OGH 15Os8/11g

OGH15Os8/11g16.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Katalin E***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 27. August 2010, GZ 14 Hv 97/10h-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Katalin E***** und Heribert L***** von der wider sie erhobenen Anklage (ON 25a), sie hätten „in K***** von Anfang Mai bis Oktober 2009 ... im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, zumindest die ungarischen Staatsangehörigen Szilvia K*****, Piroska I*****, Szuszanna J***** sowie Szuszanna Ko*****, mögen sie auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, der Prostitution in Österreich, nämlich im Bordell ‚D*****', sohin in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, zugeführt und angeworben, indem sie nach von ihnen eingeschalteten entgeltlichen einschlägigen Inseraten in diversen ungarischen Zeitschriften telefonisch bzw persönlich die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten mitteilten, Einzelheiten der Anreise arrangierten, und zwar Szilvia K***** und Piroska I***** mit einem ungarischen Taxiunternehmen nach K***** chauffieren ließen bzw Szuszanna Ko***** und Szuszanna J***** am Bahnhof in Graz mit dem Pkw abholten, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten abklärten und schließlich in den Bordellbetrieb ‚D*****' eingliederten“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft; sie schlägt fehl.

Die Mängelrüge vermag einen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 5) nicht aufzuzeigen.

Die Urteilsannahme, wonach nicht festgestellt werden könne, dass Heribert L***** Katalin E***** zur Schaltung der Zeitungsannonce in Ungarn beauftragt, sie dazu animiert oder auch bloß Kenntnis davon hatte (US 7), begründete das Schöffengericht nicht unvollständig oder offenbar unzureichend (Z 5 zweiter und vierter Fall), sondern leitete sie formal einwandfrei aus den gleichlautenden Verantwortungen des Zweitangeklagten gegenüber der Polizei und in der Hauptverhandlung (US 11) ab. Das Vorbringen der Anklagebehörde, die „pauschale Wertung des Erstgerichts, wonach die Angeklagte E***** ihre den Angeklagten L***** belastenden Angaben bei näherem Hinterfragen revidiert“ habe, finde im Akteninhalt keine Deckung, ist mit Blick auf das Hauptverhandlungsprotokoll ON 42, insbesondere S 16 und 20, nicht nachvollziehbar.

Mit der weiteren Beschwerdebehauptung (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe die „durchgehend kohärente“ Aussage der Angeklagten E***** nur mit einer Scheinbegründung (nämlich dass sich die Letztgenannte als Bordellbetreiberin gefühlt und daher das Zeitungsinserat in Ungarn aufgrund der „hohen eigenen Interessenlage“ in Eigeninitiative bewirkt hätte) „überwunden“, wird bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die erstrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.

Weshalb die Konstatierung, wonach die Angeklagte E***** die Schaltung des Zeitungsinserats in Ungarn ohne Zutun des Angeklagten L***** veranlasst hatte (US 11), mit der Negativfeststellung, dass ein Mitwirken des Letztgenannten daran nicht festgestellt werden konnte (US 7 f), in einem inneren Widerspruch (Z 5 dritter Fall) stehen soll, ist nicht ersichtlich.

Schließlich reklamiert die Mängelrüge, das Erstgericht habe in der Beschwerde einzeln angeführte Details aus den Aussagen der Angeklagten E***** sowie der Zeuginnen Kis***** und I***** nicht erörtert. Eine nichtigkeitsbegründende Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt indes nicht vor, weil deren Angaben - dem Beschwerdevorbringen zuwider - sehr wohl berücksichtigt wurden (US 11 f). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend musste dabei nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen (wie überhaupt sämtlicher Verfahrensergebnisse) im Einzelnen erörtert und darauf untersucht werden, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen; das Erstgericht musste sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen (vgl RIS-Justiz RS0098377; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) fordert unter Hinweis auf Teile der Aussagen der Angeklagten E***** und der Zeuginnen Szilvia K***** und Piroska I***** weitere Feststellungen zum Tatbildmerkmal des § 217 Abs 1 StGB des Zuführens oder Anwerbens.

Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels verlangt die auf Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat.

Gründet das Gericht einen Freispruch auf die Annahme, dass ein Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt sei, und trifft es demnach keine Feststellungen zu den übrigen, reicht es unter dem Aspekt erfolgreicher Urteilsanfechtung nicht hin, allein die den Freispruch begründende Annahme zu bekämpfen. Vielmehr ist überdies hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO Rz 607).

Diesem Erfordernis entspricht die Anklagebehörde nicht, weil sie es mit ihrer bloß auf Feststellungen zu objektiven Umständen abstellenden Argumentation unterlässt, (auch) einen die subjektive Tatseite (der - zumindest bedingte - Vorsatz muss alle Tatbestandsmerkmale umfassen) betreffenden Feststellungsmangel anzusprechen. Somit ist die Beschwerde von vornherein nicht dazu geeignet, eine Aufhebung des gegenständlichen Freispruchs zu bewirken; denn bei Fehlen der subjektiven Tatseite wären die Angeklagten von den wider sie erhobenen Vorwürfen freizusprechen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

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