OGH 15Os190/15b

OGH15Os190/15b17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Frederic L*****, wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 8. Oktober 2015, GZ 602 Hv 16/15h‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00190.15B.0217.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der (rechtlichen) Annahme der Begehung der Tat auch als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG) und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Frederic L***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. September 2015 in B***** und andernorts als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung weiterer Mitglieder der kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig (§ 70 StGB) die rechtswidrige Ein‑ und Durchreise einer größeren Anzahl von Fremden in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt in Höhe von zumindest 1.150 Euro unrechtmäßig zu bereichern, indem er insgesamt 23 ihm von einem weiteren Mitglied der kriminellen Vereinigung vermittelte illegal aufhältige Fremde mit einem Wohnmobil der Marke Peugeot Caravane von Budapest nach Österreich beförderte.

Nur gegen die Annahme der Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG richtet sich die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Feststellungen zum Vorliegen einer kriminellen Vereinigung (US 2) gründeten die Tatrichter „auf die von den geschleppten Personen schlüssig geschilderte arbeitsteilige Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter. [...] Ein Mitglied war zuständig für das Anwerben am Bahnhof in Budapest sowie das Kassieren des Schlepperlohns und der Angeklagte für das Lenken des Schlepperfahrzeugs, wofür er extra aus Frankreich angereist ist, was wiederum für die internationale und gut durchdrungene Vernetzung der Vereinigung spricht“ (US 5 dritter Absatz).

Zutreffend zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde auf, dass diese Konstatierungen nur unzureichend begründet sind (Z 5 vierter Fall). Offenbar unzureichend ist eine Begründung, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Kriterien logischen Denkens und nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang nicht erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413; RS0108609).

Die Existenz einer kriminellen Vereinigung (und die Beteiligung des Angeklagten daran) wurde von den Tatrichtern aus dem arbeitsteiligen Vorgehen des Angeklagten und seiner Mittäter abgeleitet, wobei die diesen Ablauf schildernden Entscheidungsgründe selbst jedoch nur auf einen (weiteren) Täter Bezug nehmen (US 3, 5). Auch den von den Tatrichtern als Beleg angeführten, in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 39 S 2) Aussagen der geschleppten Personen lässt sich nur der Hinweis auf die Teilnahme einer weiteren Person entnehmen (ZV N***** ON 4 S 47; ZV Abdou Aziz D***** ON 4 S 57 und ZV A***** ON 4 S 65 f; ZV Ablaye D***** ON 20 S 7 ff, ZV Cheikh D***** ON 20 S 13 ff). Insofern wurde die kritisierte Feststellung auf Beweismittel gegründet, die den daraus gezogenen Schluss nicht zulassen.

Professionelle Planung der Tat und die „Anreise“ des Angeklagten aus Frankreich können zwar Indizien für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung sein (zur Zulässigkeit des „Indizienbeweises“ vgl RIS‑Justiz RS0098249; Lendl , WK-StPO § 258 Rz 24), vermögen aber für sich allein ohne weitere, konkret in diese Richtung weisende Beweisergebnisse diesen Tatumstand (und die darauf bezogene Qualifikation) nicht zureichend zu begründen.

Dieses Begründungsdefizit erfordert die Kassation des Urteils im aufgezeigten Umfang und insoweit die Verfahrenserneuerung (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO). Auf das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) war daher nicht mehr einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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