OGH 15Os68/94(15Os69/94)

OGH15Os68/94(15Os69/94)26.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mario F***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 2 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 10. Jänner 1994, GZ 35 Vr 1533/93-56, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gleichzeitig mit diesem Urteil gefaßten Widerrufsbeschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthält) wurde der am 13.Juni 1976 geborene Jugendliche Mario F***** der Verbrechen (I.) der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 2 erster Fall StGB, (II.) des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und (IV.) der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 (gemeint: Abs 2) und Abs 3 dritter Fall (gemeint: Abs 4 dritter Fall) StGB (das Erstgericht hat ersichtlich die StGB-Novelle 1993 BGBl 527 unbeachtet gelassen) sowie der Vergehen (III.) des versuchten Betruges nach §§ 15, 146 StGB und (V.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem widerrief das Jugendschöffengericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz, GZ 35 E Vr 2469/91-20, gewährte bedingte Nachsicht einer einjährigen Freiheitsstrafe, während es vom Widerruf der zum AZ 10 Vr 170/91 des Landesgerichtes Steyr bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO absah.

Als das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (I. des Urteilssatzes) liegt dem Angeklagten zur Last, am 9.Juli 1993 in Linz den Eyup G***** dadurch, daß er ihm mit dem abgeschlagenen Teil einer Zwei-Liter-Flasche einen Schlag über (gemeint: auf) Kopf und Hals versetzte, eine schwere Körperverletzung (zu ergänzen: § 84 Abs 1), nämlich je eine Schnittwunde an der rechten Halsseite mit Durchtrennung des rechtsseitigen Kopfnickermuskels und eines größeren Hautnervs, im Bereich des Unterkiefers rechts mit knöcherner Läsion und eingesprengten Glassplittern, ferner im Bereich der rechten Ohrmuschel mit Knorpelläsion und hinter dem rechten Ohr, absichtlich zugefügt zu haben, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (zu ergänzen: § 85), nämlich Narben im Gesicht und am Hals, nach sich zog.

Der Angeklagte erhob ausdrücklich (vgl den Inhalt der Beschwerdeausführungen iVm dem Rechtsmittelantrag S 125: "... das Urteil, soweit es angefochten ist, aufzuheben ...") nur gegen diesen Schuldspruch eine auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nicht stichhältig ist der Einwand in der Mängelrüge (Z 5), die Urteilsbegründung sei unvollständig, weil die Verantwortung des Angeklagten (S 68), er habe versucht, durch das Vorgehen mit der abgeschlagenen Flasche den G***** abzuhalten, weiterhin gegen seinen Kollegen H***** vorzugehen, unberücksichtigt geblieben sei. Abgesehen davon, daß sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung dazu widersprüchlich verantwortet hat (vgl S 65 unten und 66 mitte), hat das Erstgericht diese Einlassungen in den Entscheidungsgründen sehr wohl erörtert, allerdings nicht in der von der Beschwerde gewünschten Richtung gewürdigt (US 6 letzter Absatz und US 7 dritter Absatz). Ein formaler Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

Soweit der Nichtigkeitswerber darüber hinaus danach trachtet, seinem anklagekonform abgelegten Schuldgeständnis (S 66 unten) nachträglich einen anderen Sinn zu unterlegen, bekämpft er in Wahrheit nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Unzutreffend ist der - unter der Behauptung einer offenbar unzureichenden Begründung - des weiteren erhobene Vorwurf, die Urteilsfeststellung, derzufolge der Angeklagte mit der Absicht handelte, G***** schwer zu verletzen, stütze sich lediglich "auf die vom Gericht angenommene Hypothese, daß das Vorgehen mit einem an sich gefährlichen Gegenstand deshalb die Absicht indiziere, weil mit einer an sich schweren Verletzung zu rechnen sei". Hat doch das Schöffengericht die konstatierte Absicht des Angeklagten, das Opfer schwer zu verletzen, aus mehreren (von der Beschwerde jedoch außer acht gelassenen) tragfähigen Komponenten mit zureichender Begründung erschlossen, nämlich aus der "Vorgangsweise", dem "verwendeten Werkzeug" und dem damit im Einklang stehenden "Geständnis" (vgl US 9). Von einer bloßen Scheinbegründung kann demnach keine Rede sein.

Angesichts der - wie dargelegt - formell einwandfreien Begründung der spezifischen Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) sowie unter Bedachtnahme auf die im Urteil auch verwerteten (US 9 unten) Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (S 241/II), denenzufolge die konstatierten Verletzungen des Opfers alle drei vom § 84 Abs 1 StGB umfaßten Erfolgsqualifikationen (vgl Leukauf-Steininger StGB3 § 84 RN 4 ff und 10 ff) erfüllen, bedurfte es nicht noch der (von der Beschwerde vermißten) nach der gegebenen Fallgestaltung nur mehr eine rechtliche Subsumtion darstellenden Feststellung, daß der Angeklagte eine schwere Verletzung "im Sinn des § 84 Abs 1" StGB beabsichtigte.

Mit dem Hinweis in der Tatsachenrüge (Z 5 a), die - in Berichtsform sinngemäß festgehaltene - Aussage des Eyup G***** (S 53/I) bestätige die (vom Schöffengericht ausdrücklich als unglaubwürdig beurteilte - vgl US 7, 9 und 11) Darstellung des Beschwerdeführers, durch den Schlag mit der Flasche, der "eigentlich zuerst dem Rücken des G***** gegolten hätte, diesen von weiteren Aktivitäten gegenüber H***** abzuhalten", sowie mit dem Einwand, das Schöffengericht hätte "insbesondere die Einvernahme des Eyup G***** zu diesem wesentlichen Punkt [von Amts wegen] durchführen müssen", vermag der Nichtigkeitswerber weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der sich an der Gesamtheit der wesentlichen Verfahrensergebnisse orientierenden Beweiswürdigung der Tatrichter in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 2). Dies umso weniger, als der Angeklagte zugegebenermaßen (S 47, 81/I) in Übereinstimmung mit den gerichtlichen Depositionen der Zeugen G***** (ON 16), K***** (ON 17) und D***** (ON 18) den entscheidenden Schlag von hinten geführt hat und das Opfer über das innere Vorhaben des Beschwerdeführers naturgemäß nichts aussagen kann.

Mit diesem Vorbringen verkennt demnach der Rechtsmittelwerber das Wesen dieses unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichenden Anfechtungstatbestandes (Mayerhofer-Rieder aaO E 1).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht - wie dies für die erfolgreiche Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes unabdingbare Voraussetzung ist - vom gesamten wesentlichen Tatsachensubstrat ausgeht und nicht das darauf angewendete Gesetz vergleicht, sondern lediglich unter ausdrücklicher Wiederholung der bereits in der Mängel- und Beweisrüge vorgebrachten Argumente prozeßordnungswidrig und demnach unbeachtlich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung resümiert, "wenn das Erstgericht die richtigen Feststellungen getroffen hätte, wäre allenfalls die Bestrafung nach §§ 83, 84 bzw § 88 StGB zulässig gewesen". Auf dieser Basis ist aber dem Obersten Gerichtshof eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen verwehrt, weil es in Wahrheit erneut nur auf eine unzulässige Kritik an der tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage hinausläuft.

Nicht nachvollziehbar ist schließlich der (ersichtlich im Sinne des § 288 a StPO gestellte) Rechtsmittelantrag, "die Hauptverhandlung zu vernichten". Denn der (der Sache nach relevierte) Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288 a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren, in welchem ein Oberlandesgericht gar nicht angerufen worden ist, von vorneherein nicht verwirklicht worden sein.

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten dem Oberlandesgericht Linz zufällt (§ 285 i StPO).

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