OGH 15Os32/09h

OGH15Os32/09h19.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Philipp I***** gegen die Antragsgegnerinnen Ö***** GmbH und M***** GmbH wegen §§ 6, 7 MedienG, AZ 92 Hv 146/07z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Philipp I***** gegen die Antragsgegnerinnen Ö***** GmbH und M***** GmbH wurden die Antragsgegnerinnen mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. März 2008, GZ 92 Hv 146/07z-35, zur Zahlung von Entschädigungen nach § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 MedienG sowie gemäß § 8a Abs 6 MedienG zu Urteilsveröffentlichungen verpflichtet, weil durch 17 verschiedene Berichte in der Tageszeitung „Ö*****", im periodischen Druckwerk „M*****" und auf den Internet-Seiten http://www.o*****.at und http://www.m*****.at der Sache nach behauptet worden war, der Antragsteller habe seine Ehe mit Doris I***** gebrochen, indem er eine außereheliche Beziehung mit Dr. Andrea K***** eingegangen sei, wodurch in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich des Antragstellers in einer Weise erörtert und dargestellt worden ist, die geeignet war, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen und dadurch der objektive Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB verwirklicht worden ist.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts sprach Mag. Philipp I***** nicht mit Medienvertretern über seine Beziehung zu Dr. Andrea K***** bzw über das Scheitern seiner Ehe. Er verweigerte dazu stets jeden Kommentar. Dr. Andrea K***** gestand im Rahmen der Ö3-Sendung „Frühstück bei mir" am 27. August 2007 zu, von ihrem Ehemann Dr. Richard K***** geschieden zu sein und einen neuen Freund zu haben. Die Frage, ob dies Mag. Philipp I***** sei, beantwortete Dr. Andrea K***** nicht.

Der Antragsteller wurde auf die Berichterstattung über das Scheitern seiner Ehe wiederholt angesprochen und fühlte sich hiedurch peinlich berührt (US 52 f).

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht zum einen von einer Verwirklichung des Tatbestands nach § 6 Abs 1 MedienG aus, weil das Unterhalten einer ehewidrigen Beziehung den Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens im Sinn des § 111 Abs 1 StGB darstelle. Zum anderen lägen auch die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 MedienG vor, weil durch die Mitteilung, der Antragsteller habe als verheirateter Mann eine ehewidrige Beziehung unterhalten, worunter seine Ehefrau gelitten habe, das Familien- und Sexualleben des Antragstellers, sohin dessen höchstpersönlicher Lebensbereich, in einer Weise erörtert worden sei, die geeignet war, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Der Wahrheitsbeweis nach § 7 Abs 2 Z 2 MedienG sei nicht aufzunehmen gewesen, weil trotz des Umstands, dass es sich bei der neuen Partnerin des Antragstellers um eine Bundesministerin gehandelt habe, ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben nicht bestehe. Aus diesem Grund sei auch die Aufnahme des Wahrheitsbeweises nach § 6 Abs 2 lit a MedienG ausgeschieden (§ 6 Abs 3 MedienG).

Das Oberlandesgericht Wien gab der dagegen gerichteten Berufung der Antragsgegnerinnen mit Urteil vom 17. Dezember 2008, AZ 17 Bs 215/08d, nicht Folge, erkannte jedoch in Stattgebung der Berufung des Antragstellers hinsichtlich zweier weiterer gleichartiger Berichte auf weitere Entschädigungszahlungen.

Mit dem vorliegenden Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO (RIS-Justiz RS0122228) behaupten die Antragsgegnerinnen nunmehr eine Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK. Der Antragsteller und Dr. K***** hätten ihre Liebesbeziehung durch gemeinsame Auftritte öffentlich zur Schau gestellt. Deshalb sei das berichtete Verhalten - ungeachtet dessen, dass der Antragsteller nicht mit Medienvertretern darüber gesprochen habe - nicht mehr Bestandteil seines höchstpersönlichen Lebensbereichs und nicht mehr zur Bloßstellung geeignet. Zudem liege der Haftungsausschlussgrund des „überwiegenden öffentlichen Interesses" vor, weil der Antragsteller medial bekannt, zumal bereits zuvor berufsbedingt „in die Schlagzeilen geraten" sei, und weil Dr. K***** einer Partei angehöre, die christlich-soziale Werte vertrete. Weil der durchschnittliche Medienkonsument „Verständnis dafür, dass außereheliche Beziehungen zu einer Scheidung führen können", habe, sei auch der Tatbestand nach § 6 Abs 1 MedienG nicht verwirklicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Erneuerungsantrag schlägt fehl; eine Verletzung des Art 10 Abs 1 MRK liegt nicht vor.

Wird in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich eines Menschen in einer Weise erörtert oder dargestellt, die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen, so hat der Betroffene nach § 7 Abs 1 MedienG gegen den Medieninhaber einen Anspruch auf Entschädigung.

Diese, die beiden anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale (höchstpersönlicher Lebensbereich, Bloßstellungseignung der medialen Darstellung) nach Art eines beweglichen Systems miteinander verschränkende Regelungstechnik verdeutlicht, dass der Schutzbereich des § 7 Abs 1 MedienG nicht statisch auf den engsten Kreis der menschlichen Intimsphäre beschränkt ist. Da nämlich bei Angelegenheiten der intimsten Sphäre bereits jede Informationsteilhabe durch Außenstehende per se eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs bedeutet, mithin bereits die mediale Indiskretion ohne weiteres bloßstellend wirkt, wäre diesfalls die gesonderte Umschreibung des spezifischen Verletzungstatbestands nach § 7 MedienG durch Hinzufügung des Tatbestandsmerkmals der Bloßstellung entbehrlich. Daraus folgt, dass vom Schutzbereich des § 7 Abs 1 MedienG - freilich unter der Voraussetzung der konkreten Eignung der Art und Weise der medialen Erörterung oder Darstellung zur Bloßstellung - auch nicht der engsten Intimsphäre zuzuordnende Angelegenheiten des Privatlebens, mithin auch Gegebenheiten der sogenannten „Privatöffentlichkeit" erfasst werden, nämlich privates Handeln in öffentlichen Räumen, das gleichwohl in abgegrenzten Bereichen stattfindet, die eine gewisse Vertraulichkeit vermitteln und die bei objektiver Betrachtung nicht für die Anteilnahme einer unbegrenzten Öffentlichkeit bestimmt sind (vgl 15 Os 175/08m = MR 2009, 11).

Solcherart werden Gegebenheiten der bezeichneten „Privatöffentlichkeit" nur in zweierlei Hinsicht nicht vom Schutzbereich des § 7 Abs 1 MedienG erfasst: Zum einen, wie sich bereits aus dem zuletzt genannten Definitionsmerkmal der „Privatöffentlichkeit" ergibt, in Anbetracht eines vom Betroffenen selbst - als Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechts über das der Umwelt eröffnete Persönlichkeitsbild (vgl Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz [1982] 301; ders, Persönlichkeitsschutz und Massenmedien im Lichte der Grundfreiheiten und Menschenrechte, Rz 54, in: Koziol/Warzilek [Hrsg], Persönlichkeitsschutz gegenüber Massenmedien [2005]), solchermaßen explizit - an die mediale Öffentlichkeit adressierten Verhaltens (Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 7 Rz 14). Zum anderen im Fall einer nicht zur Bloßstellung geeigneten, nämlich das Privatleben durch die Art und Weise der Erörterung oder Darstellung nicht entfremdenden, auf die schlichte Informationsweitergabe beschränkten distanzierten Berichterstattung (Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz [1982] 312 f, 315; ders in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 7 Rz 20).

Diesen Kriterien zufolge ist der Inhalt der inkriminierten Medienberichte jedoch - ungeachtet des im Erneuerungsantrag behaupteten Verhaltens des Antragstellers und Dris. K***** - dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers zuzurechnen und geeignet diesen bloßzustellen.

Der (nur nach § 6, nicht aber § 7 MedienG normierte) Haftungsausschlussgrund des „überwiegenden öffentlichen Interesses" kommt - dem Erneuerungsantrag zuwider - hier schon deshalb nicht zum Tragen, weil er im Fall einer den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffenden Veröffentlichung gesetzlich gar nicht vorgesehen ist (§ 6 Abs 3 iVm Abs 2 Z 2 lit b MedienG).

Schließlich verkennt der Erneuerungswerber, dass der Vorwurf unehrenhaften Verhaltens hier jener des Ehebruchs an sich und nicht jener der daraus resultierenden Folgen ist, sodass ein behauptetes Verständnis der Öffentlichkeit dafür, dass „außereheliche Beziehungen zu einer Scheidung führen können" ohne Bedeutung ist.

Der Antragsintention zuwider sind die Gerichte zutreffend davon ausgegangen, dass durch die gegenständliche Berichterstattung der Antragsteller eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens im Sinn des § 111 Abs 1 StGB beschuldigt worden ist. Denn unbeschadet hoher Scheidungszahlen begegnet die Unterhaltung einer den Ehepartner emotional belastenden ehebrecherischen geschlechtlichen Beziehung nach wie vor gesellschaftlicher Ablehnung, unverändert stellt sie sogar eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG dar, die einen Scheidungsgrund bewirkt (vgl 14 Os 116/98; MR 2005, 232; Bertel/Schwaighofer BT I10 § 111 Rz 7; Kienapfel/Schroll BT I5 Rz 23).

Da demnach die Einschränkung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zum Schutz des guten Rufs und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art 10 Abs 2 MRK gesetzlich vorgesehen und im konkreten Fall auch erforderlich war, war der Erneuerungsantrag der Antragsgegnerin - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung der Antragsgegnerinnen - als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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