OGH 15Os31/16x

OGH15Os31/16x25.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Isep als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt W***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 14. Dezember 2015, GZ 630 Hv 5/15x‑15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00031.16X.0525.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt W***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Sommer 2010 in P***** an der am 17. April 1999 geborenen Michelle M*****, mithin an einer unmündigen Person, außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihr mit seiner Hand auf das Gesäß, zwischen die Beine und oberhalb ihrer Kleidung auf ihre Scheide griff und in weiterer Folge ihre Brüste oberhalb ihrer Kleidung betastete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die nominell auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Nichtzulassung der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung an die Zeugin Michelle M***** gestellten Frage, „wofür“ diese den Zuspruch von 4.000 Euro als Privatbeteiligte begehre (ON 14 S 54 f).

Sie scheitert bereits daran, dass – wiewohl anstelle des zuständigen Vorsitzenden (§ 249 Abs 2 StPO) der Schöffensenat die Frage untersagte – ein den Begründungserfordernissen entsprechender (vgl Danek/Mann , WK‑StPO § 238 Rz 7/1; RIS‑Justiz RS0118060), sinnliche Wahrnehmungen eines Zeugen zur Schuldfrage betreffender (RIS‑Justiz RS0097540, RS0097545) Antrag iSd § 238 Abs 2 StPO nicht gestellt worden war (RIS‑Justiz RS0099250).

Die in diesem Zusammenhang erhobene Behauptung einer – bei der Vernehmung der genannten Zeugin gezeigten – Voreingenommenheit des Vorsitzenden (der Sache nach Z 1 iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO) entzieht sich infolge Nichteinhaltung der entsprechenden Rügeobliegenheit in der Hauptverhandlung einer Überprüfung. Warum aus verschiedenen beweiswürdigenden Textstellen der Urteilsausfertigung zu schließen sei, dass sich der Vorsitzende bereits vor Urteilsfällung eine Meinung über den Fall gebildet habe und auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt gewesen sei, von dieser abzugehen (RIS‑Justiz RS0096733), legt die Beschwerde nicht dar.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist das Protokoll über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Michelle M***** (ON 3) rechtmäßig (§ 252 Abs 2a StPO) in der Hauptverhandlung vorgekommen (ON 14 S 63) und war demnach im Urteil zu berücksichtigen.

Entgegen dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Schöffengericht mit den teilweise divergierenden Aussagen der Zeugen Michelle M*****, Christine M***** und Mario M***** über die – den Angeklagten und die Tat betreffenden – Äußerungen der Erstgenannten ihren Eltern gegenüber hinreichend auseinandergesetzt (US 6, 11, 13 ff) und war dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend zu einer weitergehenden Erörterung nicht verhalten (vgl RIS‑Justiz RS0098377).

Keine entscheidenden Tatsachen werden mit der Behauptung einer die Feststellungen zu einem Aufsuchen des Hauses der Familie M***** durch den Angeklagten im Mai 2011 betreffenden Unvollständigkeit angesprochen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) beschränkt sich auf aus Erwägungen der Tatrichter abgeleitete Einwände, eigenständige beweiswürdigende Erörterungen, Hypothesen und Spekulationen, ohne durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Sie vermag daher keine aus den Akten abgeleiteten erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Tatsachenrügen, die in dieser Weise auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (vgl RIS‑Justiz RS0118780).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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