OGH 15Os41/18w

OGH15Os41/18w23.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Horst W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. Jänner 2018, GZ 25 Hv 125/17d‑38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00041.18W.0523.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Horst W***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (A./I./ und A./II./1./), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 2 StGB (A./II./2./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./III./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 1, 15 StGB (A./IV./1./ und A./IV./2./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./V./), des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (A./VI./), des Vergehens der sexuellen Belästigung nach §§ 15, 218 Abs 1a StGB (A./VII./) sowie der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3a StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in R***** und W*****

A./

III./

zwischen Sommer/Herbst 2016 und Anfang August 2017 außer zeitlicher Konnexität zu den zu A./I./, A./II./1./ und A./II./2./ beschriebenen Tathandlungen mit seiner am 25. April 2005 geborenen, mithin unmündigen Tochter Filiz W***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar

1./ in zwei Angriffen, indem er ihr seinen entblößten Penis vorhielt und sie aufforderte, diesen in den Mund zu nehmen, wobei sie den Penis ein Stück in den Mund einführte, wobei sein Ansinnen erkennbar darauf ausgerichtet war, an sich den Oralverkehr vornehmen zu lassen, sowie in einem dritten Angriff im Zuge der Durchführung eines wechselseitigen Oralverkehrs, indem sie den Penis ein Stück in den Mund einführte;

2./ in einem Fall, indem er mit seinem Finger mit Penetrationsvorsatz an ihrem Anus ansetzte und auch probierte, mit dem Finger einzudringen;

...

V./

zwischen Sommer/Herbst 2016 und Anfang August 2017 in zumindest einem Angriff bei einer zu A./III./1./ beschriebenen Tathandlung Filiz W***** mit Gewalt zur Vornahme der dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er, als sie sich weigerte, seinen entblößten Penis in den Mund zu nehmen, ihren Hinterkopf erfasste und sie nach unten zu seinem Penis drückte, wodurch sie verhalten war, diesen ein Stück in den Mund zu nehmen;

VI./

am 17. August 2017 mit der am 27. April 2002 geborenen, mithin minderjährigen Selina T*****, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber durch Betasten ihrer Brüste eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

VII./

am 17. August 2017 nach einer gewissen Zeitspanne zu der zu A./VI./ geschilderten Tathandlung und aufgrund eines neuerlichen Tatentschlusses Selina T***** durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde zu verletzen versucht, indem er mit seiner linken Hand unter ihre Shorts fuhr und gezielt danach trachtete, ihr Gesäß intensiv zu berühren, wobei die Tat nur deshalb beim Versuch blieb, weil Selina T***** seine Hand wegschob;

B./

von 8. Oktober 2016 bis Anfang/Mitte August 2017 in wiederholten Angriffen im Internet wissentlich auf pornographische Darstellungen mündiger und unmündiger Minderjähriger zugegriffen, indem er 31 Dateien mit kinderpornographischen Darstellungen unmündiger und mündiger Minderjähriger auf dem von ihm verwendeten Laptop zum Zweck der Betrachtung hochlud.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche A./III./2./, A./V./, A./VII./ und B./ mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn ein Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099547). Eine solche behauptet die Mängelrüge in Bezug auf A./III./2./, weil nach den tatrichterlichen Erwägungen die Zeugin W***** angegeben hätte, sie habe „bemerkt“, dass der Angeklagte einmal mit einem Finger „in ihren Popo“ hineinfahren wolle (US 19), sie tatsächlich aber bei ihrer polizeilichen Befragung ausgesagt hätte, sie habe dies „gesehen“ (ON 6 S 9). Die Beschwerde übersieht dabei, dass die Tatrichter die Deposition der Zeugin nicht wörtlich wiedergegeben haben, sondern die Aussage in vertretbarer Weise (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468), ohne ihr in ihren wesentlichen Teilen einen anderen Inhalt zu unterstellen, derart zusammengefasst haben, dass sie die Tathandlung „bemerkt“ hat (vgl auch ihre Angaben in der kontradiktorischen Vernehmung, sie habe den Ansatz zur Penetration an ihrem Anus gespürt; ON 23 S 121),

Dass das Unterbleiben einer unmittelbaren Antwort des (zum Zeitpunkt der Befragung 12‑jährigen) Opfers auf die Frage, woher es wisse, dass der Angeklagte in dessen Anus eindringen wollte, im Urteil unerwähnt blieb, stellt schon angesichts des Gebots zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie der kurz danach erfolgten – vom Nichtigkeitswerber indes übergangenen – Aussage dieser Zeugin, wonach sie die versuchte Penetration am Anus gespürt habe und er (der Angeklagte) versucht habe, „so rein zu“ kommen (ON 23 S 121 f), keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) dar.

Entgegen dem Vorbringen zu A./VII./ ließ das Erstgericht die Aussage der Zeugin Selina T***** vor der Polizei (ON 2 S 20) nicht unberücksichtigt (US 24; Z 5 zweiter Fall). Warum ihre dort gemachten Angaben den tatrichterlichen Konstatierungen erörterungsbedürftig entgegenstehen könnten, sagt die Beschwerde nicht.

Indem der Nichtigkeitswerber die auf das äußere Tatgeschehen im Zusammenhalt mit den „vorangegangenen massiven Missbrauchshandlungen zum Nachteil seiner Tochter“ abstellende erstrichterliche Begründung (US 24, 30) zur Absicht des Angeklagten, das Gesäß der minderjährigen T***** „intensiv zu berühren“ (US 14), als – infolge einer „unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten“ – unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert und aus dem von der Zeugin T***** geschilderten äußeren Tatgeschehen andere Schlüsse zieht als die Tatrichter (vgl aber RIS-Justiz RS0099455), bekämpft er bloß in unzulässiger Weise die dem erkennenden Senat vorbehaltene Beweiswürdigung. Mit der– nicht näher begründeten – Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird gleichfalls keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).

Zu B./ behauptet der Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht die Ausführungen im Sachverständigengutachten übergangen habe, wonach das Abspeichern der verkleinerten Vorschau-Bilder für einen Laien ohne dessen Wissen und ohne direkten Zugriff auf diese geschehe. Diese Ausführungen waren jedoch angesichts der zuvor erfolgten Erklärung des Experten, dass diese verkleinerten Vorschau-Bilder von einem Bildbetrachtungsprogramm bei der Betrachtung der Originalbilder abgespeichert werden und ein deutliches Indiz dafür sind, dass ein Nutzer solche Bilder angezeigt bekommen hat (ON 3 in ON 29 S 63 und 65), nicht gesondert erörterungsbedürftig.

Soweit er überdies reklamiert, aus dem Umstand, dass er im Internet – aus zahlreichen Begriffen zusammengesetzte – Links aufgerufen habe, die eindeutig auf Kinderpornografie hinweisen, lasse sich ein wissentlicher Zugriff auf die inkriminierten Bilddateien ebenso wenig ableiten (Z 5 vierter Fall) wie aus seiner konstatierten pädophilen Neigung (in Bezug auf weibliche Minderjährige), aus den Missbrauchshandlungen gegenüber seiner Tochter oder aus der Tatsache, dass nur Bilder von weiblichen unmündigen und mündigen Minderjährigen gesichert werden konnten (US 30 f), bekämpft er ebenfalls die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen Schuld.

Mit dem Vorbringen, weder aus den Speicherpfaden noch aus dem übrigen Inhalt des Sachverständigengutachtens ergebe sich ein Hinweis auf den – im Übrigen keine entscheidende Tatsache betreffenden – Umstand, dass auf die inkriminierten Bilder mehrmals zugegriffen wurde, macht der Beschwerdeführer keine unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels und demnach keine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geltend, sondern kritisiert nur die von den Tatrichtern aus der Expertise mängelfrei gezogene Schlussfolgerung (RIS‑Justiz RS0099524).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die Beschwerde zu A./V./ Details der Aussage der Zeugin W***** im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 23 S 75 ff) der (leugnenden) Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (ON 37 S 7 ff) gegenüberstellt und behauptet, die polizeiliche Vernehmung des Tatopfers sei „offenbar nicht einmal ansatzweise hinterfragt“ worden (vgl aber die eingehenden Erwägungen des Erstgerichts zum Aussageverhalten US 20 ff), gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge zu A./V./ (Z 9 lit a; der Sache nach Z 10) legt nicht dar, weshalb das vom Erstgericht festgestellte, auf Vornahme des Oralverkehrs gerichtete Nötigungsverhalten, nämlich das Festhalten des unmündigen Opfers am Hinterkopf, wobei es – wenngleich nur „leicht“ – mit der Hand nach unten zum Glied des Angeklagten gedrückt wurde, sodass es den Penis in den Mund nehmen musste (US 11, 21 und 32), keine Gewaltanwendung im Sinn des § 201 Abs 1 StGB darstellen sollte (vgl RIS-Justiz RS0095776; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 201–202 RN 12, Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 13).

Soweit der Beschwerdeführer zu B./ das Fehlen von Feststellungen in Bezug auf die Wissentlichkeit des Hochladens und Öffnens pornographischer Darstellungen Minderjähriger reklamiert (Z 9 lit a), erklärt er nicht, welcher über die dazu – entgegen der Rüge unter ausreichendem Sachverhaltsbezug – getroffenen Konstatierungen (US 15 f) hinausgehender Urteilsannahmen (zur Wissenskomponente) es für eine aus Sicht des Angeklagten rechtsrichtige Subsumtion bedurft hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hierzu erstatteten Äußerung der Verteidigung – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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