OGH 15Os12/19g

OGH15Os12/19g27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mojtaba N***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 2. Februar 2018, GZ 23 Hv 109/17m‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00012.19G.0227.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – Mojtaba N***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (1./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2./a./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2./b./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3./) schuldig erkannt.

 

Danach hat er am 2. Juli 2016 in R*****

1./ Reza G***** K***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er mit einem Messer versuchte, gegen dessen Körper einzustechen, wodurch Genannter eine an sich schwere und mit einer länger als 24 Tage dauernden (gemeint: US 6) Gesundheitsschädigung verbundene Verletzung, nämlich eine Schnittwunde im Bereich des rechten Ring- und Kleinfingers mit Durchtrennung der oberflächlichen und tiefen Beugesehne und eine minimale Stich-Schnittverletzung im Bereich der rechten Schulter erlitt;

2./ nachangeführte Personen durch nachgenannte Handlungen und Äußerungen, sohin durch gefährliche Drohung mit (zu a./) dem Tod bzw mit (zu b./ zumindest einer Verletzung am Körper; US 5), zu nachangeführten Handlungen bzw Unterlassungen genötigt, und zwar

a./ Abed M*****, welcher die offenkundig bevorstehende gewalttätige Konfrontation zwischen N***** und G***** K***** zu verhindern versuchte und mit einer Hand das Handgelenk und mit der anderen Hand den Oberarm des N*****, welcher ein Messer in seinen Händen hielt, erfasste, durch die Äußerung, er werde diesen „abstechen“, sollte dieser ihn nicht loslassen, zum Loslassen;

b./ Mehrdad G***** durch die Aufforderung, dieser solle weggehen, ansonsten werde er zustechen, wobei er gleichzeitig mit einem Messer in der Hand eine Ausholbewegung ausführte, zur Freigabe des Weges;

3./ Yuosof A***** am Körper verletzt, indem er diesen, der in ein Zimmer zu flüchten versuchte, mit dem zu 1./ angeführten Messer attackierte, wodurch Genannter eine Stichverletzung im Bereich des rechten Rücken/Schulterbereichs erlitt.

 

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten (in der Ausführung als „Berufung wegen Nichtigkeit“ bezeichneten) Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der zu 1./ ausgeführten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall; dSn zum Teil auch Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Feststellungen zur Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) auf Zufügung einer schweren Körperverletzung logisch und empirisch einwandfrei auf das äußere Tatgeschehen gegründet (US 6 f, 17 f, 19) und dabei auch die leugnende Verantwortung des Angeklagten berücksichtigt (US 7 ff). Von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen zu schließen, ist im Übrigen ohne Weiteres rechtsstaatlich vertretbar (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).

Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen (wie aktuell des Mehrdad G*****) aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge (Z 5) entzogen (RIS-Justiz RS0106588). Mit der Frage, ob Genannter den Angeklagten etwa zugunsten seines Bruders Reza G***** K***** falsch belastet haben könnte, haben sich die Tatrichter in diesem Zusammenhang ohnehin auseinandergesetzt (US 12 f, 16 f).

Ebensowenig liegt die behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall; RIS-Justiz RS0099547) vor. Mit bloß pauschalem Verweis auf nicht näher bezeichnete „Zeugenaussagen“ werden konkrete, in den Entscheidungsgründen unrichtig oder unvollständig zitierte Beweisergebnisse von vornherein nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.

Weiters weist die Beschwerde auch nicht auf eine aktenwidrige Wiedergabe im Sinn eines Fehlzitats von Aussagen des Zeugen Mehrdad G***** zu 2./b./ hin. Sie bekämpft insofern bloß den zu 2./b./ vom Erstgericht gezogenen Schluss auf den Bedeutungsinhalt der vom Genannten wiedergegebenen Äußerungen (vgl US 12, 15 f; RIS-Justiz RS0099431). Dieser stützte sich auf die Ausführungen der in der Hauptverhandlung beigezogenen Dolmetscherin, wonach in der farsischen Sprache für Zustechen und Zuschlagen dasselbe Wort verwendet werde (ON 43 S 28).

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keine Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufgezeigt (RIS-Justiz RS0117561).

Welcher der späteren Kontrahenten nun tatsächlich die wechselseitigen Beschimpfungen begonnen hatte (US 4) berührt keine für den Schuldspruch oder die rechtsrichtige Subsumtion entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0099408). Auf die bewusste Einlassung auf eine gewaltsame Auseinandersetzung mit Reza G***** K***** schloss das Erstgericht zudem allein aus der bewaffneten Rückkehr des Angeklagten in das Gebäude und der anschließenden Nötigung von Personen, die ihn von einer tätlichen Konfrontation abzuhalten versuchten (US 17, 19), und nicht etwa daraus, welcher der beiden Kontrahenten die vorangegangenen Verbalinjurien initiiert hatte.

Zusammengefasst bekämpft der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die in der Strafprozessordnung gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht vorgesehene, vom Angeklagten ausgeführte Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war ebenfalls zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0098904).

Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die verbleibende Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe folgt aus § 285i StPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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