OGH 15Os125/17x

OGH15Os125/17x22.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 6. Juli 2017, GZ 34 Hv 41/17b‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00125.17X.1122.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus S***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 9. Oktober 2016 in A***** Robert G***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung sowie eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB), und zwar zwei 3 cm und 6 cm lange Narben in der linken Gesichtshälfte zur Folge hatte, indem er ihm ein Weinglas gegen die linke Schulter und im Anschluss gezielt gegen das Gesicht schlug.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Angeklagten auf Vernehmung der Zeugen Anja W***** und Torsten Z***** zum Beweis dafür, dass dem Angriff des Angeklagten ein solcher des Tatopfers unmittelbar vorausgegangen sei, wobei G***** ihn an den Haaren erfasst und gezogen habe (ON 19 S 24; vgl die Verantwortung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, wonach ihn ein Mann mit Glatze ohne Vorwarnung an den Haaren vom Hocker gezogen habe, woraufhin er mit beiden Händen gegen diesen fuhr, wobei neben anderen Personen „Torty“ Z***** anwesend war; ON 2 S 12).

Diesen Antrag wies das Erstgericht mit der Begründung ab, es gäbe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die beantragten Zeugen Wahrnehmungen zum verfahrensgegenständlichen Geschehen gemacht hätten.

Zwar hat nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein (erfolgreicher) Beweisantrag neben der Nennung von Beweismittel und Beweisthema auch darzulegen, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (vgl RIS‑Justiz RS0107040). Ein solches Vorbringen ist aber dann entbehrlich, wenn – wie bei einem Antrag auf Vernehmung unmittelbarer (und somit als Beweismittel zur Schilderung des Tathergangs in aller Regel geeigneter) Tatzeugen – die Erfüllung dieser Inhaltserfordernisse für das vom Antragsteller befasste Gericht aus den Umständen oder aufgrund der Verfahrensergebnisse ohne Weiteres zu erkennen ist (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0118444 [T3, T4], RS0099453 [T12]; 13 Os 51/10i; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 ff).

Der Angeklagte bekannte sich in der Hauptverhandlung zu der ihm zur Last gelegten absichtlichen schweren Körperverletzung nicht schuldig (ON 19 S 2) und berief sich – wie bereits in seiner polizeilichen Vernehmung (ON 2 S 11 ff) – auf einen gegenwärtigen Angriff G*****s (ON 19 S 3). Offensichtlich zum Nachweis der Richtigkeit seiner Darstellung beantragte er die Vernehmung der genannten Zeugen.

Zumal der Angeklagte schon bei seiner ersten Vernehmung vor der Polizei Z***** als Tatzeugen nannte (ON 2 S 12), erweist sich die Verfahrensrüge hinsichtlich dieses Zeugen als berechtigt.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil aufzuheben (weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen.

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