OGH 15Os7/15s

OGH15Os7/15s18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Daniel M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 29. September 2014, GZ 22 Hv 45/14d‑53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00007.15S.0218.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniel M***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und nach § 201 Abs 1 StGB (A./II./ und B./) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (A./I./1./ und 2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*****

A./ Sabrina G*****

I./ misshandelt und dadurch fahrlässig am Körper verletzt, und zwar

1./ Ende Juli/Anfang August 2012, indem er sie gegen einen Kühlschrank stieß und in den „Schwitzkasten“ nahm, wodurch sie Hämatome an den Oberarmen, am Hals und an den Schulterblättern erlitt;

2./ im August 2012, indem er sie gegen eine Wohnungstür stieß, wodurch sie ein großflächiges Hämatom am Rücken erlitt;

II./ mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, wobei „eine Tat“ eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte, und zwar

1./ etwa in der zweiten Augusthälfte 2012, indem er ihr die Jogginghose und die Unterhose auszog, das T‑Shirt hochschob und ihr den BH herunterriss, sich trotz ihres Versuchs, ihn wegzudrücken und mit den Beinen wegzutreten, auf sie legte, trotz ihrer artikulierten Ablehnung ihre Brüste massierte und ‑ nachdem er ihre Beine auseinandergedrückt hatte ‑ mit seinem erigierten Penis in ihre Scheide eindrang, wobei er ihr den Mund zuhielt, um zu verhindern, dass sie um Hilfe schrie;

2./ im Zeitraum November 2012 bis „zwischen Weihnachten und Silvester 2012“, indem er die unter A./I./1./ geschilderte Tathandlung insgesamt drei Mal wiederholte und ihr in einem Fall anstelle einer Hand einen Polster auf das Gesicht drückte und ihre Hände über ihrem Kopf festhielt;

B./ Sandra Go***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, wobei „eine Tat“ eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, und zwar

I./ am 25. Dezember 2013, indem er ‑ nachdem beim anfänglich einverständlichen Geschlechtsverkehr das Kondom gerissen war ‑ ihre Bitte ignorierte, aufzuhören, und obwohl Go***** versuchte, ihn mit ihren Beinen wegzudrücken, ohne Kondom weiter in sie einzudringen versuchte, ihr ‑ um Hilferufe zu verhindern ‑ den Mund zuhielt und mit seiner linken Hand gegen ihre rechte Gesichtshälfte schlug, ihre Hände hinter ihren Kopf legte, ihre Beine auseinanderdrückte und den Geschlechtsverkehr vollzog;

II./ indem er sich ‑ nachdem Go***** nach der zu B./I./ geschilderten Tat eingeschlafen und im Aufwachen begriffen war ‑ mit seinem gesamten Körpergewicht auf sie legte, ihre Beine neuerlich gegen ihren Widerstand auseinanderdrückte und wieder mit seinem erigierten Penis in ihre Scheide eindrang.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Dem zu A./II./ erhobenen Einwand von

Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider bestand zu einer schriftlichen Auseinandersetzung mit den von der Nichtigkeitsbeschwerde behaupteten „zahlreichen Widersprüchen zwischen den Aussagen der einzigen Belastungszeugin Sabrina G*****“ keine Notwendigkeit:

Dass die Zeugin in der kontradiktorischen Vernehmung den Zeitpunkt der ersten Tathandlung (erst) über Vorhalt ihrer Angaben vor der Polizei von „November/Dezember“ auf „Mitte 2012“ korrigierte, war dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ebenso wenig erörterungsbedürftig wie der Umstand, dass sie die letzte Tathandlung in der polizeilichen Vernehmung „Ende November bzw. Anfang Dezember 2012“ und kontradiktorisch vernommen „nach Weihnachten“ einreihte (RIS‑Justiz RS0106642, RS0098778; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428). Im Übrigen hat das Erstgericht die Schwierigkeit der zeitlichen Einordnung der zu A./II./ umschriebenen Taten nicht unerwähnt gelassen (US 11).

Weil das

Schöffengericht in der schriftlichen Urteilsbegründung nicht den vollständigen Inhalt der Aussagen des Angeklagten und der Zeugen zu erörtern hat, musste es sich auch

nicht mit dem ‑ den Urteilsannahmen nicht entgegenstehenden ‑ Detail auseinandersetzen, dass die Angabe der Zeugin G***** darüber, wie oft sie durch die Vergewaltigungen „blaue Flecken“ erlitten habe, zwischen ein und zwei Mal variierte (RIS‑Justiz

RS0106295).

Ebenfalls kein unter dem Aspekt der Unvollständigkeit erörterungsbedürftiges Beweisergebnis stellt der Umstand dar, dass diese Zeugin in der polizeilichen Vernehmung nur das Drücken eines Polsters gegen ihr Gesicht erwähnte, während sie kontradiktorisch vernommen zunächst ein Zuhalten ihres Mundes durch den Angeklagten schilderte und erst über Vorhalt ihrer Angaben vor der Polizei präzisierte, dass der Angeklagte nur bei einem Vorfall den Polster verwendet habe.

Die Umstände, wann G***** ihrer Freundin Anita Ma***** von den Vergewaltigungen erzählt und wie viele Vorfälle sie dabei erwähnt hat, betreffen keine erheblichen Tatsachen, sodass auch die darauf bezogenen Verfahrensergebnisse ‑ der Beschwerde zuwider ‑ keiner Erörterung bedurften (RIS‑Justiz RS0118316 [T7 und T8]).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt eine prozessordnungskonforme Darstellung, indem sie unter Bezugnahme auf Teile der Entscheidungsgründe behauptet, im gegenständlichen Verfahren sei „die Grenze des (...) Beweiswürdigungsrahmens bei weitem überschritten“ worden, und (ungeachtet unterschiedlicher Anfechtungskriterien) auf die Ausführungen der Mängelrüge verweist, somit ohne direkte Bezugnahme auf aktenkundige Beweismittel

und

ohne Gesamtbetrachtung der tatrichterlichen Beweiswürdigung erhebliche Bedenken aus den Erwägungen der Tatrichter abzuleiten versucht (RIS‑Justiz

RS0117961, RS0119424).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Soweit der Nichtigkeitswerber ‑ ohne ein auf die Schuldsprüche A./I./1./ und 2./ sowie B./I./ und II./ bezogenes Vorbringen ‑ die Aufhebung des

gesamten angefochtenen Urteils beantragt, war auf seine Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht drei der von A./II./ umfassten Taten der im Urteilszeitpunkt geltenden Fassung des § 201 Abs 1 StGB unterstellt hat, obwohl die zu den Tatzeiten geltende Bestimmung des § 201 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2004/15) zufolge der damals geltenden Strafuntergrenze von sechs Monaten günstiger war (§ 61 zweiter Satz StGB). Eine amtswegige Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), der keinen Einfluss auf den Strafrahmen hat und aus dem keine unrichtigen (nachteiligen) Strafzumessungstatsachen (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall) resultieren (vgl US 21), war mangels erkennbaren konkreten Nachteils nicht erforderlich (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Bei der Entscheidung über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu A./II./ von einer Subsumtion nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idgF und nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 auszugehen (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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