OGH 15Os6/23f

OGH15Os6/23f8.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Lung als Schriftführer in der Strafsache gegen * O* wegen Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 28. Juli 2022, GZ 52 Hv 28/22p‑129, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00006.23F.0308.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * O* zweier Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

[2] Danach hat er am 5. Mai 2021 in W* zwei Personen mit einer Pistole getötet, nämlich

1./ I* B*, indem er drei Schüsse auf sie abgab, wodurch diese zwei Einschüsse sowie einen Durchschuss im Kopfbereich erlitt, was ein Verbluten in Kombination mit einer Blutung zwischen den weichen Hirnhäuten sowie einen Teilkollaps der linken Lunge zur Folge hatte, und

2./ H* B*, indem er sieben Schüsse auf sie abgab, wodurch diese sechs Durchschüsse im Bereich der rechten Schulter, beider Arme und im Bereich des linken Rippenbogens sowie im Bauch- und Beckenbereich und einen Steckschuss in der rechten hinteren Schädelgrube mit Zerstörung des Augapfels und Verletzungen der rechten Großhirnhälfte erlitt, was ein Verbluten nach innen und außen zur Folge hatte.

[3] Die Geschworenen bejahten die hiezu jeweils nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gestellten Hauptfragen I./ und II./. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[5] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung je einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB.

[6] Totschlag setzt (rechtlich) unter anderem die allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung voraus, die also in ihrer tatkausalen Heftigkeit in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlass für einen rechtstreuen, mit den durch die inländische Rechtsordnung geschützten Werten innerlich verbundenen Durchschnittsmenschen – also nach einem objektiven Maßstab – in dem Sinn sittlich verständlich sein muss, dass sich dieser vorstellen kann, auch er geriete unter den gegebenen besonderen Umständen in eine solche Gemütsverfassung. Stellt sich die Gemütsbewegung aber als eine „übersteigerte“ Reaktion dar, so fehlt ihr eben deshalb das Moment der allgemeinen Begreiflichkeit (RIS-Justiz RS0092259, RS0092115, RS0092138).

[7] Eine nur aus der charakterlichen Beschaffenheit des Täters resultierende heftige Gemütsbewegung ist nicht allgemein begreiflich, wenn die Gemütsbewegung auf Stimmungslabilität, leichter Erregbarkeit, mangelnder Beherrschung, gesteigerter Aggressivität beruht oder auf ein psychisch gestörtes Persönlichkeitsbild zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0092353, zuletzt 15 Os 86/22v).

[8] Indem der Beschwerdeführer auf seine Verantwortung verweist, er habe aufgrund der vehementen „Gegenschüsse“ [gemeint: des stets ablehnenden Verhaltens] von DI R* B* und I* B* gegen den Angeklagten und seine Beziehung zu H* B* und aufgrund der massiven Beleidigungen und des Versuchs von I* B*, ihn aus dem Haus zu drängen, am Tatabend eine emotionale Überlastung empfunden, nennt er kein Verfahrensergebnis, das als ernst zu nehmendes Indiz für einen Sachverhalt dienen könnte, welcher im Licht der oben angeführten Grundsätze den Gegenstand der begehrten Eventualfragen bilden könnte (RIS-Justiz RS0100860 [T1]).

[9] Die Sanktionsrüge (Z 13 erster Fall) macht eine Überschreitung der Anordnungsbefugnis geltend, weil das Gericht die Kausalität der geistigen Abartigkeit für die Tatbegehung fehlerhaft beurteilt habe. Der Anlass für die verfahrensgegenständliche(n) Straftat(en) sei tatsächlich in den dem Angeklagten über einen langen Zeitraum hinweg entgegengebrachten Beschimpfungen, Verleumdungen und Herabwürdigungen sowie in den auf diesen einwirkenden Einflüssen in der Tatnacht zu erblicken. Mit diesem Vorbringen und dem Hinweis auf (angebliche) Unstimmigkeiten und Mängel im Gutachten des Sachverständigen zeigt sie kein nichtigkeitsrelevantes Begründungsdefizit in Bezug auf für die Sanktionsbefugnis entscheidende Tatsachen auf (zur Bekämpfung der tatsächlichen Grundlage der Sanktionsbefugnis [§ 345 Abs 1 Z 13 erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO] vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 17, RIS-Justiz RS0118581, RS0097433).

[10] Mit der Kritik am Absehen von einer – im Rahmen eines Schriftsatzes (ON 107) beantragten – Ladung dreier Zeugen stützt sich die Beschwerde nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag und verfehlt dadurch den Bezugspunkt der – der Sache nach damit ausgeführten – Verfahrensrüge (Z 5; RIS-Justiz RS0099099). Soweit sie damit auch das Unterbleiben einer amtswegigen Beweisaufnahme moniert (Z 10a), unterlässt sie die gebotene Darlegung, wodurch der Angeklagte an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823).

[11] Der Einwand, es könne bei einem „Frauenmord“ nachteilig für den Angeklagten sein, dass „die Geschworenenbank mit sieben Frauen besetzt war“, lässt keinen Bezug zu einem der in § 345 Abs 1 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe erkennen. Im Übrigen sieht das Gesetz für die Durchführung des Hauptverfahrens wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB keine besondere Regelung über eine nach geschlechtsspezifischen Kriterien vorzunehmende Zusammensetzung der Geschworenenbank vor (vgl § 32 StPO).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Die vom Angeklagten selbst verfassten zusätzlichen Eingaben („Finalisierung der Berufung und Nichtigkeit“; ON 145, 146) waren unbeachtlich (RIS-Justiz RS0100152 [T4]).

[13] Zur Entscheidung über die Berufung ist das Oberlandesgericht zuständig (§§ 344, 285i StPO).

[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte