OGH 15Os6/09k

OGH15Os6/09k19.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Philipp I***** gegen die Antragsgegnerin M***** GmbH wegen §§ 6, 7 MedienG, AZ 092 Hv 25/08g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Philipp I***** gegen die Antragsgegnerin M***** GmbH wegen §§ 6, 7 MedienG wurde die Antragsgegnerin mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. April 2008, GZ 092 Hv 25/08g-6, zur Zahlung einer Entschädigung von 400 Euro sowie gemäß § 8a Abs 6 MedienG zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet, weil in einem seit 28. Februar 2008 auf der Internet-Websitehttp://www.*****.at abrufbaren Artikel mit der Überschrift „Jetzt kann ich endlich loslassen" behauptet wurde, der Antragsteller habe seine Ehefrau Doris I***** „betrogen" und sie wegen Dr. Andrea K***** verlassen, wodurch in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich des Antragstellers Philipp I***** in einer Weise erörtert und dargestellt worden ist, die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen und weiters dadurch der objektive Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB verwirklicht worden ist.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts, die auch eine vollständige Wiedergabe des inkriminierten Artikels umfassen, verstand der angesprochene Leserkreis die Veröffentlichung dahin, dass der Antragsteller seine Ehefrau mit Dr. Andrea K***** betrogen und sie letztlich ihretwegen verlassen hatte. Der Antragsteller hatte seiner Ehefrau nichts von dieser außerehelichen Beziehung erzählt. Doris I***** habe erst aus diversen Zeitungsberichten erfahren, dass ihr Mann sie hintergangen hatte. Doris I***** hatte zunächst unter der Trennung von ihrem Mann sehr gelitten, diese Lebenskrise aber schließlich überwunden.

Mag. Philipp I***** sprach nicht mit Medienvertretern über seine Beziehung zu Dr. Andrea K***** bzw über das Scheitern seiner Ehe. Er verweigerte dazu stets jeden Kommentar. Dr. Andrea K***** gestand im Rahmen der Ö3-Sendung „Frühstück bei mir" am 27. August 2007 zu, von ihrem Ehemann Dr. Richard K***** geschieden zu sein und einen neuen Freund zu haben. Die Frage, ob dies der Antragsteller Mag. Philipp I***** sei, beantwortete Dr. Andrea K***** nicht.

Der Antragsteller wurde auf die Berichterstattung über das Scheitern seine Ehe wiederholt angesprochen und fühlte sich hiedurch peinlich berührt (US 8 bis 10).

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht zum einen von einer Verwirklichung des Tatbestands nach § 6 Abs 1 MedienG aus, weil das Unterhalten einer ehewidrigen Beziehung und das Brechen der Ehe den Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens im Sinn des § 111 Abs 1 StGB darstelle. Zum anderen lägen auch die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 MedienG vor, weil durch die Mitteilung, der Antragsteller habe als verheirateter Mann eine ehewidrige Beziehung unterhalten, worunter seine Ehefrau gelitten habe, das Familien- und Sexualleben des Antragstellers, sohin dessen höchstpersönlicher Lebensbereich, in einer Weise erörtert worden sei, die geeignet sei, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Der Wahrheitsbeweis nach § 7 Abs 2 Z 2 MedienG sei nicht aufzunehmen gewesen, weil trotz des Umstands, dass es sich bei der neuen Partnerin des Antragstellers um die damalige Gesundheitsministerin gehandelt habe, ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben nicht bestehe. Aus diesem Grund sei auch die Aufnahme des Wahrheitsbeweises nach § 6 Abs 2 lit a MedienG ausgeschieden (§ 6 Abs 3 MedienG).

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Antragsgegnerin gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 20. Oktober 2008, AZ 18 Bs 334/08m (ON 20 des Hv-Akts), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsgegnerin beantragt nunmehr die Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO per analogiam und behauptet eine Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK.

Soweit der Antrag unter Bezugnahme auf eine Judikatur des Oberlandesgerichts Wien Anwendungsbereich und Grenzen des höchstpersönlichen Lebensbereichs sowie die sich aus Art 10 MRK ergebenden Beschränkungen des durch § 7 MedienG gewährten Schutzes des Privat- und Familienlebens nach Art 8 MRK erörtert (wobei das Unterhalten privater Beziehungen auch nach dem Antragsvorbringen zur relativ geschützten Privatsphäre zählt), genügt der Verweis auf die jüngst zu eben dieser Rechtsprechung ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 21. Jänner 2009, AZ 15 Os 175/08m. Die weitere Argumentation, der Antragsteller und Dr. Andrea K***** hätten ihre Liebesbeziehung selbst bekannt gemacht und durch gemeinsame Auftritte öffentlich zur Schau gestellt und sich so des Schutzes des § 7 MedienG begeben, entfernt sich vom Urteilssachverhalt (US 9). Gleiches gilt für die Behauptung der Erneuerungswerberin, Dr. Andrea K***** hätte diese Liebesbeziehung in einer Radiosendung näher erörtert, hat das Erstgericht doch explizit festgestellt, dass Dr. Andrea K***** die Frage nach der Person ihres neuen Freundes gerade nicht beantwortet hat (US 9). Im Übrigen legt sie nicht dar, weshalb aus einer diesbezüglichen öffentlichen Erzählung von Dr. Andrea K***** ein Einverständnis des in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffenen Antragstellers mit einer Veröffentlichung abgeleitet werden könne (§ 7 Abs 2 Z 3 MedienG). Ebensowenig gelingt es - unter dem Aspekt des „überwiegenden öffentlichen Interesses" (das in den Ausschlussgründen des § 7 Abs 2 MedienG im Übrigen gerade nicht angesprochen wird) - aufzuzeigen, warum der (der Öffentlichkeit bis dahin wenig bekannte) Antragsteller eine Person der Zeitgeschichte sei oder am berichteten Sachverhalt ein allgemeines Informationsinteresse bestünde.

Der Antragsintention zuwider sind die Gerichte auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller durch die gegenständliche Berichterstattung eines unehrenhaften Verhaltens bzw eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens im Sinn des § 111 Abs 1 StGB beschuldigt worden ist. Denn unbeschadet hoher Scheidungszahlen begegnet die Unterhaltung einer den Ehepartner emotional belastenden ehebrecherischen geschlechtlichen Beziehung nach wie vor gesellschaftlicher Ablehnung (vgl hiezu den den Ehebruch als schwere Eheverfehlung festschreibenden § 49 EheG). Personen- oder situationsbezogene Umstände, die in Bezug auf den Antragsteller in concreto eine andere Bewertung ermöglichten, zeigt der Antrag nicht auf.

Da schließlich die Gerichte einen Zusammenhang des Berichteten mit gemeinschaftswichtigen Angelegenheiten überzeugend verneint (US 14; S 9 der Berufungsentscheidung) und demnach die Notwendigkeit der Einschränkung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zum Schutz des guten Rufs und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Antragstellers begründet haben sowie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine maßvolle Sanktion gefunden haben, kann eine Verletzung des Art 10 MRK nicht festgestellt werden. Der Erneuerungsantrag der Antragsgegnerin war daher als offenbar unbegründet zurückzuweisen.

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