OGH 15Os51/10d

OGH15Os51/10d11.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann U***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 und 12 dritter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 3. Februar 2010, GZ 12 Hv 5/10i-141, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, im Umfang der Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsenen und einen - verfehlt in Beschlussform ergangenen - Vorbehalt selbständiger Verfolgung gemäß § 263 Abs 2 StPO enthaltenden Urteil wurde Johann U***** des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) gewerbsmäßigen und schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritte Alternative StGB (A./ und B./) und des Vergehens der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 3 StGB (C./) schuldig erkannt.

Soweit hier von Relevanz hat er

A./ in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch wiederholte Täuschung über Tatsachen, nämlich den Anfall von Berge-, Abtransport- und weiteren Kosten (I./), dem Vorliegen von Versicherungsfällen (II./) und seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit (IV./), nachgenannte Personen und Angestellte von Versicherungsunternehmen zu Handlungen verleitet oder zu verleiten versucht, die diese am Vermögen schädigten, wobei er bei den zu I./ geschilderten Straftaten zur Täuschung falsche Urkunden oder falsche Beweismittel benutzte, und zwar

I./ Berechtigte der A***** AG zur Zahlung nachangeführter behaupteter Kosten, nämlich

2./ Ende Juni 2006 zur Auszahlung von 1.305,35 Euro;

3./ Ende Juli 2006 zur Auszahlung von 1.000 Euro;

4./ am 5. Juli 2007 zur Auszahlung von 1.075,20 Euro;

5./ am 24. August 2007 zur Auszahlung von 3.897,60 Euro;

6./ Ende Juni 2008 zur Auszahlung von 11.968 Euro;

7./ am 21. August 2008 zur Auszahlung von 13.672 Euro, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

8./ am 2. Februar 2009 zur Auszahlung von überhöhten Versicherungsleistungen von zumindest mehr als 50.000 Euro, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

II./ Berechtigte der Ö*****

1./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 442 Euro;

2./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 145 Euro;

3./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 145 Euro;

4./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 154 Euro;

5./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 397 Euro;

6./ am 17. August 2008 zur Auszahlung von 1.040 Euro;

7./ am 17. August 2008 zur Auszahlung von 245 Euro;

8./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 289 Euro;

9./ am 17. August 2008 zur Auszahlung von 310 Euro;

10./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 280 Euro;

11./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 145 Euro;

12./ am 6. Dezember 2007 zur Auszahlung von 145 Euro.

Hingegen wurde der Angeklagte von der weiters gegen ihn erhobenen Anklage, er habe weitere Betrugshandlungen begangen, und zwar

A./ in Oberdrauburg

I./ zum Nachteil der A***** AG, nämlich

1./ Ende Juni 2006 zur Auszahlung von 4.151,05 Euro;

2./ zur Auszahlung von (weiteren) 1.866,71 Euro;

3./ Ende Juli 2006 zur Auszahlung von (weiteren) 7.544,76 Euro;

4./ am 5. Juli 2007 zur Auszahlung von (weiteren) 3.648,02 Euro;

5./ am 24. August 2007 zur Auszahlung von (weiteren) 7.640 Euro;

6./ Ende Juni 2008 zur Auszahlung von (weiteren) 10.985 Euro;

7./ am 21. August 2008 zur Auszahlung von (weiteren) 7.140 Euro, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

II./ zum Nachteil der Ö*****

1./ ab einem unbestimmbaren Datum im Jahr 2007 bis Dezember 2008 zur Auszahlung von (weiteren) 7.652 Euro;

2./ am 21. Februar 2009 durch eine weitere Schadensmeldung, wodurch ein Schaden unbekannter Höhe beabsichtigt war und die Tat beim Versuch geblieben ist,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die zu A./I./2./ bis 7./ und II./ ergangenen Freisprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB „auch im Umfang der angefochtenen Freisprüche“ abzielt.

Vorauszuschicken ist, dass sich die Teilfreisprüche A./I./2./ bis 7./ in unzulässiger Weise auf den bloßen Strafzumessungsaspekt der Schadenshöhe beziehen. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte anlässlich der Meldung von Versicherungsfällen mehrere Rechnungen („sämtliche Unterlagen“) vorgelegt, die teilweise Lugurkunden waren (US 11 bis 16). Das Erstgericht gelangte hinsichtlich jener geltend gemachten Aufwendungen, die in Wahrheit gar nicht angefallen sind (etwa Bergerechnungen), zu den Schuldsprüchen A./I./2./ bis 7./ und in Bezug auf das Mehrbegehren („weitere“ Geldbeträge) im Umfang jener Fakturen, in denen tatsächlich getätigte Leistungen (etwa Tierarztkosten) verzeichnet worden waren, gemäß § 259 Z 3 StPO zu den - hinsichtlich der Tatzeitpunkte demgemäß korrespondierenden - Teilfreisprüchen A./I./2./ bis 7./.

Schuld- und Freispruch beziehen sich auf die Tat, also auf das unter Anklage gestellte historische Geschehen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 523). Nach den Grundsätzen der tatbestandlichen Handlungseinheit sind die Ausführungen des Schöffengerichts, welche anlässlich der jeweiligen Tathandlungen uno actu vorgelegten Belege reell waren und welche nicht, solche zur Schadenshöhe (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 3; Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 104 ff).

Ein Freispruch, der keine selbständige Tat, sondern bloß einen Strafzumessungsaspekt betrifft, ist verfehlt (RIS-Justiz RS0120128, RS0117261, RS0115553 [T6], RS0098472; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 2 mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 564).

Dennoch ergangene Freisprüche sind als prozessual unbeachtlich einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (vgl RIS-Justiz RS0099034). Eine allenfalls unrichtige Ermittlung der Schadenshöhe kann - falls davon keine Qualifikationsgrenze betroffen ist - nur mit Berufung bekämpft werden (vgl RIS-Justiz RS0099847; Fabrizy StPO10 § 281 Rz 1a).

Im Umfang der Anfechtung der Teilfreisprüche A./I./2./ bis 7./ scheitert die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft daher schon am Fehlen einer Darlegung, weshalb den Beträgen im Umfang der - rechtlich verfehlten - Teilfreisprüche schuld- oder subsumtionsrelevante Bedeutung zukommen soll.

Rechtlich anders gelagert sind die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls angefochtenen Teilfreisprüche A./II./1./ und 2./.

Aus dem Kontext der Entscheidungsgründe (US 20 vorletzter Absatz, 40 f) mit den dazu in Klammer angeführten Aktenstellen ergibt sich, dass Teilfreispruch A./II./1./ vier Schadensmeldungen vom 23. Dezember 2008 über bei einem durch Schneedruck verursachten Stalleinsturz getötete Tiere betrifft (Zeugenaussage Hubert G***** S 50 f in ON 140 iVm ON 28 Positionen 1, 6, 13, 16). Teilfreispruch A./II./2./ wiederum korrespondiert mit der unter demselben Gliederungsbegriff angeklagten Tat (Anklageschrift ON 103).

Diese Teilfreisprüche beziehen sich somit auf in prozessualer Hinsicht selbständige Taten, von denen (ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einer Subsumtionseinheit gemäß § 29 StGB) formal zu Recht freizusprechen war (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 8; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568).

Weshalb im Unterlassen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite im freisprechenden Teil ein Begründungsmangel des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen gelegen sein soll, wird von der „an die obigen Ausführungen (gemeint: zur Rechtsrüge) anknüpfenden“ Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht deutlich und bestimmt erklärt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO). Sie verkennt, dass Unvollständigkeit in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes allein die Begründungsebene betrifft (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertritt unter Hinweis auf „§ 61 iVm § 6 VersVG“ die Ansicht, „auf Grund des festgestellten Betrugsvorsatzes und der Vorlage falscher Beweismittel bzw Urkunden bei sämtlichen freigesprochenen Fakten“ sei von einer gänzlichen Leistungsfreiheit der Versicherer auszugehen.

Insoweit sich dieses Vorbringen auf die Teilfreisprüche A./I./2./ bis 7./ bezieht, erübrigt sich - unter Verweis auf die obigen Ausführungen hiezu - eine inhaltliche Erwiderung.

Hinsichtlich der Teilfreisprüche A./II./ verfehlt die Rechtsrüge die prozessordnungsgemäße Ausführung, weil sie die Konstatierungen übergeht, denen zufolge der Angeklagte anlässlich dieser Schadensmeldungen ausschließlich inhaltlich richtige Urkunden vorlegte (US 20 vorletzter Absatz, 41 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

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