OGH 15Os122/06i

OGH15Os122/06i29.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. November 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Roland als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ismet A***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB, AZ 51 E Hv 115/06p des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 28. September 2006, AZ 23 Bs 269/06m, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Ismet A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. August 2006 wurde Ismet A***** des - als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB begangenen - teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie § 15 StGB, schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei ein Teil von zehn Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Über den am 6. Juni 2006 festgenommenen Beschuldigten wurde am 9. Juni 2006 die Untersuchungshaft verhängt. Diese wurde nach einem Enthaftungsantrag des Beschuldigten von der Einzelrichterin am 30. August 2006 aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortgesetzt. Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 55) gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen gerichteten Beschwerde des Beschuldigten keine Folge und ordnete die weitere Fortsetzung der Haft aus dem Grund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO an. Unter einem wurde dem Erstgericht die Bestimmung einer Kaution aufgetragen; diese wurde am 29. September 2006 festgesetzt (ON 54). Mit Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. Oktober 2006 (ON 58) wurde in Stattgebung der Berufung des Beschuldigten der Schuldspruch teilweise aufgehoben und für den verbleibenden Teil eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten verhängt, wovon ein zehnmonatiger Strafteil unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Haftentscheidung des Oberlandesgerichtes richtet sich die am 19. Oktober 2006 zur Post gegebene, sohin rechtzeitige Grundrechtsbeschwerde des Ismet A*****.

Eingangs wird bemerkt, dass die Ausführung einer Grundrechtsbeschwerde durch einen nach § 41 Abs 2 StPO für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss (§ 41 Abs 5 StPO) beigegebenen Verteidiger uneingeschränkt zulässig ist (RIS-Justiz RS0108969), somit zeitlich gesehen auch nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils.

Die Grundrechtsbeschwerde behauptet substratlos, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts habe der Beschwerdeführer „bereits mehr als dreieinhalb Monate der insgesamt maximal zu verbüßenden unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verbüßt", daher sei die Untersuchungshaft unverhältnismäßig gewesen. Zum einen hat das Schöffengericht nicht eine fünfmonatige, sondern eine 15-monatige Freiheitsstrafe (mit einem bedingt nachgesehenen Strafteil von zehn Monaten) verhängt (s dazu RIS-Justiz RS0118876). Zum anderen steht eine dreieinhalbmonatige Untersuchungshaft auch zu einer zu erwartenden Strafe von fünf Monaten nicht außer Verhältnis. Einer - erst nach der Haftentscheidung des Oberlandesgerichts erfolgten - Herabsetzung der Strafe durch das Berufungsgericht kann naturgemäß kein Einfluss auf die vorangegangene Beurteilung der Angemessenheit zukommen, zumal bei Beurteilung der Angemessenheit der Dauer der Untersuchungshaft das von der ersten Instanz verhängte Strafmaß heranzuziehen ist und Überlegungen zu den Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln unzulässig sind, weil damit dem Rechtsmittelverfahren vorgegriffen würde (vgl RIS-Justiz RS0108401). Soweit die Beschwerde behauptet, die Heranziehung des - vom Erstgericht nicht angenommenen - Haftgrunds der Fluchtgefahr durch den Gerichtshof zweiter Instanz sei „contra legem" erfolgt, weil die Möglichkeit bestanden habe, dass die in erster Instanz verhängte Strafe herabgesetzt werde, in welchem Fall keine Fluchtgefahr bestanden hätte, erschöpft sie sich in einer Hypothese und geht erneut nicht von dem (in diesem Stadium maßstabbildenden; vgl auch RIS-Justiz RS0061107) Urteil erster Instanz aus.

Eine Verletzung des Informationsrechts des Beschuldigten in diesem Zusammenhang (vgl RIS-Justiz RS0120050) wurde von der Grundrechtsbeschwerde nicht einmal behauptet.

Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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