OGH 15Os60/14h

OGH15Os60/14h8.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Markus D***** und Nenad R***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 2014, GZ 42 Hv 30/13g‑76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00060.14H.0708.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I./ und II./ und demgemäß auch in den die Angeklagten D***** und R***** betreffenden Strafaussprüchen sowie in der Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthält, wurden Markus D***** und Nenad R***** - jeweils als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall StGB ‑ des Verbrechens des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungsgesetz nach § 153d Abs 1 und 2 StGB (II./), Markus D***** überdies des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB (I./) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

I./ „Markus D***** im Zeitraum Februar 2009 bis August 2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem diesbezüglich abgesondert verfolgten Nenad R***** den vorsatzlosen Peter F***** als Einzelunternehmer des nicht protokollierten Einzelunternehmens 'Peter F*****', welches Schuldner mehrerer Gläubiger war, dadurch, dass er sich von diesem die vereinnahmten Gelder bar aushändigen ließ, um Verbindlichkeiten des Unternehmens zu begleichen, dies jedoch nicht zur Gänze ausführte, wodurch ein Fehlbetrag von 100.000 Euro entstand, dazu bestimmt, Bestandteile des Vermögens des Unternehmens beiseite zu schaffen und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger vereitelt, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden in Höhe von 100.000 Euro herbeiführte;

II./ Markus D***** und Nenad R***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter im Zeitraum Februar 2009 bis Juli 2009 den vorsatzlosen Peter F***** als Dienstgeber dazu bestimmt, Beiträge zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger, nämlich der Wiener Gebietskrankenkasse im Gesamtbetrag von 89.788,87 Euro, sowie Zuschläge nach dem Bauarbeiter‑ Urlaubs‑ und Abfertigungsgesetz der Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungskasse im Gesamtbetrag von 79.515,76 Euro betrügerisch vorzuenthalten, indem sie den Genannten anwiesen, die Anmeldungen vorzunehmen, wobei schon die Anmeldung zur Sozialversicherung mit dem Vorsatz vorgenommen wurde, keine ausreichenden Beiträge zu leisten und Beiträge oder Zuschläge in einem 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß vorzuenthalten.“

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die von D***** auf Z 3, 5 und 5a, von R***** auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützt werden.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass den Schuldsprüchen I./ und II./ ungerügt gebliebene Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 StPO).

Nach den Urteilsannahmen wurden die für die von der „Peter F*****“ durchgeführten Aufträge erhaltenen Einnahmen von Peter F***** bar an den Erstangeklagten Markus D***** übergeben, der damit die Löhne ausbezahlen sowie Verbindlichkeiten des Unternehmens begleichen sollte. Insbesondere sollten mit den Kundenzahlungen auch die Abgaben für die Wiener Gebietskrankenkasse sowie die Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungskasse geleistet werden. Von den Einnahmen von insgesamt rund 293.200 Euro behielten der Erst‑ und der Zweitangeklagte R***** rund 100.000 Euro ein (I./; US 7).

Die jeweiligen An‑ und Abmeldungen der Arbeitnehmer führte der Steuerberater Mag. H***** anhand von handschriftlichen Notizen, auf welchen die Daten der jeweiligen Dienstnehmer angeführt waren, durch. Diese Notizen wurden vom Erst- und Zweitangeklagten erstellt und an F***** übergeben, der sie in weiterer Folge dem Steuerberater überbrachte. Seit Unternehmensgründung kam F*****, dem D***** und R***** vorgetäuscht hatten, die Zahlungen zu übernehmen, weder den Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, von Beiträgen nach dem Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungsgesetz, von Lohnzuschlägen, Lohnsteuer noch sonstigen Abgaben nach (II./; US 8). Zur subjektiven Tatseite bei F***** finden sich diesbezüglich keine Konstatierungen.

Das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 StGB (I./) ist ein unrechtsgeprägtes Sonderdelikt (§ 14 Abs 1 StGB), macht das Gesetz doch die Strafbarkeit von besonderen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des Täters (Schuldner mehrerer Gläubiger) abhängig, die das Unrecht der Tat betreffen ( Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 3; Fabrizy in WK 2 StGB § 14 Rz 11).

Für die Strafbarkeit des extranen Bestimmungstäters genügt es nicht, dass der intrane unmittelbare Täter vorsatzlos gehandelt hat (vgl Fabrizy in WK 2 StGB § 14 Rz 17), vielmehr muss der unmittelbare Täter selbst „in bestimmter Weise“ (§ 14 Abs 1 zweiter Satz StGB) an der Tat mitgewirkt haben ( Kienapfel/Höpfel/Kert, AT 14 E 7 Rz 32 ff; vgl zum Tatbestand der Untreue auch Fabrizy , StGB 11 § 153 Rz 7; Kirchbacher in WK 2 StGB § 153 Rz 44); das deliktstypische Unrecht enthält dabei eine subjektive Komponente. Da ein Gutteil der Begehungsformen der Vermögensverringerung („verheimlicht“, „beiseite schafft“, „vorschützt“, „zum Schein verringert“ sowohl sprachlich als auch nach derem materiellen Gehalt ein vorsätzliches Handeln erfordert, kommt der Tatbestand nur bei vorsätzlicher Mitwirkung des Intraneus zustande (vgl Fabrizy in WK 2 StGB § 14 Rz 10, 15; Kienapfel/Höpfel/Kert, AT 14 E 7 Rz 33; RIS‑Justiz RS0116032). Für diese Auslegung spricht auch, dass ein Handeln des Extraneus ohne Einverständnis mit dem (demnach vorsatzlosen) Schuldner einer Sanktionierung nach § 157 StGB unterliegt. Zufolge des Fehlens diesbezüglicher Konstatierungen (US 7, 13) ist zu I./ eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 156 StGB nicht möglich.

Nichts anderes gilt für das Vergehen oder Verbrechen des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungsgesetz nach § 153d StGB (II./). Auch dieses ist ein unrechtsgeprägtes Sonderdelikt („Dienstgeber“; Kirchbacher in WK 2 StGB § 153d Rz 9). Für die Strafbarkeit des extranen Bestimmungstäters ist auch hier zu verlangen, dass der Intraneus „in bestimmter Weise“ (§ 14 Abs 1 zweiter Satz StGB) an der Tat mitgewirkt, dh die Anmeldung der Dienstnehmer dolos vorgenommen hat („betrügerisch vorenthält“; vgl neuerlich Fabrizy in WK 2 StGB § 14 Rz 10, 15; Kienapfel/Höpfel/Kert, AT 14 E 7 Rz 33; RIS‑Justiz RS0116032). Dementsprechende Feststellungen sind den Gründen aber nicht zu entnehmen (US 8), sodass auch zu II./ ein Rechtsfehler mangels Feststellungen vorliegt.

Diese Defizite an Feststellungen zu den Schuldsprüchen I./ und II./ machen die Aufhebung und Verweisung an das Landesgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung erforderlich.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt anzumerken: Unter der Prämisse, dass die Tatrichter auch im zweiten Rechtsgang zur Annahme eines vorsatzlosen Handelns des Drittangeklagten gelangen, wird zu I./ eine allfällige Strafbarkeit nach § 157 StGB (Schädigung fremder Gläubiger) zu prüfen sein. Das Vorliegen der subjektiven Tatseite vorausgesetzt könnten zu I./ und II./ dann auch die Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB (vgl US 7 f) oder des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB in Betracht kommen.

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