OGH 15Os32/15t

OGH15Os32/15t29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin im Verfahren zur Übergabe des Eduart B***** zur Strafverfolgung an Italien, AZ 404 HR 233/14t des Landesgerichts Korneuburg, über den Antrag der betroffenen Person auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00032.15T.0429.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Im Verfahren zur Übergabe des Eduart B***** zur Strafverfolgung an Italien wurde mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 5. Oktober 2014 (ON 6) über den Betroffenen die Übergabehaft wegen des sich aus dem Europäischen Haftbefehl des Gerichts Florenz ‑ Untersuchungsrichteramt vom 18. September 2014, AZ N.3931/10 R.G.N.R.‑4821/13 R.G.G.I.P., ergebenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer grenzüberschreitenden kriminellen Vereinigung zum Handel mit Betäubungsmitteln und der sich über einen längeren Tatzeitraum erstreckenden Verstrickung in Suchtgifthandel mit sehr großen Mengen Kokain nach Art 81 italienisches Strafgesetzbuch, Art 73, 74, 80 D.P.R. Nr 309/90, Art 4 des Gesetzes Nr 146/06, mit einer Höchststrafdrohung von bis zu dreißig Jahren Freiheitsstrafe, verhängt. Konkret wird B***** angelastet, er habe sich zwischen August 2009 und Mai 2011 in Italien als Mitglied an einer grenzüberschreitenden kriminellen Vereinigung zum Handel mit Betäubungsmitteln dadurch beteiligt, dass er in mehreren Angriffen als Kurier insgesamt mehr als zehn Kilogramm Kokain an andere Mitglieder der Vereinigung übergeben habe.

Nach öffentlicher Übergabeverhandlung am 31. Oktober 2014 (ON 15) bewilligte die Einzelrichterin des Landesgerichts die Auslieferung des Eduart B***** an die italienischen Behörden zur Strafverfolgung im Sinn des Europäischen Haftbefehls. Das Oberlandesgericht Wien gab der dagegen gerichteten Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 27. Jänner 2015, AZ 22 Bs 354/14s (ON 25) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der als „Grundrechtsbeschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf des Eduart B*****. Dazu ist festzuhalten, dass sich die bekämpfte Beschwerdeentscheidung ausschließlich mit der Zulässigkeit der Übergabe zur Strafverfolgung an Italien, nicht hingegen mit der Übergabehaft befasst, und solcherart deren Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz nicht zulässig ist (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS‑Justiz RS0116089).

Angesichts der Behauptung einer Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht nach Art 8 MRK ist das sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts wendende Vorbringen jedoch der Sache nach als Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a Abs 1 StPO zu werten (RIS‑Justiz RS0116089 [T3, T4]), dem jedoch keine Berechtigung zukommt.

Das ‑ auch in der öffentlichen Übergabeverhandlung vom 27. Jänner 2015 vor dem Oberlandesgericht Wien angesprochene (ON 23 S 3) ‑ Vorbringen, der Beschwerdeführer sei britischer Staatsbürger, in Großbritannien sozial integriert und habe dort Familie, weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Auslieferung einer Person zur Strafverfolgung einen Eingriff in den Schutzbereich des Art 8 MRK darstellt, der nur unter den Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 MRK zulässig ist.

Bei der daher notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in Übergabesachen allerdings zu berücksichtigen, dass den Interessen der betroffenen Person nicht (allein) ‑ wie in Fällen der Ausweisung und Abschiebung ‑ das öffentliche Interesse des ausweisenden Staats an der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von künftigen Straftaten, sondern (auch) dasjenige des ersuchenden Staats an der Verfolgung bereits begangener Straftaten gegenübersteht (14 Os 87/10s), wobei der EGMR dem Strafverfolgungsinteresse bei Suchtgiftdelinquenz besonderes Gewicht beimisst (13 Os 156/11g mwN). Die Auslieferung einer Person, um für bestimmte Straftaten vor Gericht gestellt zu werden, wäre somit nur unter ‑ mit Blick auf die Art und Schwere der Eduart B***** zur Last liegenden Straftaten und das Fehlen besonderer Umstände in seiner persönlichen Sphäre gegenständlich nicht vorliegenden ‑ außergewöhnlichen Umständen unverhältnismäßig.

Der Erneuerungsantrag war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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