

zur Folge hatten;

II./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Zeitraum von Herbst 2006 bis Ende 2008 seine Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut gegenüber seiner damals teils minderjährigen, teils wegen Gebrechlichkeit bzw Krankheit wehrlosen Tochter M***** L***** gröblich vernachlässigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, ihre Gesundheit beträchtlich geschädigt, indem er ihr

1./ über mehrere Monate hinweg unkontrolliert Medikamente, unter anderem starke Schmerz- und Schlafmittel, zur Verfügung stellte, die bei ihr zu körperlichen Beschwerden und zu Abhängigkeitssymptomen führten;

2./ trotz anhaltend starker körperlicher Beschwerden (Muskelkrämpfe, Schweißausbrüche, Übelkeit, Halluzinationen) aufgrund von Entzugssymptomen infolge eingetretener, teils von ihm (mit-)verursachter Schmerzmittelabhängigkeit nicht mit elterlichem und auch ärztlichem Rat zur Seite stand und weder selbst medizinische Hilfe leistete noch eine solche von dritter Seite veranlasste, wobei die Taten eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB), nämlich für einen längeren Zeitraum wiederkehrende epileptische Anfälle und eine Opiat- und Benzodiazepinabhängigkeit, derzeit abstinent (ICD-10: F11.2), zur Folge hatten;

III./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer nicht näher bekannten, die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedoch nicht übersteigenden Menge

1./ im Zeitraum von zumindest 2006 bis 2014 besessen, indem er unbekannte Mengen an Cannabiskraut bis zur Eigenkonsumation innehatte, wobei er die Tathandlungen ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging;

2./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Sommer 2013 anderen angeboten, indem er seinen Töchtern M***** und Mi***** L***** unbekannte Mengen an Cannabiskraut unentgeltlich zum Eigenkonsum und somit ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bereitstellte, wobei diese jedoch ablehnten;

3./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2013 anderen überlassen, indem er seiner zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Tochter Mi***** L***** eine unbekannte Menge an Cannabiskraut zwecks Eigenkonsum und somit ausschließlich zum persönlichen Gebrauch unentgeltlich zur Verfügung stellte;

4./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Zeitraum von 2006 bis 2013 einem anderen überlassen und damit einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht, indem er dem am ***** geborenen J***** L***** in zwei Angriffen eine unbekannte Menge an Cannabiskraut unentgeltlich zur Verfügung stellte, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war;

IV./ im Zeitraum von Mai 1995 bis zumindest 2008, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich eine Pistole der Marke Astra, Kaliber 6,35, Herstellungsnummer 1152358, besessen.

Dadurch habe er zu I./ die Verbrechen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 und 3 erster Fall StGB, zu II./ die Verbrechen des Quälens und Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 2 und 3 erster Fall StGB, zu III./ die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, und zwar zu III./1./ nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG, zu III./2./ nach § 27 Abs 1 Z 1 siebenter Fall, Abs 2 SMG, zu III./3./ nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2 SMG und zu III./4./ nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 1 SMG sowie zu IV./ das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG begangen.

Am 13. Jänner 2017 fand die diesbezügliche Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz statt, in welcher der Antragsteller als Angeklagter vernommen wurde. Die Hauptverhandlung wurde auf unbestimmte Zeit zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur Frage, ob der Antragsteller zu den Tatzeitpunkten zurechnungsfähig war, vertagt. Bis dato (8. Juni 2017) wurde in diesem Strafverfahren kein Urteil gesprochen.

Gleichzeitig führten die Staatsanwaltschaft Graz (AZ 25 St 166/16v) und die Kriminalpolizei seit dem Jahre 2014 gegen den Antragsteller auch ein Ermittlungsverfahren wegen der Tatbestände nach den §§ 207a, 201 ff, 173 Abs 1, 125, 83 f, 107 Abs 1 StGB, 27 SMG. Dieser Teil des Verfahrens gegen den Antragsteller wurde am 5. Mai 2017, also zeitlich nach den inkriminierten Berichterstattungen, von der Staatsanwaltschaft Graz gemäß § 190 Z 1 und 2 StPO eingestellt. Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens waren ua der teilweise in den inkriminierten Veröffentlichungen genannte Vorwurf der Kinderpornografie, nicht jedoch jene Thematiken der Vergewaltigung der Ex-Geliebten oder des Mordes am Vater der Ex-Geliebten.

Aufgrund der an die Hauptverhandlung anschließenden Berichterstattungen, wie ua auch die oben genannten im „K*****“ und auf der Website www.k *****.at, erfolgte eine umgehende Reaktion der Landesregierung Steiermark, sodass der Antragsteller in Folge des oben genannten Strafverfahrens gegen ihn seine Ordination am 1. Februar 2017 schließen musste und bald darauf von der zuständigen Ärztekammer einvernommen wurde. Vor dieser Berichterstattung war zwar die zuständige Ärztekammer vom Strafverfahren und insbesondere dem beim Landesgericht für Strafsachen Graz eingebrachten Strafantrag gegen den Antragsteller in Kenntnis, doch waren bis dahin keine Maßnahmen ergriffen worden.

Das Erstgericht erachtete den Tatbestand des § 7a Abs 1 Z 2 MedienG für nicht erfüllt, weil ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse an der Identität des Betroffenen bestanden habe.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2017 , AZ 17 Bs 322/17b (ON 13), gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung des Antragstellers wegen Schuld nicht, jener wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO jedoch Folge , hob das angefochtene Urteil auf und erkannte in der Sache selbst zu Recht dahin, dass durch die Veröffentlichung der in Rede stehenden Artikel, in welchen über das Strafverfahren gegen den Antragsteller Dr. Eduard L***** am Landesgericht für Strafsachen Graz wegen § 92 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen berichtet wurde, in Medien in Bezug auf den Antragsteller als Verdächtigen gerichtlich strafbarer Handlungen dessen Name und andere Angaben veröffentlicht wurden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden seiner Identität zu führen, und hierdurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt wurden, ohne dass wegen deren Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hatte (§ 7a MedienG). Für die dadurch erlittene Kränkung wurden die Antragsgegnerinnen jeweils zur Zahlung von Entschädigungen nach § 8a iVm § 7a Abs 1 Z 2 MedienG an den Antragsteller verpflichtet.

Das Erstgericht habe die Verwirklichung des Entschädigungstatbestands nach § 7a Abs 1 MedienG zu Unrecht verneint, weil fallbezogen kein qualifiziertes Veröffentlichungsinteresse, das die Anonymitätsinteressen des Antragstellers prävaliere, vorgelegen sei:

Weder sei der Antragsteller eine Person des öffentlichen Lebens (dieser sei als Gemeindearzt nie öffentlich in Erscheinung getreten) noch sei seiner Tätigkeit als Arzt für Allgemeinmedizin ein öffentliches Handeln in gemeinschaftswichtigen Angelegenheiten zuzuschreiben.

Die Argumentation des Erstgerichts, wonach das überwiegende Informationsinteresse der Öffentlichkeit darin begründet sei, dass die (inkriminierte) Tat mit dem Beruf des Täters im unvereinbaren Gegensatz stünde, dringe nicht durch, auch wenn es zutreffen möge, dass die schwerwiegenden Vorwürfe prima vista im Gegensatz zu den Pflichten eines Arztes, der einen hippokratischen Eid abgelegt hat, stehen. Die mediale Warnung vor einem Tatverdächtigen sei jedoch nur in jenen Ausnahmefällen gerechtfertigt, in denen es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Identifikation in der Öffentlichkeit ein geeignetes und notwendiges Mittel ist, um weiteren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Dies treffe im vorliegenden Fall aber nicht zu: Denn die gegen den Antragsteller erhobenen Anklagevorwürfe hätten ausschließlich gegen die eigenen Kinder gerichtete Taten zum Inhalt gehabt, nicht jedoch Vorwürfe dahin, dass der Antragsteller sich (auch) im Rahmen seiner Berufsausübung gegenüber Patienten missverhalten habe.

Der Verdacht, im privaten Bereich eigene Kinder vernachlässigt oder gequält oder rezeptpflichtige Medikamente oder Suchtmittel verabreicht zu haben, stehe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den beruflichen Pflichten des Antragstellers als Gemeindearzt. Durch diesen mangelnden Konnex könne auch das Erfordernis einer notwendigen Warnfunktion keinesfalls abgeleitet werden.

Mit der vom Erstgericht fälschlich angenommenen Warnfunktion sei eine Art Präventivschlag im Sinne einer vorgreifenden Kriminalisierung eingetreten. Auf Grund der dem Antragsteller vorgeworfenen Tathandlungen habe er als Arzt bereits seine berufliche Tätigkeit (vorläufig) einstellen müssen; die Nennung des vollen Namens komme sohin einer zusätzlichen medialen Bestrafung bzw Prangerwirkung gleich, welche der Intention des Gesetzgebers zuwider laufe.

 

 

Rechtliche Beurteilung

Das genannte Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht, steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der im Fall konfligierender Grundrechte von der MRK geforderte faire Ausgleich (vgl Art 10 Abs 2 MRK) zwischen dem (auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten gerichteten) Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) wird im hier interessierenden Zusammenhang auf innerstaatlicher Ebene durch die von § 7a Abs 1 MedienG geforderte Abwägung schutzwürdiger Interessen des von der Berichterstattung Betroffenen gegenüber spezifischen Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung von zur Identifizierung geeigneten Angaben gewährleistet (RIS-Justiz RS0125776).

Nach § 7a Abs 1 MedienG hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf eine Entschädigung, wenn in einem Medium der Name, das Bild oder andere Angaben veröffentlicht werden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen, die Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung geworden ist (Z 1) oder die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde (Z 2), und hiedurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt werden, ohne dass wegen deren Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen werden jedenfalls verletzt, wenn sich die Veröffentlichung im Fall des Abs 1 Z 2 leg cit bloß auf ein Vergehen bezieht oder das Fortkommen des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen kann (Abs 2 Z 2 leg cit).

Durch § 7a MedienG soll unter anderem hintangehalten werden, dass Verdächtige oder Verurteilte in Form eines „Medienprangers“ anstelle oder neben einer gerichtlichen Bestrafung eine soziale Ersatz- oder Zusatzbestrafung erfahren (EBRV zur Mediengesetznovelle 1992, 503 BlgNR 18. GP  11).

Während § 7a Abs 1 MedienG unter dem Titel „Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen“ einleitend Opfern strafbarer Handlungen und Personen, die solcher verdächtig sind oder wegen solcher verurteilt wurden, in Umsetzung des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens nach Art 8 MRK bei Vorliegen schutzwürdiger Interessen Identitätsschutz gewährt und solcherart das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK einschränkt, trägt der zweite Teil dieser Bestimmung dem letztgenannten Grundrecht in Form eines negativen Tatbestandsmerkmals wieder Rechnung:

Über einen Tatverdächtigen oder Verurteilten ist eine identifizierende Berichterstattung nämlich zulässig wenn

• wegen seiner Stellung in der Öffentlichkeit,

• wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder

• aus anderen Gründen

ein sein Geheimhaltungsinteresse überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Preisgabe seiner Identität bestanden hat. Diese Kriterien sind in einer Gesamtschau einzelfallbezogen zu würdigen, um zu einer Beurteilung des Überwiegens von Anonymitäts- oder Veröffentlichungsinteresse zu gelangen (15 Os 161/10f, 15 Os 99/14v = EvBl 2015/27, 181).

Das Veröffentlichungsinteresse muss sich– gerade – auf die Identität des Betroffenen beziehen. Zulässig ist die identifizierende Berichterstattung nur dann, wenn und soweit dem Namen oder den sonstigen Identitätsmerkmalen des Betroffenen ein eigenständiger Informations- oder Nachrichtenwert zukommt. Dieser Informationswert muss zudem das schutzwürdige Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiegen. Damit ordnet das Gesetz eine Interessenabwägung an, wobei die schutzwürdigen Interessen auf der Seite des Betroffenen nur in dem Maß zurückgedrängt werden, wie es ein entsprechend gewichtiges und legitimes Interesse der Öffentlichkeit gibt, über die Identität der in die Straftat verwickelten Personen informiert zu werden (RIS‑Justiz RS0125775; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll , Praxiskommentar MedienG 3 § 7a Rz 26).

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Identität der in § 7a Abs 1 MedienG genannten Personen preisgegeben werden darf, ist ein strenger Maßstab anzuwenden, weil die Öffentlichkeit grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse hat, die Identität des Betroffenen zu erfahren ( Rami in WK² MedienG § 7a Rz 6 mwN).

Ein überwiegendes Informationsinteresse kann sich jedoch aus der Person ergeben, über die berichtet wird. Das trifft auf jene Personen zu, die wie bekannte Politiker, führende Wirtschaftstreibende, Spitzenbeamte, prominente Künstler oder Sportler (nach der Judikatur des EGMR: „public figures“) regelmäßig Gegenstand öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit sind (15 Os 99/14v = EvBl 2015/27, 181; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll , Praxiskommentar MedienG 3 § 7a Rz 28).

Ist eine Person in diesem Sinn nicht als prominent zu bezeichnen, so kann ein sonstiger Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben zur Aufhebung ihres Identitätsschutzes führen. Der Begriff des öffentlichen Lebens im Sinn des § 7a Abs 1 MedienG bezeichnet grundsätzlich den Bereich des öffentlichen Handelns in gemeinschaftswichtigen Angelegenheiten. Dazu gehört jedenfalls der staatliche Bereich, dh das Handeln der Organwalter in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit, ferner das politische Leben einschließlich der Tätigkeit in politischen Parteien, die Aktivitäten der Interessenvertretungen, volkswirtschaftlich bedeutsamer Unternehmen und der Massenmedien. Tätigkeiten in den „staatsfernen“ Bereichen der Kunst und des Leistungssports werden auch zum öffentlichen Leben gerechnet. Über politische Affären, Missstände im öffentlichen Dienst, Korruptionsvorwürfe oder große Wirtschaftsskandale und die damit jeweils zusammenhängenden Straftaten darf also in der Regel unter Namensnennung berichtet werden ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll , Praxiskommentar MedienG 3 § 7a Rz 29), wobei auch hier die Einschränkung gilt, dass sich das Informationsinteresse auch auf die Identität der Akteure beziehen muss (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0125775 sowie zum Ganzen 15 Os 99/14v).

Dass die Tat in einem auffallenden Widerspruch zu den beruflichen Verpflichtungen eines Verdächtigen oder Täters steht, genügt für sich allein nicht, um ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Identität der jeweiligen Person im Sinn der von § 7a Abs 1 MedienG genannten „anderen Gründe“ darzustellen. Die generelle Zulassung der Durchbrechung des Identitätsschutzes und die dadurch bewirkte Verringerung der Rehabilitierungs- bzw Resozialisierungschancen des Einzelnen in allen Fällen, in welchen dieser den spezifischen Integritätserfordernissen seines Berufes zuwider gehandelt hat, würde den eingangs bereits genannten Sinn und Zweck des § 7a MedienG, nämlich die Vermeidung einer medialen Ersatz- oder Zusatzbestrafung, in diesem Bereich konterkarieren.

Die „mediale Warnung“ vor einem bestimmten Tatverdächtigen oder Straftäter ist vielmehr nur in jenen Ausnahmefällen gerechtfertigt, in denen es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Identifikation in der Öffentlichkeit ein geeignetes und notwendiges Mittel ist, um weiteren Schaden von der Gesellschaft oder von Einzelnen, die bereits Opfer der Straftaten geworden sind oder konkret Gefahr laufen, Opfer weiterer Straftaten des Betreffenden zu werden, abzuwehren. In solchen Fällen überwiegt nämlich das öffentliche Interesse an der Aufklärung und der Vermeidung von Straftaten die schutzwürdigen Interessen des Tatverdächtigen oder Täters (vgl Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll , Praxiskommentar MedienG 3 § 7a Rz 30; vgl zum Ganzen insbesondere neuerlich 15 Os 99/14v).

 

Die – auf der Erwägung, dass fallaktuell kein „Ausnahmefall“ vorgelegen sei, in dem die Preisgabe der Identität des einer gerichtlich strafbaren Handlung Verdächtigen in der Öffentlichkeit ein geeignetes und notwendiges Mittel war, um weiteren Schaden von der Gesellschaft oder von einzelnen, die konkret Gefahr laufen, Opfer weiterer Straftaten des Betreffenden zu werden, abzuwehren („mediale Warnung“), fußende – Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht, wonach die Öffentlichkeit kein die Interessen des Antragstellers überwiegendes Interesse an der Bekanntgabe dessen Identität habe, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Es trifft zwar – wie das Oberlandesgericht hervorhebt – zu, dass es sich bei den dem Antragsteller vorgeworfenen Straftaten zum überwiegenden Teil um solche handelt, die „nur“ zum Nachteil der eigenen Kinder begangen wurden. Das Berufungsgericht lässt bei seiner Beurteilung allerdings außer Acht, dass – nach den unbeanstandet gebliebenen, oben referierten Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts – der Antragsteller (nach der Verdachtslage) sehr wohl seine eigenen Kinder als Arzt behandelte, diesen dabei Suchtmittel überließ und insbesondere seiner Tochter M***** L***** über mehrere Monate hinweg unkontrolliert Medikamente, unter anderem starke Schmerz- und Schlafmittel, zur Verfügung stellte, welche bei dieser zu körperlichen Beschwerden und zu Abhängigkeitssymptomen führten, sowie dass er weiters seiner Tochter M***** trotz anhaltend starker körperlicher – teils von ihm (mit-)verursachter – Beschwerden (Muskelkrämpfe, Schweißausbrüche, Übelkeit, Halluzinationen) nicht mit elterlichem und insbesondere auch nicht mit ärztlichem Rat zur Seite stand und weder selbst medizinische Hilfe leistete noch eine solche von dritter Seite veranlasste, wobei die vorbeschriebenen Taten bei M***** L***** eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) zur Folge hatten.

Wenn ein Arzt seine eigenen Kinder „ behandelt “ und ihnen dabei (verschreibungspflichtige) Medikamente und auch (illegale) Suchtmittel verabreicht, so geht dies über das normale Vater-Kind-Verhältnis hinaus; es mutiert insoweit zwangsläufig zu einem Arzt-Patienten-Verhältnis.

In Übereinstimmung mit den rechtlichen Ausführungen der Erstrichterin gilt festzuhalten, dass der Antragsteller als Arzt Teil des österreichischen Gesundheitssystems und als solcher für die Heilbehandlung vieler Menschen verantwortlich ist (vgl § 2 Ärztegesetz 1998).

Die inkriminierten Taten stehen vielfach – wie dargestellt – in einem (nicht nur mittelbaren, sondern sogar) unmittelbaren Zusammenhang mit der Berufsausübung des Antragstellers als weitreichend tätiger Arzt für Allgemeinmedizin („größte Ordination in der Steiermark“ mit „rund 3500 Krankenscheinen“).

Insoweit räumt das Berufungsgericht treffend ein, dass die gegen den Antragsteller erhobenen, überaus schwerwiegenden Vorwürfe („prima vista“) einen Verstoß gegen die (Berufs-)Pflichten eines Arztes, der den hippokratischen Eid abgelegt hat, darstellen. In concreto besteht – der weiteren Rechtsmeinung des Berufungsgerichts zuwider – bei einer Gesamtschau aber sehr wohl ein massives, die Anonymitätsinteressen des Verdächtigen überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Identität des Antragstellers, weil die identifizierende Berichterstattung ein geeignetes und notwendiges Mittel war, um (möglichen) Schaden von der Gesellschaft und insbesondere von einzelnen potentiellen Patienten des Antragstellers abzuwehren. Denn zwischen einem (Haus-)Arzt und seinen Patienten besteht im Normalfall ein Vertrauensverhältnis. Ein Patient und eine Patientin soll und muss daher erfahren dürfen, (1./) dass sein oder ihr behandelnder Arzt im – sogar schon in einem Strafantrag konkretisierten – Verdacht steht, selbst Suchtmittelkonsument zu sein sowie schwerwiegende Straftaten gegen Leib und Leben, welche auch Implikationen zu dessen Berufsausübung haben (so insbesondere die exzessive bzw verbotene Verabreichung von Schmerz-, Schlaf- und Suchtmitteln an Kinder sowie auch die Unterlassung der eigenhändigen Leistung von – erkennbar erforderlicher – medizinischer Hilfe bzw die Unterlassung der Veranlassung der offensichtlich erforderlichen Hilfeleistung durch Dritte), begangen zu haben, und (2./) dass dieser Arzt möglicherweise zumindest zu den Tatzeitpunkten – also durch längere Zeit hindurch – zurechnungsunfähig war (die Hauptverhandlung wurde – wie oben dargestellt – zur Einholung eines entsprechenden psychiatrischen Gutachtens auf unbestimmte Zeit vertagt).

Die dem Antragsteller vorgeworfenen strafbaren Handlungen sind gravierender Natur; sie beziehen sich auf eine Vielzahl von Verbrechen (Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 und 3 erster Fall StGB [I./] und nach § 92 Abs 2 und 3 erster Fall StGB [II./]) und Vergehen, großteils zum Nachteil besonders schutzbedürftiger Opfer.

Mit Blick auf die Vielzahl der (mutmaßlichen) Tathandlungen und die langen Tatzeiträume war in concreto eine Warnung der Öffentlichkeit vor seiner Person jedenfalls gerechtfertigt.

Dabei ist zudem noch zu berücksichtigen, dass die vorliegend inkriminierten identifizierenden Berichterstattungen erst nach der am 13. Jänner 2017 beim Landesgericht für Strafsachen Graz durchgeführten öffentlichen Hauptverhandlung erfolgten, also zu Zeitpunkten nach Einbringung der Anklage und somit erst in einem sehr weit fortgeschrittenen Verfahrensstadium (vgl RIS-Justiz RS0125775 [T6]; Rami in WK² MedienG § 7a Rz 21).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass an der den Antragsteller Dr. Eduard L***** identifizierenden Berichterstattung über das gegen ihn geführte Strafverfahren ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit bestanden hat, sodass die Anträge des Genannten auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a Abs 1 MedienG vom Erstgericht zu Recht abgewiesen wurden.

 

Das in Rede stehende Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2017 gereicht den Antragsgegnerinnen, denen gemäß § 41 Abs 6 zweiter Satz MedienG die Rechte des Angeklagten zukommen, zum Nachteil. Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung – im Hinblick auf den fristgerechten Erneuerungsantrag (§ 363a StPO per analogiam; Art 35 Abs 1 MRK) der Antragsgegnerinnen – wie im Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO; RIS-Justiz RS0124740, RS0124838 [T4], RS0124798 [T2]).

Mit ihren – an sich berechtigten – Anträgen auf Erneuerung des Verfahrens waren die Antragsgegnerinnen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 390 Abs 1 zweiter Satz, 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG (RIS-Justiz RS0126968; Lendl , WK-StPO § 390a Rz 20).

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