OGH 15Os55/08i

OGH15Os55/08i26.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 19. November 2007, GZ 436 Hv 1/07f-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard A***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in der Zeit vom 10. Juli 2006, ca 23.30 Uhr, bis 11. Juli 2006, ca 2.30 Uhr, in Wien Pamela T***** in wiederholten Angriffen mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie an den Oberarmen umklammerte und ihr ein Brotmesser am Hals ansetzte, wobei er gleichzeitig äußerte: „so jetzt bist du dran", ihr einen Schal um den Hals legte und derart fest zuzog, dass Pamela T***** nach Luft rang, sie weiters mit dem Schal würgte und äußerte: „heute bist du dran, egal was nachher passiert und wenn du dich weiter wehrst, mir ist es wurscht, schneid ich dir die Kehle durch; ich sag dir ganz ehrlich und wenn du kalt bist, fahr ich auch noch auf dich drauf" und „jetzt bist dran, jetzt mach ich mit dir, was ich will", wobei er sie an den Haaren zog und ihren Kopf mit Gewalt zu seinem Penis führte und sie derart zur Durchführung eines Mundverkehrs und danach unter ständigem Würgen und verbalen Drohungen zur mehrfachen Duldung des Geschlechtsverkehrs und eines Analverkehrs zwang, wobei die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde, gemäß § 336 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft bekämpft diesen Freispruch mit einer auf die Gründe der Z 5, 8, 10 und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 5), mit welcher die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 25. Juni 2007 (ON 64) gestellten Antrags auf Vernehmung des Univ.-Prof. Dr. Paul S***** und der „erstbehandelnden Ärzte im AKH Prof. H***** und Dr. F*****" (nämlich zum Beweis dafür, „dass die in den Protokollen angeführten Verletzungen der Pamela T***** frisch waren" [s S 403 f/I]) thematisiert wird, scheitert schon am Erfordernis der Antragstellung in der nach § 276a StPO am 19. November 2007 wiederholten Hauptverhandlung (ON 79). Als Hauptverhandlung iS der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO gilt nämlich nur diejenige, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangeht (vgl Danek, WK-StPO § 276a Rz 10 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310; RIS-Justiz RS0099049).

Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549).

Indem die Instruktionsrüge der Staatsanwaltschaft bloß pauschal behauptet, dass die Rechtsbelehrung „in ihrem Gesamtbild mangelhaft erscheint", fehlt es ihr aber an einer solchen deutlichen und bestimmten Bezeichnung des angeführten Nichtigkeitsgrundes. Ebenso entbehrt das weitere Beschwerdevorbringen der Anklagebehörde - „die einzelnen Begriffsbestimmungen des § 201 StGB" seien „nicht für einen Laien sichtbar erörtert und für einen Laien nicht ausreichend mit Beispielen belegt" worden - jeglicher Konkretisierung, welche Ausführung(en) der schriftlichen Rechtsbelehrung (oder welche Lücken darin) diese ihrer Meinung nach zu einer unrichtigen machen. Da sich die Beschwerde solcherart insgesamt in der bloß abstrakten Behauptung einer Unrichtigkeit der Instruktion erschöpft, verfehlt sie die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung.

Gleiches gilt für das lapidare Vorbringen, „insbesondere unter Hinweis auf die in der Niederschrift der Geschworenen aufscheinenden Begründungen für den Freispruch, wäre richtigerweise ein Berichtigungsverfahren einzuleiten gewesen" (Z 10 zweiter Fall). Ein bei der Abstimmung unterlaufenes Missverständnis (§ 332 Abs 4 StPO) wird nicht einmal behauptet.

Die prozessordnungsgemäße Ausführung der Rechtsrüge (Z 11 lit a) setzt schließlich voraus, dass an den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen festgehalten und auf dessen Grundlage ein Rechtsirrtum dargetan wird. Ein derartiger Rechtsirrtum muss demnach aus dem Wahrspruch selbst abgeleitet werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613 iVm 581).

Diesen gesetzlichen Anfechtungsrahmen verfehlt die Beschwerdeführerin, indem sie lediglich vorbringt, dass aufgrund - nicht näher umschriebener - mangelnder Feststellungen eine „richtige Entscheidung über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine strafbare Handlung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB verwirkliche und von diesem begangen worden sei, nicht möglich war und zu Unrecht ein Freispruch aufgrund einer falschen Beurteilung erfolgt ist".

Bleibt in diesem Zusammenhang abschließend darauf hinzuweisen, dass mit der Verneinung an sie gerichteter Schuldfragen die Geschworenen auch die darin enthaltenen entscheidenden Tatsachen verneinen; aus welchen Erwägungen dies geschieht, ist der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren ebenso entzogen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 616) wie die Nichtanwendung der Regelungen über die Aussetzung der Entscheidung (§ 334 StPO; 9 Os 52/81).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - wie auch die von der Anklagebehörde angemeldete, mangels eines Strafausspruchs jedoch gegenstandslose Berufung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

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