OGH 15Os27/95

OGH15Os27/9530.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Arif L***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 2 erster Fall und Abs 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Arif und Amir L***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Dezember 1994, GZ 4 b Vr 10290/93-240, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche der beiden Angeklagten enthält, wurden die mazedonischen Staatsangehörigen Arif und Amir L***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 2 erster Fall und Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt und zu Freiheits-, Geld- und Wertersatzstrafen verurteilt.

Inhaltlich des erstgerichtlichen Schuldspruchs in Verbindung mit den Urteilsfeststellungen haben sie in Bratislava und Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit nachgenannten abgesondert verfolgten sowie weiteren unbekannt gebliebenen Personen als Mittäter gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin, mit Beziehung auf ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmacht, aus der Slowakei aus-, nach Österreich eingeführt und in Verkehr gesetzt, indem

A. Arif L***** in Bratislava

1. von Dezember 1992 bis März 1993 in mehreren Angriffen dem Imer I***** insgesamt zumindest 1,8 kg teils persönlich übergab, teils durch unbekannte Taxilenker von Bratislava nach Wien bringen ließ,

2. im März 1993 dem Ilir G***** ca 113 Gramm durch einen unbekannten Taxilenker von Bratislava nach Wien bringen ließ,

3. im September 1993 in zwei Angriffen dem Lazar R***** und dem Adem A***** insgesamt ca 70 Gramm durch unbekannte Taxilenker von Bratislava nach Wien bringen ließ,

4. im März 1993 in zwei Angriffen dem Remzi T***** insgesamt ca 150 Gramm durch Veronika K***** von Bratislava nach Wien bringen ließ,

5. zwischen August 1993 und Oktober 1993 dem Kemalji I***** 200 Gramm überließ, der dieses Suchtgift sodann dem Fadil K***** durch einen unbekannten Taxilenker von Bratislava nach Wien bringen ließ;

B. Amir L*****

1. am 13.September 1993 dem Adem A***** 152 Gramm durch den Taxilenker Lubos E***** von Bratislava nach Wien bringen ließ,

2. im September oder Oktober 1993 dem Remzi T***** ca 100 Gramm überließ, der dieses Suchtgift sodann durch Veronika K***** und Monika Kr***** dem Dragan P***** von Bratislava nach Wien bringen ließ,

3. am 17.November 1993 ca 117 Gramm durch Veronika K***** und Monika Kr***** dem Dragan P***** von Bratislava nach Wien bringen ließ.

Rechtliche Beurteilung

Beide Angeklagten bekämpfen lediglich die sie betreffenden Schuldspruchsfakten A.1., 2., 3. und 5. (Arif L*****) sowie B.1. (Amir L*****) mit Nichtigkeitsbeschwerden, die sie (in einer gemeinsamen Rechtsmittelschrift) jeweils auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO stützen, während sie die anderen Schuldsprüche (A.4.; B.2. und 3.) unangefochten lassen; die Höhe der Freiheits-, Geld- und Wertersatzstrafen fechten sie mit Berufung an.

Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) rügen die Beschwerdeführer (zusammengefaßt wiedergegeben) zunächst ganz allgemein, daß sich das Erstgericht nicht mit allen durchgeführten Beweisen ausreichend auseinandergesetzt habe, somit der Ausspruch unvollständig geblieben sei, bzw für die Feststellungen keine ausreichende Begründung gegeben habe, weil es sich in den Urteilsgründen "an und für sich" weder mit den "Ursachen" dafür näher befaßt habe, warum fast alle vernommenen Zeugen teils in ihren eigenen Strafverfahren, teils in den gegenständlichen Hauptverhandlungen von ihren bisherigen, die Angeklagten belastenden Aussagen - ohne daß daraus Konsequenzen in Richtung ihrer Verfolgung wegen falscher Beweisaussage gezogen worden wären - abgerückt seien und zum Teil auch bei der erstmals in der Hauptverhandlung erfolgten Gegenüberstellung deponiert hätten, die beiden Nichtigkeitswerber nicht zu kennen, noch mit der Frage, was der "Grund" für die vom Schöffengericht zu Unrecht und mit "simpler Begründung" als bloße Schutzbehauptungen gewerteten Angaben gewesen sei; so hätten Imer I***** und Adnan B***** nämlich sowohl als Angeklagte in ihrem Strafverfahren als auch im aktuellen Verfahren als Zeugen vernommen deponiert, nicht von Arif L*****, sondern von einem gewissen B***** mit Suchtgift beliefert worden zu sein; ferner habe Adem A***** schon vor der Polizei eine Personsbeschreibung abgegeben, die überhaupt nicht auf Arif L***** zutreffen könne. Nach Meinung der Rechtsmittelwerber "wäre daher auf Grund der aufgezeigten Umstände davon auszugehen, daß wir mit Ausnahme der eingestandenen Fakten als Heroindealer nicht in Frage kommen, sondern hier Verwechslungen bezüglich der Person vorliegen".

Mit diesem Vorbringen wird indes kein Begründungsfehler in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes dargetan; vielmehr werden nur unzulässigerweise die Erwägungen in Zweifel gezogen, von denen sich das Schöffengericht bei der Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen leiten ließ (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 2, 26), und der - einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogene - kritisch/psychologische Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) in Frage gestellt (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 E 23 ff; 281 Z 5 E 1 ff; 281 Z 5 a E 3), der zufolge nicht nur zwingende, sondern auch - den Denkgesetzen nicht widersprechende - Wahrscheinlichkeitsschlüsse die Erkenntnisrichter zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 20 ff; § 281 Z 5 E 148 f).

Mit all diesen in der Mängelrüge aufgezeigten Verfahrensergebnissen (insbesonders auch mit den von den Nichtigkeitswerbern isoliert betrachteten Aussagen der erhebenden Beamten Stefan Pf***** und Erich H***** - US 15 f, 18, 23 f - sowie mit den laut Bericht des Polizeipräsidiums Bratislava vom 28.November 1994 [ON 238/IV] den Mietwohnungen der Angeklagten zugehörigen Telefonnummern - US 15, 20, 25, 27) hat sich das Erstgericht aber ohnehin getreu dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, die Entscheidungsgründe in gedrängter Form abzufassen, in einer kritischen Gesamtschau des gesamten maßgebenden Beweissubstrates sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks mit zureichender, denkmöglicher und lebensnaher Begründung auseinandergesetzt, ohne entgegenstehende Beweistatsachen mit Stillschweigen zu übergehen. Daß nach Meinung der Beschwerdeführer daraus auch andere, für sie günstigere Schlußfolgerungen hätten gezogen werden können, sich die Tatrichter dennoch für die ungünstigeren entschieden haben, ist als Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 147 uam). Das gilt auch für das - ohnedies nur in Vermutungen bestehende - Vorbringen, daß die erhebenden Beamten Pf***** und H***** von den slowakischen Behörden nur unzureichend unterrichtet worden sein "dürften" und ein schwarzer PKW Fiat Uno als Leihwagen nicht nur von Arif L*****, sondern "sicherlich" von einer Mehrzahl von Personen benützt worden sei.

Für die zu den in Beschwerde gezogenen Schuldspruchsfakten A.1., 2., 3., 5. und B.1. gesondert erhobenen Einwände (51 ff/IV) gilt im wesentlichen das oben Gesagte. Denn auch darin wird nichts vorgebracht, was das bekämpfte Urteil nichtig im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO machen könnte. Vielmehr trachten die Beschwerdeführer bloß erneut, durch Hervorhebung einzelner - isoliert betrachtet - für sie sprechender Beweisergebnisse die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage anzuzweifeln und solcherart ihre leugnenden Verantwortungen als glaubwürdig hinzustellen. Demgegenüber hat das Schöffengericht die Feststellungen zu jedem einzelnen dieser Urteilsfakten auf tragfähige Verfahrensergebnisse gestützt, indem es das gesamte Beweismaterial (der Beschwerde zuwider auch sowohl die Tatsache, daß Amir L***** in Furdekova 2 "mit mehreren anderen Personen gemeinsam gewohnt hat" - US 27 - als auch die Aussage des Zeugen Cemalji I***** - US 28 f -) kritisch, zureichend und im Einklang mit den Denkgesetzen erörterte sowie auf seine Stichhältigkeit und Beweistauglichkeit untersuchte (US 15 ff).

Soweit der Angeklagte Arif L***** im Rahmen der Beschwerdeausführungen zum Faktum A.5. dem Erstgericht vorwirft, die (nur im Rechtshilfeweg vernommene) Zeugin Anna Ge***** sei niemals unmittelbar durch das erkennende Gericht befragt und ihm (Arif L*****) niemals gegenübergestellt worden, genügt es ihm zu erwidern, daß es seine oder seines Verteidigers Sache gewesen wäre, in der Hauptverhandlung einen darauf abzielenden begründeten Beweisantrag zu stellen, nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof ihm die Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO offengestanden wäre. Da dies nicht geschehen ist, braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Prüfung des undifferenzierten Vorbringens der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge (Z 5 a), in der mit einzelnen bereits in der Mängerüge vorgebrachten Argumenten abermals nur nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die zu ihrem Nachteil ausgefallene schöffengerichtliche Beweiswürdigung kritisiert wird, hinwieder ergab, daß damit weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt werden, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hingewiesen wird, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen bzw forensischen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

Nur am Rande sei noch angemerkt, daß die österreichische Gerichtsbarkeit zur Aburteilung aller der von den mazedonischen Staatsangehörigen Arif und Amir L***** auch in der Slowakei begangenen Tathandlungen auch insoweit, als die Übergabe des Giftes an Transporteure in Bratislava erfolgte, gegeben ist, weil nach dem jeweiligen Tatplan die urteilsgegenständlichen Heroinmengen von Bratislava nach Wien verbracht wurden, sodaß dadurch österreichische Interessen im Sinne des § 64 Abs 1 Z 4 StGB verletzt wurden (Leukauf/Steininger Komm3 § 64 RN 17).

Demnach waren die Nichtigkeitsbeschwerden als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§ 285 i StPO).

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