OGH 15Os128/02

OGH15Os128/029.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Linz gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 19. Juli 2002, GZ 34 Hv 7/02m-102, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Einziehung des sichergestellten Suchtgiftes (§ 34 SMG) unberührt bleibt, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO im Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (I./) sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache insoweit mit dem Auftrag an das Bezirksgericht Linz verwiesen, nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG vorzugehen.

Text

Gründe:

Mit dem im freisprechenden Teil angefochtenen Urteil wurde Andreas L***** (zu I./) des Vergehens (richtig: der Vergehen) nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: erster und zweiter Fall) SMG schuldig erkannt, weil er in der Zeit von 1993 bis zum 10. April 1998 in Linz und Wien den bestehenden Vorschriften zuwider wiederholt in etwa 20 Fällen Suchtgift, nämlich Marihuana, erworben und besessen hatte.

Von der weiters wider ihn (zu II./) erhobenen Anklage, er habe am 10. April 1998 in Linz Muna A*****

1./ dadurch, dass er sie beim Genick packte und aufforderte sich auszuziehen, wobei er äußerte, wenn sie brav sei, dürfe sie in ein paar Tagen gehen, weiters androhte, er bringe sie um, wenn sie nicht tue, was er wolle, mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchführte, sie anschließend ins Schlafzimmer zerrte, aufs Bett drückte und mit ihr einen Analverkehr durchführte, nach einer Pause wiederum ins Schlafzimmer zerrte und mit ihr einen Geschlechtsverkehrs durchführte und sie durch die angeführten Mittel dazu zwang, seinen Penis in den Mund zu nehmen, mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes und Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt worden sei;

2./ mit Gewalt zur Unterlassung der Verständigung anderer Personen vom unter 1./ beschriebenen Geschehen genötigt, indem er auf die Hörergabel (des Telefons) drückte, das Kabel aus dem Stecker zog und ihr mit der Faust mehrmals ins Gesicht schlug;

3./ durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch sie Hämatome im Bereich des rechten Augenlides sowie oberhalb der rechten Augenbraue und Nasenbluten, verbunden mit Kopfschmerzen, erlitt

wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Erstrichter schenkten der Darstellung der Zeugin Muna A***** mit der Begründung keinen Glauben, dass die Genannte die am 10. April 1998 festgestellten Hämatome entgegen ihren Behauptungen aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens nicht beim Vorfall am selben Tag erlitten haben konnte. Demgemäß erachteten die Tatrichter die leugnende Verantwortung des Angeklagten für nicht widerlegbar, wonach Muna A***** die im Urteilstenor zu II./1./ beschriebenen Sexualakte freiwillig vorgenommen und geduldet habe und die Genannte weder mit Gewalt zur Unterlassung der Verständigung anderer Personen genötigt (II./2./) noch durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt worden sei (II./3./).

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft Linz bekämpft den Freispruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; sie verfehlt ihr Ziel.

Dass aus der weiter diagnostizierten Schwellung (Beule) über der rechten Augenbraue keine sicheren Rückschlüsse auf vorausgegangene Aggressionsakte des Angeklagten gezogen wurden (US 10, 11), ist als Ergebnis der denkmöglichen Würdigung der Beweisresultate im schöffengerichtlichen Verfahren aus Z 5 (vierter Fall) nicht bekämpfbar.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) haben die Erstrichter die Aussage der Regina S*****, der zufolge das rechte Auge der Muna A***** drei Tage nach dem Vorfall ziemlich verschwollen und dunkel verfärbt gewesen sei (S 115/II), nicht mit Stillschweigen übergangen, sondern diese Schilderung ebenso wie die Beobachtung der Birgit H***** (insb S 218/II) mit formell einwandfreier Argumentation verworfen (US 26 unten, 27).

Schließlich würdigten die Tatrichter die Angaben des Zeugen Walter H*****, der vor dem 10. April 1998 bei A***** keine Verletzungen bemerkt haben wollte, denkmöglich in allgemein verständlicher Weise der Sache nach dahingehend, dass eine Falschaussage des Genannten deshalb nicht auszuschließen sei, weil auch dieser als Verursacher der Verletzungen in Frage komme (US 27).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).

Aus deren Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem unbekämpft gebliebenen Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (I./) der von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anhaftet.

Nach den hiezu getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in der Zeit von etwa 1993 bis zum 10. April 1998 wiederholt, in etwa 20 Fällen, jeweils geringe Mengen Marihuana in Wien erworben und in Linz konsumiert. Anlässlich der Hausdurchsuchung am 10. April 1998 sind bei ihm sieben Gramm dieses Suchtgiftes sichergestellt worden (US 12).

Bei dieser Sachlage hätte das Schöffengericht das temporäre Verfolgungshindernis nach § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG (vgl Burgstaller, JBl 2000, 607 f; 15 Os 110/02, 15 Os 131/02) beachten müssen, weil die Verfahrensergebnisse den Erwerb und Besitz (jeweils) einer nur geringen Menge Suchtgift zum eigenen Gebrauch im Sinn des § 35 Abs 1 SMG indizierten. Eine Zusammenrechnung der zu verschiedenen Zeiten zum eigenen Gebrauch erworbenen (und besessenen) geringen Suchtgiftmengen kommt dabei nicht in Betracht (EvBl 1982/110; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 35 Erl IV.2.).

Diese den Angeklagten benachteiligende materiellrechtliche Nichtigkeit bedingt die Aufhebung des Schuldspruches sowie des Strafausspruches einschließlich der Vorhaftanrechnung und die Verweisung der Sache an das nunmehr zuständige Bezirksgericht (Mayerhofer StPO4 § 288 E 49a).

Einer Aufhebung des Ausspruches gemäß § 34 SMG bedurfte es hingegen nicht, weil die Einziehung des sichergestellten Suchtgiftes auch in einem freisprechenden Urteil und in einem objektiven Verfahren möglich ist (11 Os 36/00; Foregger/Litzka/Matzka aaO § 34 Erl VI.).

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