OGH 15Os19/89

OGH15Os19/897.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.März 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Lässig als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang S*** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wolfgang S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 29.November 1988, GZ 27 Vr 1054/88-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten Wolfgang S*** im Schuldspruch laut den Pkten 1. und 2., im Strafausspruch und in der Verurteilung zur Bezahlung von 5.000 S an den Privatbeteiligten Erich J*** aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an den Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der genannte Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (auch andere Entscheidungen enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Wolfgang S*** (1.) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und - ebenso wie Martin K*** - (2.) des Vergehens der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 12 (zweiter Fall), 288 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Innsbruck

(zu 1.) am 26.Juni 1987 Erich J*** durch Schläge vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat neben einer Jochbeinprellung auch eine an sich schwere Verletzung des Genannten, und zwar eine Fraktur des rechten Ringfinger-Endgliedes, nach sich zog; sowie (zu 2.) im Sommer 1987 - ebenso wie K*** - Markus H*** durch die Äußerung "Es wäre besser für uns, wenn du vor Gericht die Rauferei verheimlichen würdest; tu uns doch den Gefallen !" zu verleiten versucht, vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen.

K*** wurde von der weiteren Anklage, er habe die Verletzung des J*** (lt. Pkt. 1.) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit S*** als Mittäter begangen, freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a, 8, 9 lit. a und lit. b sowie 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*** gegen dieses Urteil kommt Berechtigung zu.

Zum Faktum 1. nahm das Jugendschöffengericht als erwiesen an, daß die ersten Angriffshandlungen gegen J***, durch die letzterer die konstatierten Verletzungen erlitten habe, vom Beschwerdeführer allein sowie ohne vorherige Absprache mit seinen Begleitern K***, H*** und R*** unternommen worden seien; daß es in der Folge, nachdem die vier Burschen den Genannten umringt hätten, zu weiteren Tätlichkeiten gekommen sei, wobei nicht festgestellt werden könne, ob sich auch die Begleiter des Beschwerdeführers daran beteiligt haben; und daß J*** letzten Endes, bereits wie beschrieben verletzt, den Beschwerdeführer zur Abwehr von dessen Angriffen mit einem Taschenmesser in den Oberarm stach. Bei diesen aus den Bekundungen des Verletzten abgeleiteten Konstatierungen räumte das Erstgericht ein, daß letzterer in einzelnen Punkten von seinen bei der Polizei deponierten Angaben abgewichen sei, doch könne das zwanglos damit erklärt werden, daß seit seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme rund eineinhalb Jahre verstrichen seien, sodaß er sich hinsichtlich einzelner Details vielleicht wirklich nicht mehr ganz genau erinnern könne; im wesentlichen habe er aber immer wieder geschildert, daß S*** als erster auf ihn losgegangen sei und ihn auch verletzt habe. Gerade bei seiner ersten Vernehmung durch die Polizei hat Erich J*** indessen erklärt, er habe den ersten Angriff des Beschwerdeführers "durch rasches Ausweichen verhindern" können und sei, nachdem er inzwischen das Messer gezogen gehabt habe, durch die folgenden Schläge "der drei Burschen" am rechten Ringfinger verletzt worden, wobei er auch im Gesichtsbereich Schmerzen verspüre (S 29). Vier Monate später hinwieder gab der Verletzte beim Untersuchungsrichter zwar an, er habe die schwere Finger-Verletzung erlitten, als ihn der Beschwerdeführer angesprungen habe, doch ist dieser Bekundung umso weniger zu entnehmen, daß sie auf dessen erste Attacke gegen ihn gemünzt gewesen wäre, als er auch dabei vermerkte, er habe bei jenem Angriff etwas zurückweichen und sein Messer ziehen können, worauf er nunmehr von drei Burschen, darunter abermals der Beschwerdeführer angesprungen worden sei; zudem behauptete er damals, im Gesicht sei er anläßlich dieser späteren Attacken von einem bis dahin nicht ausgeforscht gewesenen (in der Folge als Harald R*** identifizierten) Burschen verletzt worden (ON 14). Der nahezu eineinhalb Jahre nach dem Tatgeschehen in der Hauptverhandlung abgelegten Aussage des Zeugen J*** schließlich, in Ansehung deren ihm das Schöffengericht Erinnerungsfehler konzedierte, ist zwar dementgegen zu entnehmen, daß er nunmehr behauptete, der Beschwerdeführer sei es gewesen, der ihm schon mit dem ersten Angriff die Verletzung im Gesicht zugefügt habe, doch stehen seiner später geäußerten Annahme, er habe auch die Finger-Verletzung - deren Zufügung er aus subjektiver Überzeugung, ohne sich hundertprozentig sicher zu sein, gleichfalls dem Beschwerdeführer zuschrieb - schon vor dem Ziehen des Messers erlitten, seine vorausgegangenen eigenen Bekundungen dahin entgegen, daß er das Messer bereits nach der ersten Attacke des Beschwerdeführers gegen ihn gezogen habe, durch die er im Gesicht verletzt worden sei, wogegen ihm die Finger-Verletzung erst im Verlauf der folgenden Angriffe der drei Burschen gegen ihn zugefügt worden sei (S 208-211).

Angesichts der wie dargestellt widersprüchlichen und vom Erstgericht nicht ausreichend erörterten bisherigen Verfahrensergebnisse bestehen gegen die Feststellung, daß es gerade der Beschwerdeführer war, der J*** (vor dem Hinzukommen von K***, R*** und H***) die inkriminierten Verletzungen beigebracht hat, in der Tat erhebliche Bedenken (Z 5 a), die zur Aufhebung des bekämpften Schuldspruchs und insoweit zur Anordnung der Verfahrenserneuerung in erster Instanz nötigen, ohne daß es einer Erörterung der darauf bezogenen weiteren Beschwerdeeinwände bedarf. Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob eine Unterstellung des dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Tatverhaltens unter § 91 Abs. 1 StGB in Betracht kommt.

In bezug auf das Faktum 2. ist zwar die Beschwerdeansicht verfehlt, daß der den beiden Angeklagten angelastete Versuch, H*** zu einer falschen Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen, deswegen absolut untauglich (§ 15 Abs. 3 StGB) gewesen sei, weil der Genannte bei der Polizei bereits wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe (Z 9 lit. a); kann doch daraus allein durchaus nicht abgeleitet werden, daß die als erwiesen angenommenen Bemühungen der Angeklagten, ihn zu einer wahrheitswidrigen Korrektur eben jener Bekundungen vor Gericht zu bewegen, unter keinen Umständen hätten zum Erfolg führen können.

Wohl aber beschwert sich der Angeklagte S*** mit Recht über Feststellungsmängel des Urteils zur Frage, ob er vom Bestimmungsversuch im Sinn des § 16 (Abs. 1 oder Abs. 2) StGB mit strafaufhebender Wirkung zurückgetreten ist (Z 9 lit. b). Denn Konstatierungen dazu waren im Hinblick auf die Bekundungen der Zeugin H***, wonach er H*** kurz vor dessen erster gerichtlicher Vernehmung aufgefordert habe, dabei zu sagen, "wie es war", weil das sowieso hervorkomme (S 212), und darauf, daß das Jugendschöffengericht ersichtlich davon ausging, letzterer habe tatsächlich nicht (vorsätzlich) falsch ausgesagt (US 8), jedenfalls indiziert: darnach waren nämlich Feststellungen darüber unerläßlich, ob es allenfalls eine (nach dem Gesagten von H*** behauptete) freiwillige Aufforderung des Beschwerdeführers war, die H*** dazu bewog, von seinem durch die Angeklagten initiierten verpönten Vorhaben, sie durch eine falsche Zeugenaussage zu entlasten (vgl. S 75, 75 a), Abstand zu nehmen (Abs. 1), oder ob sich der Beschwerdeführer solcherart immerhin in Unkenntnis dessen, daß der Erfolg des Bestimmungsversuchs schließlich ohne sein Zutun (aus anderen Gründen) unterbleiben werde (vgl. EvBl. 1981/201 ua), freiwillig und ernstlich bemüht hat, diesen Erfolg abzuwenden (Abs. 2).

Das Fehlen dahingehender Konstatierungen im angefochtenen Urteil hat zur Folge, daß in Ansehung des Angeklagten S*** auch hinsichtlich des dem Schuldspruch laut Pkt. 2. zugrundeliegenden Anklagevorwurfs die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, sodaß sich eine weitergehende Erledigung der hiefür aktuellen übrigen Beschwerdepunkte gleichfalls erübrigt. Nach Anhörung der Generalprokuratur war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort wie im Spruch zu erkennen (§ 285 e StPO), wobei die Sache unter Bedacht auf die mittlerweilige Änderung der (funktionell-) sachlichen Zuständigkeit durch §§ 27 Abs. 2, 31 JGG 1988 iVm § 13 Abs. 2 StPO in sinngemäßer Anwendung des § 288 Abs. 2 Z 3 letzter Fall StPO an den Einzelrichter zu verweisen war (Art. VIII Abs. 1, IX Abs. 4 JGG 1988).

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