OGH 15Os44/24w

OGH15Os44/24w15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3, 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 312 Hv 82/23v des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 8. Jänner 2024, GZ 312 Hv 82/23v‑22.5, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Ramusch, LL.M., LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00044.24W.0515.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Jugendstrafsachen

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 8. Jänner 2024, GZ 312 Hv 82/23v‑22.5, verletzt

‑ im Schuldspruch I./ § 130 Abs 2 zweiter Fall iVm Abs 1 erster Fall StGB sowie § 270 Abs 4 Z 2 StPO und

‑ im Strafausspruch § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der Unterstellung der dem Angeklagten zu I./ zur Last liegenden Taten (auch) unter § 130 Abs 2 zweiter Fall iVm Abs 1 erster Fall StGB, demzufolge auch in der zu diesem Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form (§ 270 Abs 4 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO) ausgefertigtem Urteil vom 8. Jänner 2024, GZ 312 Hv 82/23v‑22.5, erkannte das Landesgericht Korneuburg * G* des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3, 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB (I./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II./) schuldig und verurteilte diesen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (US 3).

[2] Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat G*

I./ Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch in ein Gebäude sowie durch Aufbrechen eines Behältnisses und einer Sperrvorrichtung weggenommen bzw dies versucht, und zwar

1./ in H* gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten * K*

a./ am 22. September 2023

aa./ * W* Sperrmüll in einem nicht mehr feststellbaren Wert und

ab./ * B* ein Mountainbike im Wert von 500 Euro, „indem sie gemeinsam den Tatentschluss fassten und das Fahrradschloss durchtrennten und * G* mit dem Fahrrad wegfuhr, während * K* ihm die Flucht ermöglichte“;

b./ am 24. September 2023 Mitgliedern des Bogensportvereins H* Gegenstände aus dem Vereinshaus, „indem sie gemeinsam den Tatentschluss fassten und * G* das Täterfahrzeug lenkte, während * K* über den Zaun zum Gelände des Bogensportvereins kletterte“, wobei es beim Versuch blieb;

3./ am 10. November 2023 in J* * D* durch Aufbrechen einer Handkasse 60 Euro Bargeld;

II./ […] (US 2 f).

[3] Die Darstellung der diesbezüglich als erwiesen angenommenen Tatsachen (§ 488 Abs 1 StPO iVm § 270 Abs 4 Z 2 StPO) beschränkt sich auf den Hinweis, dass „[der] Angeklagte […] die im Spruch angeführten Taten mit dem vom Gesetz geforderten Vorsatz“ beging (US 4).

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 8. Jänner 2024, GZ 312 Hv 82/23v‑22.5, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

[5] Gemäß der auch für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter geltenden (§ 488 Abs 1 StPO) Bestimmung des § 270 Abs 4 StPO hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe (Z 1) sowie im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (Z 2) zu enthalten. Aus einer gekürzten Urteilsausfertigung muss insgesamt – also unter Einbeziehung des Referats der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) – hervorgehen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden wurde, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, sohin unter Anführung der für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0125764; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 60).

[6] Eine der Voraussetzungen gewerbsmäßiger Begehung nach § 70 StGB ist, dass der Täter die Tat in der Absicht ausführt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen – somit ein solches, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt (§ 70 Abs 2 StGB) – zu verschaffen.

[7] Fallaktuell enthalten weder der Urteilstenor (US 2 f) noch die darauf verweisende Darstellung der als erwiesen angenommenen Tatsachen (US 4) Annahmen, aus denen sich dieses subjektive Merkmal gewerbsmäßiger Tatbegehung ableiten ließe.

[8] Solcherart verletzt die dennoch erfolgte Unterstellung des dem Angeklagten zu I./ angelasteten Verhaltens (auch) unter § 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB das Gesetz. Dass das in gekürzter Form ausgefertigte Urteil diese entscheidenden Tatsachen nicht nennt, verletzt des Weiteren § 270 Abs 4 Z 2 StPO.

[9] Das Urteil steht außerdem in seinem Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[10] Indem das Landesgericht Korneuburg bei der Strafbemessung von einem Strafrahmen nach § 130 Abs 2 StGB ausging (US 3) und § 19 Abs 1 JGG unberücksichtigt ließ, obwohl der Angeklagte „im Zeitpunkt der Tatbegehung unter 21 war“ (US 4), überschritt das Gericht seine Strafbefugnis zum Nachteil des Angeklagten. Der Strafausspruch verletzt daher in Bezug auf den nicht angewendeten Entfall des Mindestmaßes der angedrohten Freiheitsstrafe das Gesetz in § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG (vgl Schroll in WK² JGG § 5 Rz 26, § 19 Rz 3).

[11] Da ein dem Angeklagten nachteiliger Einfluss dieser Gesetzesverletzung nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

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