OGH 15Os83/14s

OGH15Os83/14s27.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Hannes A***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. April 2014, GZ 122 Hv 26/14h‑54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Hannes A*****, demgemäß auch im Strafausspruch (inklusive der Vorhaftanrechnung) sowie im Privatbeteiligtenzuspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch der Mitangeklagten Martina A***** enthält, wurde Hannes A***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien im Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis 1. August 2013 in seiner Eigenschaft als Filialleiter der U***** AG, Filiale W*****, die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er Wertpapierverkäufe von Kundendepots ohne Kundenauftrag durchführte, die Erlöse entweder auf bestehende Konten dieser Kunden oder auf fingierte Konten gutschreiben ließ und anschließend von dort Überweisungen tätigte oder auf Eigenkonten buchte, wobei er der U***** AG einen Vermögensnachteil von jedenfalls über 1,4 Mio Euro zufügte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der im Ergebnis Berechtigung zukommt:

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen (US 4 ff) werden bei Wertpapierdepotgeschäften der U***** AG dieser Bank von ihren Kunden Gelder zu einer bestimmten Veranlagung auf Wertpapierdepots übergeben. Dabei erteilt der Kunde der Bank (oder deren Mitarbeitern) keine Vollmacht, in seinem Namen und auf seine Rechnung Veranlagungen durchzuführen oder sein Vermögen zu verwalten. Vielmehr werden der Bank die Kundengelder zu einer bestimmten Veranlagung übergeben, welche die Bank dann ‑ nach Einzahlung der Gelder ‑ im eigenen Namen, aber auf Rechnung der Kunden durchführt, am Kundendepot abbildet und so für den Kunden ersichtlich macht.

Den weiteren Feststellungen zufolge war der Angeklagte nach den bankinternen Regeln als Filialleiter und Kundenbetreuer der U***** AG „befugt, im Namen und auf Rechnung der Bank solche Wertpapiergeschäfte (insbesondere den An- und Verkauf von Wertpapieren, welche auf Kundendepots gebucht sind, auf Rechnung dieser Kunden, aber im Namen der Bank)“ zu tätigen. Er durfte dies „den bankinternen Regeln zufolge im Innenverhältnis jedoch nur, wenn es einen entsprechenden Kundenauftrag hiezu gab“ und „konnte Transaktionen bis zu 100.000 Euro ohne Mitwirkung eines zweiten Filialmitarbeiters durchführen“.

Im Tatzeitraum verkaufte der Angeklagte „im Namen der U***** AG und ohne einen entsprechenden Kundenauftrag“ die auf den Wertpapierdepots der auf US 5 genannten Kunden gebuchten Wertpapiere im Gesamtwert von 1.419.850,97 Euro. Die dadurch erzielten Erlöse ließ er entweder auf existierende Verrechnungskonten oder auf von ihm fingierte Konten, die entweder auf ihn selbst oder auf diese Kunden lauteten, gutschreiben. Von dort überwies er sodann die Gelder auf sein Konto oder ein Konto der Martina A*****, von wo er sie teils bar behob oder teils mittels Überweisungen zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten verwendete.

Weiters wählte der Angeklagte dieselbe Vorgangsweise (Verkauf von auf Kundendepots gebuchten Wertpapieren ohne einen entsprechenden Kundenauftrag und unter Missbrauch seiner Befugnisse als Filialleiter), um 42 anderen Kunden der Filiale Vergütungen (etwa für Wertpapierspesen, Kreditraten für gemahnte Kredite und Bonifikationen für Guthaben) zukommen zu lassen.

Einigen Kunden täuschte er Kurssteigerungen bzw höhere Depotstände als tatsächlich vor, indem er falsche, nämlich zu hohe Buchungen auf deren Depots vornahm.

Die U***** AG ersetzte den auf US 6 genannten Kunden den letzten korrekten Depotstand und leistete Zahlungen in einer 1,4 Mio Euro übersteigenden Höhe, wozu das Erstgericht auf eine in ON 2 S 7 ff enthaltene Aufstellung verweist. Weiters ersetzte die U***** AG einzelnen Kunden (überhöhte) Depotstände laut den ihnen zugekommenen Depotauszügen von über 300.000 Euro (US 7).

In subjektiver Hinsicht gelangten die Tatrichter zur Auffassung, dass der Angeklagte willentlich Wertpapiere verkaufte, obwohl er wusste, dass er über die auf den Wertpapierdepots der Kunden gebuchten Wertpapiere nicht ohne entsprechenden Auftrag verfügen durfte. Er wusste auch, dass er die ihm als Filialleiter in seiner Funktion gegebene Vollmacht der Bank, die solche Geschäfte umfasste, missbrauchte. Er nahm dabei auch den Schaden, der der U***** AG durch den Ersatz an die Kunden entstand, billigend in Kauf.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) des Angeklagten zeigt im Ergebnis zutreffend auf, dass diese Konstatierungen die vorgenommene rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten angelasteten Verhaltensweisen als das Verbrechen der Untreue nicht zu tragen vermögen:

Untreue nach § 153 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Deliktssubjekte der Untreue sind daher Machthaber, dh natürliche Personen, die mit der Vertretungsmacht ausgestattet sind, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wobei es überdies Charakteristikum der Untreue ist, dass der Schaden demjenigen erwächst, über dessen Vermögen der Täter verfügt oder den zu verpflichten er befugt ist (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 36; SSt 2003/80).

Unkörperliche Vermögenswerte, insbesondere bei einer Bank erliegendes Geld („Giralgeld“), also etwa ein Kontoguthaben, eine Spareinlage oder ein Wertpapierdepot (RIS-Justiz RS0093878, RS0094579) sind ‑ soweit sie in den ausschließlichen Gewahrsam (bei unkörperlichen Vermögenswerten: in die alleinige Verfügungsgewalt) eines anderen (vorliegend: der Bank) mit der Verpflichtung übertragen werden, diese Verfügungsmacht entsprechend einer vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht auszuüben (RIS-Justiz RS0093896) ‑ anvertraute Güter. Nur wenn derartige Güter nicht ausschließlich zur Verwahrung oder einer ganz bestimmten Verwendung übergeben werden, sondern dem Übernehmer (vorliegend: der Bank) darüber hinaus noch eine ‑ sei es auch nur mit einem geringen Maß am aktuellen Machthaberermessen verbundene (15 Os 108/90; 12 Os 117/02) ‑ Dispositionsbefugnis über die Einlage eingeräumt wird, kommt (im Falle malversiven Verhaltens) Untreue (§ 153 StGB) und nicht Veruntreuung (§ 133 StGB) in Betracht (RIS-Justiz RS0094579).

Die vorliegend getroffenen Konstatierungen, denen zufolge einerseits die Depotkunden ihre Gelder der Bank (und solcherart auch deren Repräsentanten) ohne Verwaltungsvollmacht nur zu einer vorher bestimmten Veranlagung laut Kundenauftrag übergaben (US 4), die andererseits aber davon ausgehen, dass der Angeklagte als Filialleiter der U***** AG die Befugnis hatte, einen Verkauf (auch) von diesen (wirtschaftlich fremden) Wertpapieren namens der Bank zu tätigen (US 5), bieten kein hinreichendes Sachverhaltssubstrat für die Annahme (Z 10), dass dem Angeklagten aufgrund bestimmter Umstände in Ansehung eben dieser Kundenwertpapiere wenigstens ein Minimum an rechtlicher Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht (Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 20) eingeräumt gewesen sein sollte; mangelt es insofern doch an einer hinreichenden Darstellung der inhaltlichen Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen Depotkunden und der U***** AG (vgl Bertel in WK2 StGB § 133 Rz 20 und 48), zumal offenbleibt, weshalb ein der Bank seitens ihrer Kunden nicht eingeräumtes rechtliches Pouvoir betreffend die in Rede stehenden Wertpapierdepots (US 4) von dieser auf den Angeklagten übertragen werden konnte.

Dementsprechend wendet die Beschwerde auch mit Recht ein, dass auf Basis des konstatierten Sachverhalts der Umstand, dass die U***** AG ihren Kunden für das Verhalten des Angeklagten Schadenersatz leistete (US 6), zunächst noch keine durch die Tathandlung bedingte rechnerisch feststellbare Negativposition im Vermögen der Bank (Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 38), sondern bloß eine Konsequenz zivilrechtlicher Haftung für einen von ihrem Angestellten verursachten Schaden in deren wirtschaftlichen Vermögen beschreibt.

Da solcherart die getroffenen Urteilskonstatierungen für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreichen, ob der Angeklagte eine ihm rechtlich eingeräumte Verfügungsmacht über fremdes Vermögen missbraucht (§ 153 StGB) oder aber eine tatsächlich bestehende Verfügungsmacht ausgenützt (§ 133 StGB) hat, scheitert die von der Beschwerde zulässigerweise geforderte (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 647, 655) Beurteilung des Sachverhalts als Veruntreuung ebenfalls an einer hinreichenden Feststellungsgrundlage.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Hannes A*****, demgemäß auch im Strafausspruch (inklusive der Vorhaftanrechnung) sowie im Privatbeteiligtenzuspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verweisen.

Im zweiten Rechtsgang werden zur rechtsrichtigen Beurteilung des Sachverhalts hinreichende Konstatierungen zur Ausgestaltung des Depotvertrags der U***** AG mit ihren Kunden bzw einer daraus (allenfalls) abzuleitenden Dispositionsbefugnis der Bank (und ihrer Repräsentanten) betreffend die auf den Wertpapierdepots erliegenden Vermögenswerte zu treffen sein. Sollte das Gericht aber zur Auffassung gelangen, dass die inkriminierten Tathandlungen an anvertrauten Gütern (§ 133 StGB) begangen wurden, wäre den insofern erforderlichen Konstatierungen in subjektiver Hinsicht ebenfalls Augenmerk zu schenken.

Mit der Berufung war der Angeklagte demnach auf diese Entscheidung zu verweisen.

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