OGH 15Os63/18f

OGH15Os63/18f27.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Oberkontrollorin Ponath als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter D***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Peter D***** und Robert D***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 19. Jänner 2018, GZ 38 Hv 25/17s‑47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00063.18F.0627.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter D***** und Robert D***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (iVm § 161 Abs 1 erster Satz) StGB (I.) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 4 Z 1, Abs 5 Z 3 und 4 StGB (iVm § 161 Abs 1 erster Satz) StGB (II.1.) und nach § 159 Abs 2, Abs 5 Z 3 und 4 StGB (iVm § 161 Abs 1 erster Satz) StGB (II.2.) schuldig erkannt.

Danach haben sie als Geschäftsführer der D***** GmbH in P*****

I. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zwischen Jänner 2011 und 30. September 2014 durch unternehmerisch nicht gerechtfertigte Privatentnahmen und Zuwendung dieser Gelder an den Erstangeklagten in Gesamthöhe von 193.872,32 Euro, den Zweitangeklagten in Gesamthöhe von 198.674,89 Euro sowie die R***** Liegenschafts GmbH in Gesamthöhe von 155.635,72 Euro Bestandteile des Vermögens der erstgenannten GmbH beiseite geschafft oder sonst ihr Vermögen verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger dieser Gesellschaft zumindest geschmälert, wobei sie einen 548.402,93 Euro betragenden, also 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführten;

II. grob fahrlässig dadurch, dass sie kridaträchtig handelten, indem sie entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand für Kfz‑Leasing (ab März 2012) sowie Geschäftsführerentlohnung betrieben sowie geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihnen einen Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage des von ihnen geführten Unternehmens verschafft hätten, unterließen, indem sie „aus dem Rechnungswesen nicht die richtigen Schlüsse zogen, insbesondere in Kenntnis der operativen Ertragskraft und der involvierten Fremdmittel den Aufwand für Geschäftsführerentgelte und Kfz‑Leasing sogar noch erhöhten, keine Verlängerungs‑ oder Umschuldungsmaßnahmen hinsichtlich der Kredite ergriffen, bei der Befriedigung der Gläubiger planlos agierten sowie nur unsystematisch auf Ratenvereinbarungen mit ihnen hinwirkten und in der Krise ohne Umstellung auf Zug‑um‑Zug‑Geschäfte weiterwirtschafteten“,

1. zwischen Jänner 2011 und 28. Februar 2014 die Zahlungsunfähigkeit der D***** GmbH herbeigeführt, wobei sie einen rund 1,6 Millionen Euro betragenden, also eine Million Euro übersteigenden Befriedigungsausfall ihrer Gläubiger bewirkten;

2. zwischen 1. März und Ende 2014 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger vereitelt oder geschmälert.

Gegen dieses Urteil richten sich die vom Angeklagten Peter D***** auf Z 9 lit a, 10 und 11 und vom Angeklagten Robert D***** auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, welche sich als nicht berechtigt erweisen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Peter D*****:

Aus Z 9 lit a und aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behauptet der Rechtsmittelwerber, § 159 Abs 1 StGB sowie § 159 Abs 2 StGB träten gegenüber § 156 StGB nach dem Scheinkonkurrenztyp der Subsidiarität zurück. Er legt dabei aber nicht dar, weshalb hier ein einheitliches Tatgeschehen und Identität des Objekts vorliegen sollten (vgl RIS‑Justiz RS0124805; Kirchbacher in WK 2 StGB § 159 Rz 98), und lässt außer Acht, dass den Angeklagten vorsätzliche Entnahmen von insgesamt 548.402,93 Euro aus dem Gesellschaftsvermögen zu unternehmensfremden Zwecken einerseits (I.) und übermäßiger Aufwand insbesondere für Geschäftsführerentgelte und Kfz‑Leasing sowie Unterlassen von geeigneten und erforderlichen Kontrollmaßnahmen, die einen Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage der Gesellschaft verschafft hätten, andererseits (II.) zur Last liegen.

Entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die erschwerende Wertung des die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB um nahezu das Doppelte übersteigenden Schadens nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil insoweit bereits das Überschreiten des Betrags von 300.000 Euro an sich strafsatzbestimmend ist und jede größere Schädigung gemäß § 32 Abs 3 StGB straferhöhend wirkt (RIS‑Justiz RS0091126 [T3]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Robert D*****:

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zu I. des Schuldspruchs steht die Konstatierung, wonach die Angeklagten es zumindest ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, durch die Entnahmen von über 300.000 Euro das Gesellschaftsvermögen zu verringern und dadurch die Befriedigung von Gläubigern zu vereiteln oder zu schmälern, nicht in Widerspruch zu den weiteren Feststellungen des Schöffengerichts, wonach die Angeklagten aus der Buchhaltung falsche unternehmerische Schlüsse zogen, in Kenntnis der Krise weiter wirtschafteten und planlos agierten, ohne systematisch an die Gläubiger heranzutreten (RIS‑Justiz RS0119089).

Soweit der Rechtsmittelwerber zu den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite bei I. eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) behauptet, verkennt er, dass der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen – wie ihn das Erstgericht vorgenommen hat (US 6) – ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RIS‑Justiz RS0098671 [T5]). Überdies ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0119370). Die Beschwerde übergeht jedoch die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter, wonach sich die D***** GmbH laut der Verantwortung der Angeklagten von Anfang an in einer prekären finanziellen Situation befand und sie „sehr früh“ mit Exekutionen und urgierenden Lieferantengläubigern konfrontiert waren, sie den Rat eines Unternehmensberaters ignorierten und auch keine konkreten Pläne für die Rückführung der entnommenen Gelder hatten (US 6 f). Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite betreffend die Wertqualifikation nach § 156 Abs 2 StGB ließen die Tatrichter entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern sie stützten sich auf die Höhe der monatlichen Entnahmen und werteten die diesbezüglich leugnende Verantwortung der Angeklagten logisch und empirisch einwandfrei als Schutzbehauptung (US 6 f).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem der Rechtsmittelwerber zu I. des Schuldspruchs darauf hinweist, dass nach der Verantwortung der beiden Angeklagten und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K***** die D***** GmbH bis zum Jahr 2014 auftragsmäßig gut ausgelastet war und über zahlungskräftige Kunden verfügte und die finanzierende Bank eine Fälligstellung der Kredite bis 2014 nicht vornahm, sondern den Kontokorrentkredit sogar erhöhte, die Zahlungsunfähigkeit erst mit Ende 2013 eintrat und für die Angeklagten erst Ende Februar 2014 erkennbar war, werden keine erheblichen Bedenken im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes geweckt. Im Übrigen erfordert betrügerische Krida weder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Gemeinschuldners oder auch nur das Vorliegen einer wirtschaftlichen Krisensituation (RIS‑Justiz RS0095308, RS0094831).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu I. behauptet, die Konstatierungen, wonach die Angeklagten in der Zeit von 2011 bis 2014 unternehmerisch falsch gehandelt und zu hohe Ausgaben getätigt haben, könnten eine Verurteilung nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht tragen, lässt sie prozessordnungswidrig die Feststellungen außer Acht, wonach die Angeklagten zusätzlich zu ihrer Geschäftsführerentlohnung einvernehmlich für private Ausgaben insgesamt 392.542,21 Euro aus dem Vermögen der D***** GmbH entnahmen und weitere 155.635,72 Euro der R***** GmbH zuführten, wobei sie es zumindest ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, dadurch das Vermögen der erstgenannten Gesellschaft zu verringern und die Befriedigung der nicht besicherten Lieferantengläubiger in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag zu vereiteln oder zu schmälern (US 3 f).

Soweit die Rechtsrüge zu II.1. ausführt, § 159 StGB wäre gegenüber § 156 StGB bei einheitlichem Tatgeschehen und Identität des Objekts subsidiär, ist auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde des Peter D***** zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO).

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