OGH 15Os60/18i

OGH15Os60/18i27.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Oberkontrollorin Ponath als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lom‑Ali S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. März 2018, GZ 125 Hv 121/17f‑58, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00060.18I.0627.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lom‑Ali S***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 20. August 2017 in W***** mit Gewalt Ionela N***** Bargeld mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, indem „er sie zunächst mit den Worten „Wo ist dein Geld, gibt mir Geld“ aufforderte, ihm ihr Bargeld zu überlassen und ihr in weiterer Folge, als sie sich weigerte, einen Faustschlag in ihr Gesicht versetzte, wobei es lediglich beim Versuch blieb, da Ionela N***** weglief“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Ob sich in der Nähe des Tatorts Passanten befanden, betrifft keine entscheidende Tatsache (zum Begriff vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399), sodass der Vorwurf mangelnder Begründung dieser Konstatierung (Z 5 vierter Fall) und des Übergehens der in einem Amtsvermerk sinngemäß festgehaltenen „Aussage“ der Zeugin N*****, wonach „mehrere Personen bei der Bushaltestelle“ (in der Nähe des Tatorts) standen (ON 4 S 17; Z 5 zweiter Fall), von vornherein ins Leere geht. Vielmehr stellen sich die Erwägungen der Rüge dazu als – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige – Beweiswürdigungskritik nach Art einer Berufung wegen Schuld dar.

Gleiches gilt für die Spekulationen der Beschwerde darüber, ob nicht aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse der Zeugin N***** ein Missverständnis zwischen ihr und dem Angeklagten vorgelegen haben könnte.

Entgegen der weiteren Kritik (Z 5 vierter Fall) wurde die Konstatierung, dass das Tatopfer dem Angeklagten „körperlich weit unterlegen“ war (US 6), durch den Vergleich von Fotos des Opfers „mit dem Angeklagten, von dessen Statur und Verhalten sich das Gericht in der Verhandlung einen ausführlichen Eindruck verschaffen konnte“, logisch und empirisch mängelfrei begründet (US 9).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die Rüge die Aussage der Zeugin N***** als (im Vergleich zu ihren ersten Angaben im Amtsvermerk; ON 4 S 15 f) inkonsistent bewertet, darauf hinweist, dass sich die Zeugin keiner medizinischen Untersuchung unterzogen habe und keine DNA‑Spuren aufgefunden werden konnten (vgl dazu US 8), sowie die schlechte gesundheitliche Verfassung und psychische Beeinträchtigung des Angeklagten als Grund für dessen (vom Erstgericht als widersprüchlich beurteilte; US 9) Verantwortung angibt, gelingt es ihr nicht, solche erheblichen Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu wecken.

Gegenstand von Rechts‑ und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzesgemäße Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Diese Kriterien vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a), wenn sie – die konträren Feststellungen übergehend – behauptet, der Angeklagte habe das Opfer nicht geschlagen, um zu Geld zu gelangen (vgl aber US 6: „… Faustschlag in ihr Gesicht versetzte, um ihren Widerstand zu brechen“; US 11: „durch Gewalt, nämlich Festhalten und Versetzen eines Faustschlags, wegnehmen wollte“).

Soweit die Beschwerde weiters vorbringt, der Angeklagte habe keine „relevante Drohung ausgesprochen“, geht sie nicht von den Urteilsannahmen aus, die als Nötigungsmittel nur den Einsatz von Gewalt anführen (US 4, 6; zum Raub als alternativem Mischtatbestand s RIS‑Justiz RS0093803).

Weshalb eine Feststellung, „ob überhaupt ein Tatobjekt präsent war“, bei einem im Versuchsstadium verbliebenen Raub (§§ 15, 142 Abs 1 StGB) notwendig gewesen wäre, vermag die Beschwerde nicht anzugeben.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Verurteilung wegen des Verbrechens des „minderschweren“ Raubes nach § 142 Abs 2 StGB anstrebt, behauptet, der Angeklagte habe „keine erhebliche Gewalt angewandt“, leitet aber nicht argumentativ aus dem Gesetz ab, weshalb das Packen des körperlich unterlegenen Tatopfers am Kragen und das unvermittelte Versetzen eines Faustschlags ins Gesicht, um den Widerstand zu brechen, keine Anwendung erheblicher Gewalt im Sinne dieser Gesetzesstelle sein sollte (vgl im Übrigen Eder‑Rieder in WK² StGB § 142 Rz 56 f; Flora in Leukauf/Steiniger StGB 4 § 142 Rz 28 f; RIS‑Justiz RS0094403; RS0094365).

Soweit die Rüge schließlich die Konstatierung, wonach der Angeklagte dem Opfer eine „möglichst große Menge Bargeld“ wegnehmen wollte (US 6), als unzulässige Vermutung zu Lasten des Angeklagten kritisiert, bekämpft sie neuerlich bloß – in diesem Rahmen unzulässig – die Beweiswürdigung des Erstgerichts (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0090551).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde ergibt (§ 285i, § 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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