OGH 15Os22/24k

OGH15Os22/24k17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * P* wegen mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. November 2023, GZ 13 Hv 58/23a‑77.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00022.24K.0417.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./), des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (B./) und jeweils mehrerer Vergehen der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (C./I./) und nach § 218 Abs 1a StGB (C./II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in P* und anderorts

A./ zwischen 1. Februar und 15. März 2023 mit der am * 2010 geborenen * H*, sohin einer unmündigen Person, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen,

und zwar

I./ indem er ihr mit seiner Hand in die Hose sowie die Unterhose griff, sie mit seiner Hand in ihrem Schambereich streichelte und sodann den Kopf in Richtung seines Penis bewegte und sie zum Oralverkehr „zwang“, wobei er in den Mund des Opfers ejakulierte;

II./ indem er mit seinen Fingern an den Brüsten des Opfers spielte und sodann den Kopf des Opfers in Richtung seines Penis bewegte und es zum Oralverkehr „zwang“;

III./ indem er seinen Penis entblößte, das Opfer zum Oralverkehr aufforderte und es anschließend mit seinem Penis anal penetrierte, wobei er zugleich mit seinen Fingern den Schambereich des Opfers massierte und auch zwei Finger in die Vagina einführte;

B./ in der Nacht von 3. auf den 4. Mai 2023 mit * B* gegen deren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihren Kopf gegen ihren erklärten Willen in Richtung seines Penis bewegte und sie zum Oralverkehr „zwang“;

C./ zwischen 15. November 2021 und 28. Februar 2022 * G* in wiederholten Angriffen

I./ durch geschlechtliche Handlungen an ihr belästigt, indem er ihr auf ihre mit Kleidung bedeckten Brüste griff;

II./ durch intensive Berührungen einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt, indem er mit seiner Hand oberhalb ihrer Kleidung ihren Schambereich streichelte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Die Tatsachenrüge (Z 5a) betreffend A./ des Schuldspruchs verkennt, dass die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht releviert werden kann (RIS‑Justiz RS0106588 [T8, T10], RS0099649). Die Ausführungen, mit Blick auf widersprüchliche Angaben der Zeugin H* (vgl dazu US 11 ff) bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit ihrer Darstellung, verlässt den Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes.

[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) führt zu B./ aus, für einen Schuldspruch nach § 205a Abs 1 StGB hätte es neben der Feststellung der Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung gegen den Willen des Opfers Feststellungen „über das Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich das Ausnützen einer Zwangslage oder einer vorangegangenen Einschüchterung“ bedurft, leitet diese behauptete rechtliche Konsequenz jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116565).

[6] Die weiteren Ausführungen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu B./ des Schuldspruchs orientieren sich prozessordnungswidrig nicht am im Ersturteil festgestellten Sachverhalt (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0099810), indem sie gegen die Feststellungen zur inneren Tatseite argumentieren und vorbringen, dass das Opfer seine Beine seitlich auf den Oberschenkel des Angeklagten legte und auch nach dem inkriminierten Oralverkehr im Einvernehmen sexuelle Handlungen mit ihm durchführte. Damit bekämpft der Rechtsmittelwerber die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[9] Anzumerken bleibt, dass die zu C./II./ bezeichneten Taten den Vergehen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB zu subsumieren wären, weil das festgestellte intensive Berühren des Schambereichs des Opfers durch den Angeklagten jeweils eine geschlechtliche Handlung darstellt (vgl 13 Os 32/23i; 12 Os 94/21x; Philipp in WK2 § 218 Rz 23/1).

[10] Dieser Subsumtionsfehler gereicht dem Angeklagten nicht zum Nachteil, weshalb kein Grund für ein amtswegiges Vorgehen bestand (§ 290 Abs 1 StPO).

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