OGH 15Os113/05i

OGH15Os113/05i19.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael St***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Juni 2005, GZ 121 Hv 44/05k-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Wimmer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Michael St***** wird nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von elf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael St***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs l und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er sich am 5. November 2004 in Wien 55.000 Euro Bargeld, die ihm als Kassier der Österreichischen Post AG durch seinen Dienstgeber anvertraut worden waren, mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Er wurde hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein elfmonatiger Strafteil für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Als erschwerend wertete das Schöffengericht dabei den „Missbrauch der Vertrauensstellung".

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs l Z 5, 5 a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5) verfehlt ihr Ziel.

Dem Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung zuwider hat das Schöffengericht die Feststellung, wonach der Angeklagte als Hauptkassier den Schlüssel zur inneren Tresortür stets bei sich verwahrte und den Tresorraum vorschriftsmäßig immer (somit auch im Tatzeitraum) - für Dritte nicht zugänglich - versperrt hielt (US 4), aus der von mehreren Zeugen deponierten entsprechenden grundlegenden Verpflichtung im Zusammenhalt mit der von den Zeugen Stephan T***** und Rainer R***** geschilderten Sorgfalt des Angeklagten ohne Verstoß gegen die Grundsätze folgerichtigen Denkens und grundlegende Erfahrungen abgeleitet (US 8, 9f, 14). Indem sich die Beschwerde - ohne im Übrigen ein unrichtiges Referat von Verfahrensergebnissen (Z 5 letzter Fall) aufzuzeigen - nicht an der Gesamtheit dieser Entscheidungsbegründung orientiert, sondern aus dem Fehlen von Beweisergebnissen zu den konkreten Sperrverhältnissen der Tresortür im Tatzeitraum für den Angeklagten günstigere Schlüsse abzuleiten sucht, bekämpft sie bloß, wie auch ihr Hinweis auf den Zweifelsgrundsatz zeigt, die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung.

Dies trifft auch auf die gegen jenen Begründungsteil des Ersturteils gerichteten Einwände zu, mit welchem das Schöffengericht ausführlich dargelegt hat, weshalb es eine Tatbegehung durch Gelegenheitspersonen auch unter der - hypothetischen (US 8 letzter Absatz) und damit zu der zuvor genannten Feststellung nicht widersprüchlichen - Annahme eines im Tatzeitraum unversperrten Zustandes der inneren Tresortür für ausgeschlossen erachtete (US 8 bis 16). Das angenommene Fehlen eines räumlichen Naheverhältnisses der Postbediensteten Stephan T*****, Christiana J***** und Sonja Sch***** sowie der Bedienerin Dobrinka P***** zum Tresorraum (wegen Aufenthalts in anderen Bereichen des Postamtes) im fraglichen Zeitraum des 8. November 2004 konnte das Erstgericht mängelfrei auf die Angaben dieser Zeugen (S 319, 297, 223, 305) stützen (US 9). Eine offenbar unzureichende Entscheidungsbegründung zeigt der Beschwerdeführer auch mit substratlosen Zweifeln an der Plausibilität der die Zeuginnen Azur C***** und Roswitha J***** betreffenden beweiswürdigenden Erwägungen (US 9) nicht auf; der auf die Wertung der die Frage der Anwesenheit der C***** im Postamt betreffenden Aussage der Zeugin J***** bezogene Einwand der Aktenwidrigkeit verkennt, dass Gegenstand derselben nur eine unrichtige Wiedergabe von Beweisergebnissen (RIS-Justiz RS0099431) sein kann, nicht aber wie vorliegend eine aus dem Vergleich von Verfahrensergebnissen gezogene Schlussfolgerung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten zu wecken. Die von der Beschwerde kritisierten Urteilsannahmen zur Spielereigenschaft und zur prekären finanziellen Situation des Angeklagten betreffen keine entscheidende Tatsache, sondern lediglich das Tatmotiv (vgl zuletzt 13 Os 17/05g). Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass eine ordnungsgemäße Kreditrückführung an der Tatsache der Verschuldung nichts zu ändern vermochte. Mit der Behauptung, durch das Unterbleiben der Vernehmung weiterer Gelegenheitspersonen habe das Erstgericht seine Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung verletzt, versäumt es der Beschwerdeführer darzutun, welche konkreten Beweise seiner Ansicht nach noch aufgenommen werden hätten müssen und wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, solche Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert gewesen sein sollte (RIS-Justiz RS0115823). Ergänzend bleibt anzumerken, dass weiteren Beweisaufnahmen zum relevierten Thema nur unter der - vom Erstgericht aber mängelfrei verneinten - Prämisse eines im Tatzeitraum unversperrten Zustandes der inneren Tresortür Relevanz zugekommen wäre. Gleiches gilt schließlich für die Beschwerdekritik am Unterbleiben einer erkennungsdienstlichen Spurensicherung im Tresorraum (vgl auch US 16 letzter Absatz).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher im aufgezeigten Umfang - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der im Wesentlichen die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholenden Stellungnahme der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - zu verwerfen.

Zutreffend macht aber die Strafbemessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) einen in der Wertung des - bereits für den Tatbestand der Veruntreuung charakteristischen - Missbrauchs der Vertrauensstellung (US 17) als Erschwerungsgrund begründeten Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; vgl Ebner in WK2 § 32 Rz 62) geltend. Denn Umstände, die bereits die Strafdrohung bestimmen, dürfen bei der Strafbemessung im engeren Sinn nicht als erschwerend oder mildernd berücksichtigt werden (Fabrizy StGB8 § 32 Rz 4).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch unberührt bleibt, im Ausspruch über die Strafe aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO mit Strafneubemessung vorzugehen.

Dabei war kein Umstand als erschwerend zu werten, als mildernd hingegen der zuvor ordentliche Lebenswandel des Angeklagten. Das zivilrechtliche Schadensanerkenntnis ist kein Milderungsgrund (RIS-Justiz RS0091354). Die Schuld des Angeklagten im Rahmen des ihm zur Last liegenden Vorsatzdelikts wird auch nicht dadurch gemindert, dass ihm die Begehung der Tat möglicher Weise durch mangelnde Sicherungsvorkehrungen Dritter erleichtert worden ist, zumal von einer dem Milderungsgrund der besonders verlockenden Gelegenheit (§ 34 Abs 1 Z 9 StGB) gleichwertigen Situation hier nicht die Rede sein kann.

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte wegen der Tat auch im Disziplinarwege ernstliche Nachteile zu besorgen hat (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB; vgl Ebner in WK2 § 32 Rz 34), erachtet der Oberste Gerichtshof - unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius - eine 15-monatige Freiheitsstrafe als moderate und keinesfalls tat- und täterinadäquate Sanktion, sodass die bereits vom Erstgericht ausgemessene Strafe zu verhängen war.

Aus den bereits vom Schöffengericht angeführten Gründen spezial- und generalpräventiver Natur bedarf es des Vollzugs eines - mit vier Monaten wiederum moderat bemessenen - Teils der Strafe. Generalpräventiven Belangen wird durch bloße Berichterstattung der Printmedien über ein Strafverfahren in der Regel nicht Genüge getan.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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