OGH 15Os70/08w

OGH15Os70/08w13.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eilenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvio K***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 24. Jänner 2008, GZ 6 Hv 7/08s-19, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Priavatbeteiligtenzusprüche enthaltenden Urteil wurde Silvio K***** „des Verbrechens des teils versuchten, teils räuberischen Diebstahls gemäß den §§ 15, 127, 131 1. Deliktsfall StGB (I. und II.), der Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs 1 und 2 StGB (III.), des Vergehens des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (IV.) und des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (V.)" schuldig erkannt. Danach hat er hat in Mureck

I. am 30. August 2007 fremde bewegliche Sachen, nämlich den Bargeldbetrag von 75 Euro der Josefine N***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II. am 27. November 2007 eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Flasche Wodka („grün") der Marke „E*****" im Wert von 6 Euro Berechtigten des Unternehmens B***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und bei Betretung auf frischer Tat dadurch Gewalt angewendet, dass er, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, Sabine M*****, als sie ihn festhielt, zur Seite stieß;

III. seinen Vater, Gerald T*****, durch die lautstarken Ankündigungen: „Ich schlage ihn nieder, breche ihm alles, ich stich ihn ab und schlag ihn zusammen!" und „Jetzt gehe ich in die Wohnung und bring ihn um!" gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

IV. den Polizeibeamten Thomas N***** dadurch mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der Festnahme, zu hindern versucht, dass er sich dagegen heftig körperlich wehrte;

V. durch die unter Punkt IV. beschriebene Tathandlung Thomas N***** vorsätzlich am Körper verletzt (susp. Teilruptur der SSS li.), wobei die Tat an einem Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgabe begangen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Mit dem Vorbringen, die Taten seien zu I. und II. entgegen der jeweils Vollendung annehmenden rechtlichen Beurteilung als Verbrechen des teils versuchten, teils räuberischen Diebstahls gemäß den §§ 15, 127, 131 erster Deliktsfall StGB qualifiziert worden, spricht die einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) behauptende Mängelrüge keine entscheidende Tatsache, sondern - im Übrigen auch nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt - eine dem Regelungsbereich des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO zuzuordnende Strafzumessungstatsache an (RS-Justiz RS0122137).

Der weiteren, Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) und Widerspruch zu II. behauptenden Mängelrüge zuwider können die Urteilsannahmen, der Angeklagte habe die ihm körperlich weit unterlegene Zeugin M***** in der Absicht, sich damit die Gewahrsame über die weggenommene Wodkaflasche zu erhalten, von sich weggestoßen und zur Seite geschoben, um so das Geschäft verlassen zu können (US 10), sehr wohl nebeneinander bestehen, ist doch das Erstgericht zweifelsfrei von in zeitlicher Abfolge gesetzten Tathandlungen ausgegangen. Soweit der Beschwerdeführer „zur Illustration dieses Widerspruchs" aus dem Kontext gelöste Passagen hiezu ergangener Zeugenaussagen referiert, zeigt er keinen Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Urteilsfaktum V. erschöpft sich im Vorbringen, dass mit der Feststellung, wonach der Angeklagte die Verletzungen der (offensichtlich gemeint: des) Polizeibeamten (Neuhold) zumindest billigend in Kauf genommen habe (US 12), die subjektive Tatseite nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht worden sei. Soweit der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang „entsprechende Feststellungen" zur Wissens- und Wollenskomponente vermisst, legt er nicht dar, welcher zusätzlicher Konstatierungen es zur Annahme eines Verletzungsvorsatzes (US 3) noch bedurft hätte (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0089250, wonach die Wissenskomponente des Vorsatzes [§ 5 Abs 1 StGB] in der Urteilsfeststellung „zumindest billigend in Kauf genommen" enthalten ist). Der Vorwurf mangelnder Begründung, ob und inwieweit dem Angeklagten bei Annahme von Misshandlungsvorsatz Fahrlässigkeit in Ansehung der Verletzungsfolge zur Last liegt, argumentiert nicht auf Basis des dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Verletzungsvorsatzes (US 3 iVm 12). Auch die zu II. erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht an dem vom Gesetz geforderten Bezugspunkt:

Bei ihrer Behauptung, ein Wegschieben der Zeugin M***** sei keinesfalls als Gewaltanwendung im Sinne des § 131 StGB zu beurteilen, geht sie nicht von der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen aus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584). Dass es trotz der Urteilsannahme, der Angeklagte habe die ihn am Oberarm festhaltende, vor dem Ausgang des Geschäfts stehende, ihm körperlich weit unterlegene Zeugin Sabine M***** weggestoßen (US 10, 16 f), weiterer Konstatierungen über die Art und Intensität des Zugriffs der Zeugin und der dagegen gerichteten Körperbewegung des Angeklagten bedurft hätte, leitet die Rüge mit dem Hinweis auf die eine bloße Rechtsbehauptung enthaltende Veröffentlichung des wissenschaftlichen Schrifttums, die Feststellung eines Wegstoßens lasse offen, ob ein Stoß wirkliche Gewalt oder nur ein Überraschungsmanöver sei (Bertel in WK2 § 131 Rz 3; vgl jedoch RIS-Justiz RS0093597, RS0093602, RS0093762; 11 Os 168/96) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0118429). Wenn der Nichtigkeitswerber schließlich andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen anstrebt, verlässt er den vorgegebenen Anfechtungsrahmen dieses materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Soweit der Rechtsmittelantrag die Aufhebung des gesamten Urteils, also auch der Schuldspruchfakten III. und IV. begehrt, unterlässt die Nichtigkeitsbeschwerde die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen, weshalb auf sie in diesem Umfang keine Rücksicht zu nehmen ist (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Festgehalten sei, dass dem Antrag, nach „§ 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten", die gesetzliche Grundlage fehlt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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