OGH 15Os166/11t

OGH15Os166/11t29.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario N***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 22. Juli 2011, GZ 46 Hv 76/10i-110, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mario N***** und David B***** von dem wider sie erhobenen Vorwurf, am 5. Oktober 2009 habe

1./ Mario N***** dadurch, dass er unter Vorhalt einer Gaspistole die Ausfolgung von Bargeld verlangte und sodann einen Schuss in den Boden abfeuerte, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Mustafa K***** eine fremde bewegliche Sache, und zwar Bargeld, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe zu verüben suchte, und

2./ David B***** zur Ausführung der unter 1./ beschriebenen strafbaren Handlung beigetragen, indem er Mario N***** zur Tatausführung in eine weniger belebte, hiefür besser geeignete Seitengasse begleitete und während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die von der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen des Erstgerichts kam es am 5. Oktober 2009 in B***** zwischen den Angeklagten N***** und B***** einerseits und Mustafa K***** andererseits zu einer verbalen Auseinandersetzung, die dahin ausartete, dass Mustafa K***** mit aufgekrempelten Ärmeln wütend auf den Angeklagten N***** zuging und dieser seine mitgeführte Gaspistole Walther P 22 (9 mm) auspackte, gegen den Boden richtete und einen Schuss abgab.

Das Erstgericht konnte hingegen weder feststellen, dass der Angeklagte N***** von Mustafa K***** unter Vorhalt der Waffe Geld gefordert habe, noch, dass der Angeklagte B***** im Wissen, dass der Angeklagte N***** eine Gaspistole mit sich führte, Aufpasserdienste habe leisten wollen (US 3).

Im Rahmen der Beweiswürdigung präzisierten die Tatrichter, dass mit Ausnahme der Tatsache der Schussabgabe der Geschehensablauf nicht habe geklärt werden können (US 7).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247).

Zur Geltendmachung eines Feststellungsmangels ist vorzubringen, dass konkrete in der Hauptverhandlung vorgekommene - durch die Angabe der Fundstelle in den Akten bezeichnete (vgl RIS-Justiz RS0124172) - Verfahrensergebnisse Feststellungen indizieren, die im angefochtenen Urteil nicht getroffen wurden, auf deren Basis der Angeklagte aber eines (anderen) Vergehens oder Verbrechens bzw einer weiteren Qualifikation schuldig zu erkennen wäre (vgl RIS-Justiz RS0118580). Mit der Behauptung eines Feststellungsmangels können also nicht andere als die im Urteil getroffenen Feststellungen oder solche Konstatierungen eingefordert werden, die das Schöffengericht ausdrücklich gerade nicht angenommen hat.

Diesen Anforderungen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht gerecht.

Die Beschwerdeführerin behauptet einen Feststellungsmangel in Ansehung der subjektiven Tatseite des Tatbestands der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der durch den der Ausübung psychischen Zwangs auf das Tatopfer dienenden Schusswaffengebrauch verwirklicht worden sei.

Dabei orientiert sie sich aber - unbeschadet der grundsätzlichen Eignung eines in den Boden abgegebenen Schusses als Mittel der Drohung mit Gewalt (vgl RIS-Justiz RS0092873) - nicht am gesamten Urteilssachverhalt, der auch die ausdrückliche Nichtfeststellung von Tatsachen umfasst. Das Erstgericht hat es nämlich keineswegs rechtsirrig unterlassen, Feststellungen zum Vorsatz der Angeklagten bei der Schussabgabe zu treffen; es hat vielmehr ausgesprochen, (auch) solche Feststellungen nicht treffen zu können, weil die Ergebnisse des Beweisverfahrens dazu nicht hinreichten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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