OGH 15Os136/99

OGH15Os136/9925.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Novem- ber 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichts- hofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Cengiz G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Cengiz G*****, Cetin A***** und Alpaslan K***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 9. April 1999, GZ 28 Vr 105/99-57, sowie über die Beschwerden gemäß § 498 Abs 3 StPO der Angeklagten Cengiz G***** und Alpaslan K*****, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, der Angeklagten und der Verteidiger Dr. Blum, Dr. Nowotny und Mag. Beck zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen und den (implizierten) Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurden Cengiz G*****, Cetin A***** und Alpaslan K***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB sowie des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in Traun

1. am 31. Dezember 1998 in Gesellschaft des gesondert verfolgten Jugendlichen Michael H***** als Mitglieder einer Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes dem Nedzad Al***** mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe rund 5.500 S Bargeld mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen, indem sie ihm einen Schlag mit einem Billardstock sowie (weitere) Schläge und Stöße versetzten;

2. am 30. Dezember 1998 sich mit Michael H***** mit dem Vorsatz verbunden, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Verbindung fortgesetzt Raubüberfälle ausgeführt werden.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform an sie getrennt für jeden Angeklagten gerichteten Hauptfragen nach den Verbrechen des schweren Raubes (Hauptfragen 1, 3 und 5) sowie nach dem Vergehen der Bandenbildung (Hauptfragen 2, 4 und 6) bejaht.

Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit gesondert ausgeführten, inhaltlich überwiegend identen, auf die Z 11 lit a und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen den übereinstimmenden Rechtsrügen (Z 11 lit a) wird (nach ständiger Judikatur: 15 Os 33-35/94, 11 Os 10/97, 15 Os 36/97, 15 Os 104/97 ua) das Vergehen der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB durch die in der Folge von den Bandenmitgliedern tatsächlich verübten Bandendelikte nicht verdrängt. Jenes Bandenmitglied, welches die projektierten Straftaten verübt hat, haftet demnach sowohl für das betreffende Delikt als auch für Bandenbildung (echte Konkurrenz). Bandenbildung setzt nicht die gemeinsame Begehung der in Aussicht genommenen Delikte voraus und bezieht sich im übrigen nicht auf bereits näher vorherbestimmte, sondern vielmehr auf noch ungewisse Straftaten (Steininger in WK § 278 Rz 15 und die dort zitierte Zusammenstellung der zunächst divergierenden Lehr- meinungen; ebenso Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 10, entgegen der darin enthaltenen Zitierung nun auch Kienapfel BT II3 § 131 Rz 35, aM Bertel/Schwaighofer BT II4 § 278 Rz 6 für jene Fälle, in denen die Bandenbildung das ausgeführte Delikt qualifiziert). Entgegen der Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO qualifiziert § 143 erster Fall StGB jedoch den Raub durch Begehung als Mitglied einer Bande und nicht durch deren Bildung durch Verbindung mit anderen zur fortgesetzten Ausführung dieses Deliktes.

Somit ist dem Geschworenengericht bei der rechtlichen Beurteilung der seiner Entscheidung zugrunde- liegenden Taten durch Annahme einer echten Konkurrenz der Tatbestände des schweren (Banden-)Raubes und der Banden- bildung kein Rechtsfehler unterlaufen.

Davon ausgehend hat es bei der Strafbemessung durch Heranziehung des besonderen Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 1 StGB die entscheidenden Tatsachen richtig beurteilt und nicht gegen das "Doppelverwertungsverbot" verstoßen.

Auch die weiteren von den Angeklagten erhobenen Strafzumessungsrügen (Z 13) sind unbegründet.

Die Forderung der Angeklagten G***** und K***** auf Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB stellt lediglich ein Berufungsvorbringen dar. Dem Geschworenengericht ist weder ein Ermessensmissbrauch noch eine Überschreitung des Ermessensspielraumes vorzuwerfen, wenn es die Milderungsumstände insgesamt als nicht so gewichtig bewertet, dass man von einem (beträchtlichen) Überwiegen gegenüber den Erschwerungsumständen sprechen könnte (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 17a).

Die mehrfache Qualifikation des schweren Raubes durch bandenmäßige Begehung und Verwendung einer Waffe als Erschwerungsumstand stellt ebenso keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar. Die bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reichende Strafdrohung des ersten Strafsatzes des § 143 StGB setzt nur voraus, dass der erste oder zweite Fall des § 143 StGB verwirklicht wurde. Das Vorliegen beider Qualifikationen ist daher zutreffend als erschwerend zu werten (Mayerhofer aaO E 9a und b).

Wenn Cengiz G***** schließlich die Annahme des Erschwerungsgrundes der "überwiegenden Rolle in der Bande" bekämpft, macht er damit (neuerlich) lediglich einen Berufungsgrund geltend, weil nur die unzutreffende Heranziehung eines für die Strafbemessungsschuld irrelevanten Umstandes Nichtigkeit bewirkt, nicht aber schon die (allenfalls) irrige Einordnung eines für die Strafbemessung relevanten Umstandes als besonderen Strafzumessungsgrund (Mayerhofer aaO E 8 und 8a).

Wenn der Verteidiger des Drittangeklagten im Gerichtstag schließlich vorbrachte, der verwendete Billard- stock sei keine Waffe im Sinne des § 143 StGB, handelt es sich hiebei um eine unzulässige Neuerung (§ 287 Abs 3 StPO); diese Meinung steht zudem in Gegensatz zur ständigen Judikatur (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 143 RN 10 ff.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zur Gänze zu verwerfen.

Auch für ein Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG besteht - der Beschwerde des Cengiz G***** zuwider - mangels Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art 7 B-VG kein Anlaß. Die vom Gesetzgeber im § 5 JGG aufgestellten (im Vergleich zum Erwachsenenstrafrecht günstigeren) Sonderregeln für Jugendstraftaten sind auf Grund der noch nicht gereiften Persönlichkeit von Jugendlichen sachlich gerechtfertigt. Dasselbe gilt für die Relation der (infolge der besonderen Gefährlichkeit hohen) Strafdrohungen des § 143 StGB zu jenen anderer Tatbestände.

Im übrigen hat das Geschworenengericht ohne- dies den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB angenommen und damit der Tatsache Rechnung getragen, dass die Angeklagten der Altersgruppe der "jungen Erwachsenen" zwischen dem 19. und 21. Lebensjahr angehören. Inwieweit durch die Strafdrohungen ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren bewirkt werden sollte, ist nicht einsichtig.

Das Geschworenengericht verhängte unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB über Cengiz G***** eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, über Cetin A***** und Alpaslan K***** jeweils eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

Bei der Strafzumessung wertete es beim Ange- klagten G***** als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen, die Faktenmehrheit, die mehrfache Qualifikation, die Verletzung des Opfers und seine übergeordnete Rolle in der Bande, als mildernd das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung und das Alter unter 21 Jahren; beim Angeklagten A***** als erschwerend die Faktenmehrheit, die mehrfache Qualifikation, die Verletzung des Opfers und seine übergeordnete Rolle in der Bande, als mildernd das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung, das Alter unter 21 Jahren und die "Unbescholtenheit"; beim Angeklagten K***** als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, die Faktenmehrheit, die mehrfache Qualifikation und die Verletzung des Opfers, als mildernd das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung und das Alter unter 21 Jahren.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen der Angeklagten. Sie streben (allenfalls unter Anwendung des "§ 41 StGB") eine wesentliche Herabsetzung der Freiheitsstrafen an, Cengiz G***** ausdrücklich die Verhängung einer Freiheitsstrafe von unter drei Jahren und deren teilbedingte Nachsicht.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Die Tatrichter haben die besonderen Strafbe- messungsgründe richtig und vollständig angeführt sowie auch entsprechend gewichtet.

Wie bereits zur Nichtigkeitsbeschwerde ausge- führt, wurden die mehrfache Qualifikation des Verbrechens des schweren Raubes sowie die Begehung strafbarer Handlungen verschiedener Art ("Faktenmehrheit") zutreffend als erschwerend gewertet. Entgegen seinem Rechtsmittel war der Angeklagte K***** in der Bande nicht in untergeordneter Rolle tätig, sondern hat sich vielmehr nach seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung aktiv an der Planung von Raubtaten beteiligt, seine Schußwaffe zur Verfügung gestellt und auch andere Raubutensilien (Strumpfmasken) besorgt (S 393 ff).

Bei Abwägung der Strafzumessungsgründe ist das Geschworenengericht zutreffend zur Ansicht gelangt, dass die besonderen Milderungsgründe die Erschwerungsumstände nicht beträchtlich überwiegen. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 41 Abs 1 Z 3 StGB, liegen daher nicht vor.

Im Hinblick auf den durch sorgfältige Planung von Raubüberfällen und der wohlorganisierten Ausführung eines solchen Überfalls gezeigten intensiven Täterwillens kommt auch eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen auf das gesetzliche Mindestmaß nicht in Betracht, sodass den Berufungen insgesamt ein Erfolg zu versagen war.

Auch die Verlängerung der Probezeiten von Cengiz G***** im Verfahren 25 E Vr 764/97 und Alpaslan K***** im Verfahren 25 E Vr 2308/95 jeweils des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Strafnachsichten auf fünf Jahre erfolgte zu Recht und besteht daher aus Anlaß der Berufungen (§ 498 Abs 3 StPO) kein Grund für eine Änderung der diesbezüglichen Beschlüsse.

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