OGH 15Os114/22m

OGH15Os114/22m18.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Lonin als Schriftführerin in der Strafsache gegen A* H* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 5. Juli 2022, GZ 38 Hv 45/17h‑101, nach Anhörung der Generalprokuratur den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00114.22M.0118.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* H* des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, nämlich gegen seinen am * 2007 geborenen, sohin unmündigen Sohn M* H*, indem er

I./ ihm im Zeitraum von 2011 bis zumindest 17. Juni 2015 in H* in wiederholten Angriffen zumindest einmal pro Woche entweder mit einem mit Nieten besetzten Gürtel oder einem Wasserschlauch auf Brust, Bauch, Arme und Beine schlug oder die Füße des Unmündigen zwischen zwei Holzstücken einklemmte und in der Folge mit einem Schlauch wiederholt gegen dessen Fußsohlen schlug, wodurch das Kind blutende Wunden, Hämatome und Schmerzen erlitt;

II./ ihn im Zeitraum von 12. Oktober 2015 bis zum 15. April 2016 in Z* mehrmals wöchentlich nachts aufweckte, ihn aufforderte, sein Schlafgewand aus‑ und seine Tageskleidung innerhalb von 30 Sekunden anzuziehen, und ihm danach Ohrfeigen versetzte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) waren die Tatrichter nicht dazu gehalten, sich mit einem Detail der Aussage des Zeugen M* H* während seiner kontradiktorischen Vernehmung („manchmal sag ich mehr, als was war“; ON 12 S 49) gesondert auseinander zu setzen, betraf dieses doch nur die Frage einer allfälligen (weiteren) Verletzung des Zeugen an der Schulter. Im Übrigen haben die Tatrichter die Angaben des Zeugen bei der kontradiktorischen Vernehmung – mit logisch und empirisch mängelfreier Begründung (Z 5 vierter Fall) – für glaubwürdig erachtet und dazu ausdrücklich festgehalten, dass der Zeuge nicht den Eindruck machte, „etwas ausschmücken oder exzessiv erzählen zu wollen, sondern eher die Gewalt gegen sich selber nüchtern zu beschreiben“ (US 6).

[5] Soweit die Rüge weiters kritisiert, die Zeugen W*, S* und H* hätten keinerlei eigene Wahrnehmungen zu den Angriffen des Angeklagten (wovon das Erstgericht ohnehin ausging [US 5 f]), weshalb ihre Angaben „gänzlich ungeeignet“ seien, bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.

[6] Die Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), es hätten „Feststellungen“ zu einer Eignung der Gewalthandlungen, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit des Opfers zu bewirken und es in einen permanenten Zustand der Angst zu versetzen, getroffen werden müssen (vgl aber zur Einordnung der „Eignung“ als Rechtsfrage RIS-Justiz RS0132824), wird nicht argumentativ aus dem Gesetz abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565; RS0118429). Im Übrigen ist eine solche Eignung bei regelmäßigen, über mehrere Jahre hinweg zumindest einmal wöchentlich erfolgten körperlichen Misshandlungen des zu Beginn der Tathandlungen vier Jahre alten Opfers in Form von Schlägen mit einem Gürtel oder Wasserschlauch gegen Brust, Bauch, Arme und Beine sowie gegen die Fußsohlen, die auch zu Verletzungen führten, sowie später in Form von Ohrfeigen (US 2 f), fraglos zu bejahen (vgl RIS-Justiz RS0127377).

[7] Weshalb – in subjektiver Hinsicht – über die Konstatierungen, dass der Angeklagte bei jeder Tathandlung beabsichtigte, M* H* fortgesetzt am Körper zu misshandeln oder zu verletzen sowie diese Tathandlungen länger als ein Jahr gegen seinen unmündigen Sohn auszuüben (US 3 f), weitere Feststellungen zu einem auf die Eignung der Gewaltakte, „das Opfer in seiner freien Lebensführung schwerwiegend zu beeinträchtigen“, gerichteten Vorsatz erforderlich sein sollten, legt die – nicht vom Gesetzestext ausgehende – Rüge nicht dar.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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