OGH 15Os24/94

OGH15Os24/9424.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ingeborg H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 vierter Fall, Abs. 2 erster Fall, Abs. 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Ingeborg H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Dezember 1993, GZ 6 f Vr 12612/93-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten Leopold B***** (dessen Urteil in Rechtskraft erwachsen ist) und Ingeborg H***** wurden (A) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 (zu ergänzen: vierter Fall), Abs. 2 (zu ergänzen: erster Fall) und Abs. 3 Z 3 SGG sowie (B) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt.

Danach haben sie in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin,

(zu A) in der Zeit von Oktober/November 1992 bis 26.Jänner (gemeint) 1993 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB), teilweise unter Mitwirkung des abgesondert verfolgten Gerhard S***** (§ 12 StGB), gewerbsmäßig (zu ergänzen: in einer großen Menge, nämlich) ca. 300 Gramm, an unbekannt gebliebene Abnehmer durch Verkauf in Verkehr gesetzt (zu ergänzen: wobei sie die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift begingen, dessen Menge zumindest das 25-fache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge ausmacht);

(zu B) (zu ergänzen: außer den Fällen der §§ 12 und 14 a) erworben und besessen, und zwar Leopold B***** vom 26.Jänner 1992 und Ingeborg H***** von 1991 (beide jeweils) bis zum 7.März 1993.

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte H***** mit einer auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Der Beschwerdeantrag geht zwar dahin, das "angefochtene Urteil" - sohin den gesamten Schuldspruch - aufzuheben; zum Schuldspruchsfaktum B (wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG) finden sich aber in der Beschwerdeschrift keine Ausführungen. Insoweit unterläßt daher die Beschwerdeführerin die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung jener Tatumstände, die den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (in Ansehung dieses Schuldspruchs) bilden sollen (§ 285 a Z 2 StPO).

Der gegen den Schuldspruch wegen des Suchtgiftverbrechens (A) gerichteten Tatsachenrüge (Z 5 a, der Sache nach teilweise auch Z 5) ist vorweg zu erwidern, daß eine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen keineswegs in dem Vorbringen bestehen kann, daß das Erstgericht Beweisergebnisse nach Meinung die Beschwerdeführerin bedenklich gewürdigt habe. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO gestattet nämlich ebensowenig wie jener der Z 5 die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Insbesondere kann der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotene Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen nicht durch die Behauptung ersetzt werden, von der ersten Instanz als glaubhaft angesehene Aussagen seien zufolge innerer Unwahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung unglaubwürdig (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 a ENr. 4 und § 281 Z 5 ENr. 1).

Unter diesem Blickwinkel versagt demnach zunächst der (zusammengefaßt wiedergegebene) Beschwerdeeinwand, das Erstgericht sei zu einzelnen (in der Beschwerdeschrift angeführten) Feststellungen "auf Grund einer nicht nachvollziehbaren und lebensfremden Begründung gekommen"; es hätte sich dabei nicht auf die am 8.März 1993 vor dem Sicherheitsbüro abgelegte Aussage der Angeklagten H***** stützen dürfen, weil sich diese einerseits von den vernehmenden Beamten, die ihr ständig eingeredet hätten, daß jedes Geständnis strafmildernd sei, unter Druck gesetzt gefühlt habe, andererseits sich der gesundheitlich schlechte Zustand in Verbindung mit dem Schock über die plötzliche strafgerichtliche Verfolgung fatal auf ihre Fähigkeit zur Überprüfung und Selbstkritik ausgewirkt habe; aus der Tatsache, daß sie in der Hauptverhandlung ihr vor dem Untersuchungsrichter wesentlich eingeschränktes Geständnis (drei Wochen lang für S***** als "Bunker" fungiert, vorher aber nur für den Eigenbedarf gekauft zu haben) vollinhaltlich aufrecht erhalten habe, hätte das Erstgericht schließen müssen, daß ihre Verantwortung in der Hauptverhandlung keine bloße Schutzbehauptung darstelle.

Gemäß § 258 Abs. 2 StPO entscheiden die Richter über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung. Der Beschwerde zuwider gibt es auch keine "herrschende Judikatur", derzufolge bei Widersprüchen zwischen der polizeilichen und der gerichtlichen Verantwortung eines Angeklagten jener "vor Gericht entschieden der Vorrang einzuräumen ist" (der in der Beschwerdeschrift zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 10 Os 153/74 liegt eine gänzlich anders gelagerte Fallgestaltung zugrunde).

Im übrigen argumentiert die Beweisrüge nicht aktengetreu; denn die Beschwerdeführerin hat anläßlich ihrer ersten Vernehmung durch den Untersuchungsrichter am 10.März 1993 überhaupt nichts von einem psychischen und/oder physischen Druck bei der sicherheitsbehördlichen Einvernahme erwähnt (S 149), bei ihrer ergänzenden Befragung am 24. März 1993 bloß von "starken Entzugserscheinungen" und "starkem Druck" gesprochen (S 151) und in der Hauptverhandlung vom 20.Dezember 1993 lediglich deponiert, sie sei bei der Polizei "aufgeregt, nervös" gewesen und habe nur "Blödsinn" gesagt (S 434). In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber einerseits auf ihre Bemerkungen im sicherheitsbehördlichen Protokoll (S 127 vierter Absatz und S 135 viertvorletzter und letzter Absatz), anderseits auf ihre Einlassung vor dem Untersuchungsrichter (S 149) zu verweisen, wonach sie (nicht bloß drei Wochen lang, sondern sogar) "seit 5 Monaten als sogenannter Bunker [Heroin] verhandelte, zeitweise bei solchen Verkäufen dabei war und beim Verhandeln von etwa 20 Gramm Heroin mitwirkte".

Urteilsfremd ist die Behauptung, aus den Urteilsfeststellungen (US 5) ergebe sich, daß die Angeklagte "insgesamt an der Verwertung von 20 Gramm Heroin mitgewirkt habe", während sie für den Rest "nicht als Mittäter", sondern "bestenfalls als Mitwisser" angesehen werden könne. Demgegenüber hat das Schöffengericht nach eingehender Erörterung insbesondere auch der divergierenden Einlassungen der Rechtsmittelwerberin im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung sowie der (sie weitgehend entlastenden) Verantwortung des Mitangeklagten B***** und der (sie belastenden) für glaubwürdig beurteilten Aussage des Zeugen S***** (S 141, 435 ff) mit aktengetreuer, denkrichtiger, lebensnaher, zureichender und plausibler Begründung dargelegt (US 6 unten ff), aus welchen Erwägungen es (auch bei Ingeborg H*****) den Tatbestand des in Rede stehenden Suchtgiftverbrechens in subjektiver und objektiver Hinsicht für gegeben erachtete (US 5 f und 9). Bei dem im Urteilsspruch (US 2) angeführten Endzeitpunkt des Deliktszeitraums (26.Jänner 1992) handelt es sich - wie auch die Beschwerde einräumt - erkennbar um einen bloßen Schreibfehler (gemeint: 1993 - vgl. US 5 -).

Die Urteilskonstatierung (US 2, 6 und 8) hinwieder, daß die Angeklagten die Absicht hatten, sich aus dem tatgegenständlichen Heroinhandel eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, wurde entgegen dem Beschwerdevorbringen formal mängelfrei (und plausibel) begründet (US 8 dritter Absatz), und findet in der korrespondierenden Verantwortung der Angeklagten H***** (S 131 unten f) eine zureichende Stütze.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß das Beschwerdevorbringen weder sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken (Z 5 a), noch einen formellen Begründungsmangel (Z 5) aufzuzeigen vermag.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die sich gegen die Annahme wendet, die Beschwerdeführerin habe beim Inverkehrsetzen der gesamten Heroinmenge als Mittäterin nach § 12 erster Fall StGB gewerbsmäßig gehandelt, entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht vom gesamten wesentlichen Urteilssachverhalt ausgeht (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 10 ENr. 9), sondern teils im Urteil festgestellte Tatsachen bestreitet bzw. verschweigt, teils sich auf urteilsfremde Umstände stützt (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 ENr. 26).

Dies gilt zunächst für den Einwand (Punkt II.1 der Beschwerdeschrift), "Die Tatsache, daß der Verkauf des Heroins neben dem Ankauf neuer Mengen uns auch die Bestreitung der Lebenshaltungskosten erlaubt hat, ist jedoch nicht von meinem Vorsatz erfaßt und somit lediglich eine irrelevante Reflexwirkung ... Wir verkauften Heroin einzig, um neues kaufen zu können". Solcherart übergeht die Beschwerde gerade jene - wie dargelegt - mängelfrei konstatierte erstgerichtliche Sachverhaltskomponente (US 6 zweiter Absatz), derzufolge die Angeklagten beabsichtigten, mit dem Erlös (aus dem Heroinverkauf) ihren Suchtgiftbedarf, "aber auch ihre Lebenshaltungskosten zu finanzieren".

Entgegen der Beschwerdebehauptung (Punkt II.2 der Beschwerdeschrift) hat das Erstgericht keineswegs "vergessen", sondern ausdrücklich festgestellt, daß das von R***** angekaufte Heroin (das nach Ansicht B*****s "immer eine sehr gute Qualität hatte" - vgl. S 121 - bzw. "mittelgut" war - S 431 -) vor dem Verkauf an unbekannte Abnehmer (zur Gänze) im Verhältnis 1 : 1 mit Milchzucker aufgestreckt wurde (US 5). Daß - wie die Beschwerdeführerin hervorhebt - derart "gestrecktes Heroin nach den Absichten des Gesetzgebers [nicht] gleichbedeutend mit reinem Heroin sein solle", versteht sich von selbst, doch geht das Urteil für keine Phase des Geschehens davon aus, daß es sich beim Verkauf des tatverfangenen Suchtgiftes um "reines" Heroin gehandelt hat.

Das weitere Vorbringen (Punkt II.3 der Beschwerdeschrift) schließlich, die Beschwerdeführerin habe "nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens" lediglich die "eigenhändig verhandelte" Menge von 10 Gramm Heroin als unmittelbare Täterin, hingegen die Mitwirkung als "Bunker" an der "Verhandelung" von 20 Gramm Heroin durch S***** als Beitragstäterin zu verantworten, weshalb sie das Erstgericht nur diesbezüglich verurteilen hätte dürfen (womit der Sache nach der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO geltend gemacht wird), weicht erneut vom wesentlichen Tatsachensubstrat im Urteil (US 5) ab, wonach ihre "Bunker"-Tätigkeit darin bestand, daß sie (nur) dann, wenn S***** einen konkreten Kunden zur Hand hatte, die entsprechende Menge an Heroin unter gleichzeitiger Entgegennahme des dafür vereinbarten Preises ausfolgte (demnach sehr wohl als unmittelbare Mittäterin an konkreten Verkaufstransaktionen mitwirkte), und wonach sie jedenfalls an der zum Zweck des Verkaufs vorgenommenen Streckung der gesamten in Verkehr gesetzten Suchtgiftmenge mitwirkte (und insoweit zumindest einen sonstigen Tatbeitrag iS des dritten Falles des § 12 StGB leistete). Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der einzelnen Täterformen des § 12 StGB gereicht die irrige Annahme einer dieser Täterformen in bezug auf einzelne Verkaufsmengen anstatt einer anderen der Angeklagten materiellrechtlich nicht zum Nachteil, weil in dem hier aktuellen Fall ihr Beitragsanteil in sachverhaltsmäßiger Hinsicht (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt ist (vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 § 12 RN 14 f, Foregger-Serini StGB3 Erl. IX zu § 12; Foregger-Kodek StPO6 § 281 S 404 und die dort jeweils angeführte Judikatur und Literatur sowie Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 10 ENr. 53 ff).

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten H***** teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 und Z 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten dem Oberlandesgericht Wien zufällt (§ 285 i StPO).

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