OGH 15Os164/12z

OGH15Os164/12z27.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Niegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Murad M***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Selimhan P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 16. Oktober 2012, GZ 25 Hv 65/12i-141, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene weitere Schuld- und Freisprüche enthält, wurde Selimhan P***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall, 15 StGB (A.III., V. und VI.), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A.I. und II.) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (D.) schuldig erkannt.

Danach hat er

A. in wechselnder Beteiligung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken teilweise unter Verwendung einer Waffe (Fakten A.III., V., VI.) mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt bzw wegzunehmen oder abzunötigen versucht (Faktum A.V.), sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I. gemeinsam mit Timur S***** am 20. April 2012 in Linz Gewahrsamsträgern der BP Tankstelle, *****, Bargeld in Höhe von 3.645 Euro, indem sie vermummt und mit furchteinflößendem Auftreten zum Verkaufspult stürmten, die Angestellte Nikolinka St***** durch die Äußerung „Geld her, Geld her!“ zur Herausgabe des Bargeldes aus der Kassa aufforderten, Selimhan P***** einen Plastiksack auf das Verkaufspult legte und die beiden das von Nikolinka St***** erhaltene Bargeld in den Plastiksack steckten;

II. gemeinsam mit Murad M***** am 28. April 2012, in Linz Gewahrsamsträgern der BP Tankstelle, *****, Bargeld in Höhe von 1.000 Euro, indem Selimhan P***** vermummt zum Verkaufspult stürmte, mit seiner Faust auf die am Pult liegende Hand der Angestellten Nikolinka St***** schlug und sie durch die mehrmalige Äußerung „Geld her!“ zur Herausgabe des Bargeldes aus der Kassa aufforderte und das erhaltene Bargeld in einen Plastiksack steckte, während Murad M***** ebenfalls vermummt im Bereich der Eingangstüre stand und Aufpasserdienste leistete;

III. gemeinsam mit Murad M***** und einem weiteren unbekannten Mittäter am 30. April 2012 in Linz ***** Gewahrsamsträgern der Shell Tankstelle, *****, Bargeld in Höhe von 1.995 Euro, indem der unbekannte Mittäter im Eingangsbereich stehen blieb und Aufpasserdienste leistete, Selimhan P***** und Murad M***** vermummt zum Verkaufspult stürmten, Murad M***** hinter das Kassenpult lief, gegen die Angestellte Miroslava T***** ein Messer (20 cm Klingenlänge) richtete und sie dabei aufforderte „Mach Kassa auf und gib mir das Geld!“ und Selimhan P***** einen Plastiksack über das Kassenpult hielt während Murad M***** das von Miroslava T***** herausgegebene Bargeld dort hineinsteckte;

V. gemeinsam mit Murad M***** und dem abgesondert verfolgten Isa C***** am 26. Mai 2012 in Wien Gewahrsamsträgern der BP Tankstelle, *****, Bargeld in unbekannter Höhe, indem Murad M***** vermummt und mit vorgehaltenem Messer auf die zwei Angestellten Riad Mu***** und Srdjan J***** zulief, während die ebenfalls vermummten Selimhan P***** und Isa C***** im Eingangsbereich Aufpasserdienste leisteten, wobei alle drei Täter aufgrund der lauten Rufe der Opfer wieder aus dem Verkaufsraum flüchteten und die Tat daher beim Versuch blieb;

VI. gemeinsam mit Murad M*****, Musa A*****, Abdullah D***** und dem abgesondert verfolgten Isa C***** am 28. Mai 2012 in Wien Gewahrsamsträgern der ENI Tankstelle, *****, Bargeld in Höhe von 2.275 Euro sowie dem Ljubomir Ma***** ein Handy Samsung Galaxy S im Wert von 600 Euro, indem Selimhan P***** „Überfall!“ und „Geld her!“ schrie und dabei mit einer Pistole auf den Kopf des Angestellten Ljubomir Ma***** zielte, Murad M***** ebenfalls eine Pistole gegen Ljubomir Ma***** richtete und Selimhan P***** das gesamte Bargeld aus der vom Angestellten herausgegebenen Kassenlade entnahm, während Isa C***** die zwei anwesenden Kunden Ronald und Ingrid B***** zur Herausgabe ihrer Geldtaschen aufforderte und Musa A***** sowie Abdullah D***** vor der Tankstelle Aufpasserdienste leisteten;

D. am 15. Februar 2012 in Linz Rufat K***** am Körper misshandelt, indem er ihn gegen den Körper und ins Gesicht stieß, und dadurch fahrlässig in Form einer Prellung des linken Unterkiefers und einer minimalen Abschürfung des rechten Daumenstreckers verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****, die ihr Ziel verfehlt.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) zu Schuldspruch D. unter Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten (ON 9 in ON 115) eine „aktenwidrige“ Feststellung und damit der Sache nach eine unzureichende Begründung releviert, weil die Verletzung am Daumen nicht charakteristisch für die Tathandlung sei, spricht sie insofern keine entscheidende Tatsache an, als dem Angeklagten im Schuldspruch auch das Zufügen einer Prellung des linken Unterkiefers zur Last gelegt wird. Im Übrigen liegt Aktenwidrigkeit im Sinne der Z 5 fünfter Fall nur bei einem unrichtigen Referat des wesentlichen Inhalts einer Aussage oder Urkunde im Urteil vor (RIS-Justiz RS0099492), nicht aber dann, wenn das Erstgericht aus Beweisergebnissen andere Schlüsse zieht, als sie der Rechtsmittelwerber anstrebt.

Die Feststellungen zur Qualität der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben finden sich - disloziert - auf US 21 und wurden der Beschwerde zuwider (Z 5 vierter Fall) vom Erstgericht logisch und empirisch mängelfrei aus dem äußeren Geschehen, insbesondere dem Auftreten der Täter abgeleitet (US 21). Soweit die Beschwerde darin einen „Widerspruch“ zur (im Urteil berücksichtigten, s US 19) Aussage eines der betroffenen Opfer sieht, bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld. Dass die Tatrichter von einer Drohung mit einer Verletzung am Körper ausgingen, ergibt sich neuerlich aus US 21 („Eingriffe in ihre körperliche Integrität“).

Zu A.II. und III. versucht die Rüge aufgrund eigenständiger Bewertung von Beweisergebnissen, insbesondere der Angaben des Murad M*****, der Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, bekämpft damit jedoch lediglich neuerlich die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne einen formalen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 aufzeigen zu können.

Ebenso wenig stellt es einen Begründungsmangel dar, wenn die Tatrichter die Aussage des Mitangeklagten M***** in der Hauptverhandlung als wenig beweiskräftig, jene im Ermittlungsverfahren jedoch als glaubwürdig bewerten. Mit einem möglichen Motiv für eine allfällige Falschbelastung des Angeklagten P***** durch den Mitangeklagten A***** hat sich das Erstgericht gar wohl auseinandergesetzt (US 17; der Sache nach Z 5 zweiter Fall). Auch die Depositionen des Mitangeklagten M***** zum Schuldspruch A.III. wurden nicht aktenwidrig wiedergegeben (Z 5 fünfter Fall), die Tatrichter zogen aus ihr nur den - für den Rechtsmittelwerber ungünstigen - Schluss, dass der geschilderte Tankstellenüberfall in Linz ***** stattfand, und der Beschwerdeführer daran beteiligt war. Schließlich ist - den Ausführungen der Beschwerde zuwider - eine „geschlossene Beweisführung“ nicht notwendig, auch eine Indizienbeweisführung genügt den gesetzlichen Erfordernissen (Lendl, WK-StPO § 258 Rz 24).

Auch unter dem Blickwinkel der Tatsachenrüge (Z 5a) gelingt es der geschilderten Argumentation nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) macht zu D. einen Feststellungsmangel geltend, weil das Erstgericht Konstatierungen „zur Straflosigkeit infolge Notwehr“ unterlassen habe. Mit dem Verweis auf die Aussage des Angeklagten (ON 135 S 18 f: „Schubsen“) und des Zeugen W***** (ON 2 in ON 115 S 77 ff: „gegenseitiges Stoßen“) vermag sie es jedoch - entgegen den Anforderungen der Prozessordnung - nicht, solche Feststellungen indizierende Beweisergebnisse zu benennen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt unter Behauptung einer (bloß) gefährlichen Drohung („Androhen einer bloßen Misshandlung“) eine Verurteilung nach § 144 StGB an, übergeht dabei aber die von einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ausgehenden Konstatierungen (US 12, 21; „zumindest einem Eingriff in die körperliche Integrität“; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19). Die eigenständigen Beweiswerterwägungen zum Bedeutungsgehalt der Drohung stellen wiederum eine - hier unbeachtliche - Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter dar.

Gleiches gilt für die Spekulationen der Beschwerde darüber, dass „kein direktes Naheverhältnis der Täter zum Opfer gegeben war“ und „aus der Benützung einer Kapuze unter teilweisen Bedeckung des Gerichts eine Drohung nicht ableitbar“ sei. Schließlich erweist sich auch der Hinweis auf die Entscheidung AZ 13 Os 34/97 des Obersten Gerichtshofs nicht als zielführend, weil diesem Sachverhalt feststellungsgemäß eine Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zugrunde lag.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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