OGH 15Os111/99

OGH15Os111/999.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mittermayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Udo W***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter nach § 12 (zweiter Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. März 1999, GZ 6 c Vr 3959/98-101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Udo W***** wurde des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3, Abs 4 Z 3 SMG, teilweise als (richtig:) Bestimmungstäter nach § 12 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, welche das Fünfundzwanzigfache der im § 28 Abs 2 SMG angeführten Menge ("bei weitem") übersteigt, gewerbsmäßig nach Österreich eingeführt und zur Einfuhr nach Österreich durch die abgesondert verfolgte Manuela F***** beigetragen, nämlich

(1) Anfang Dezember 1994 beim Grenzübergang Passau im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der gesondert verfolgten Manuela F***** als Mittäterin eine nicht mehr feststellbare Menge Haschisch bzw Marihuana aus "Holland" aus- und nach Österreich eingeführt;

(2) in Wien zur Einfuhr nachstehender Suchtgiftmengen durch Manuela F***** beigetragen, indem er sie jeweils zu Schmuggelfahrten unter Benützung ihres PKWs von "Holland" nach Österreich bestimmte, und zwar

(a) in der Zeit zwischen Februar 1995 und 11. oder 12. März 1998 zu elf Schmuggelfahrten, bei welchen sie nicht mehr genau feststellbare Mengen Haschisch und Marihuana im Bereich von mindestens 70 kg nach Österreich transportierte;

(b) einige Tage vor dem 22. April 1998 zur Einfuhr von 15 kg Haschisch.

Die dagegen aus Z 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert die mangelnde Belehrung der Zeugin über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO.

Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vermag weder ein anhängiges oder bereits beendetes Verfahren gegen eine als Zeuge in Betracht kommende Person noch deren sich darauf berufende Entschlagungserklärung für sich allein eine rechtswirksame Zeugnisbefreiung zu begründen. Bei einer derartigen Konstellation hat das erkennende Gericht vielmehr zu prüfen, ob die Aussage des Zeugen die Gefahr einer Selbstbe- zichtigung in dem gegen ihn geführten Strafverfahren herbeizuführen geeignet ist. Von einem Zeugen, der - wie hier - einen gegen ihn erhobenen Vorwurf bereits als zu Recht bestehend anerkannt hat, kann im allgemeinen nicht angenommen werden, daß er sich im Umfang seines Geständnisses durch eine inhaltsgleiche wahrheitsgemäße Aussage belasten, dh ein zusätzliches Beweismittel gegen sich schaffen könnte (zuletzt 15 Os 204,205/98 uvam). Demgemäß kam der Zeugin im Umfang der Fakten, derentwegen sie (auf Grund ihres Geständnisses) bereits rechtskräftig verurteilt ist (US 10), kein Entschlagungsrecht zu, weshalb sich auch eine Belehrung erübrigte. Insoweit sich die Vernehmung der Zeugin auf Vorfälle bezog, bezüglich derer zu Beginn der Hauptverhandlung offengeblieben war, inwiefern sie sich dazu in dem gegen sie geführten Verfahren schuldig bekannt hatte, wurde sie ohnedies in der gemäß § 276a StPO am 24. März 1999 neu durchgeführten Hauptverhandlung über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 StPO belehrt (S 491/II). Die Beschwerdebehauptung über eine mangelnde Belehrung in der Hauptverhandlung vom 25. November 1998 (richtig: ON 72) sei dem Protokoll nicht zu entnehmen, bedarf somit keiner weiteren Erörterung. Im Hinblick auf die tatsächlich vorgenommene Belehrung und die darauf erfolgte Erklärung der Zeugin, aussagen zu wollen, erübrigt sich ein Eingehen auf alle diesbezüglichen Beschwerdeeinwände.

Das Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5a), das Erstgericht habe im Spruch den Transport von Haschisch und Marihuana, in den Gründen jedoch von Haschisch oder Marihuana oder nur von Haschisch festgestellt, betrifft keine entscheidende Tatsache und stellt somit keine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen dar. Denn zum einen ist bereits durch die eingeführte Menge von 15 kg Haschisch laut Faktum 2 des Urteilsspruches (die beschlagnahmt wurde und einen Reinheitsgehalt von 1.389,9 Gramm THC aufwies) die nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG erforderliche Menge überschritten; zum anderen ist bei Annahme eines (gewichts- nicht volumsmäßig zu berechnenden) Reinheitsgehalts von 4 % THC bei jeder der zum Faktum 2a genannten Fahrten - gleichgültig, ob jeweils rund 7 kg Haschisch oder Marihuana transportiert wurde (US 7) - auch bei jeder einzelnen Fahrt die große Menge von 20 Gramm reinem THC (SuchtgiftgrenzmengenVO, Anhang 4.) ebenfalls überschritten.

Soweit unter diesem Nichtigkeitsgrund (unter undifferenzierter Berufung auch auf Z 5) die Glaubwürdigkeit der Zeugin F***** in Zweifel gezogen wird, bekämpft der Angeklagte die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung, indem er versucht, aus isoliert hervorgehobenen Einzelaspekten ihrer Aussage und daran knüpfender eigenständiger, jedoch verfahrensfremder Würdigung der Beweisergebnisse zu einem von ihm als günstiger angesehenen Ergebnis zu gelangen. Dabei läßt der Nichtigkeitswerber jedoch prozeßordnungswidrig außer acht, daß die Tatrichter gemäß den Regeln der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) in einer Gesamtschau aller maßgebenden Beweisergebnisse (so etwa der Rufdatenauswertung, den Resultaten der Kontoöffnung der Kreditkarte der Zeugin F***** und deren Angaben anläßlich der Vernehmung im Rechtshilfeweg) sowie unter Verwertung des von der Zeugin und dem Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks nicht nur deren Persönlichkeit, sondern auch Widersprüche kritisch hinterfragt, gewürdigt und schlüssig sowie denklogisch dargelegt haben, warum sie ihrer Aussage gefolgt sind und die leugnende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig angesehen haben (US 9 f). Insgesamt vermag er damit aber weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandekommende Mängel in der Sachverhaltsermittlung noch aktenkundige Beweisergebnisse aufzuzeigen, die nach den Denkgesetzen und der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) läßt eine gesetzmäßige Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes vermissen. Hiefür wird nämlich nicht nur ein striktes Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt gefordert, sondern auch der ausschließlich auf dieser Basis geführte Nachweis, daß dem Erstgericht bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes, sei es auch zufolge eines Feststellungsmangels, ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Dabei darf weder ein konstatierter Umstand übergangen noch die Entscheidungs- grundlage eigenmächtig erweitert werden. In eben diese prozessualen Fehler verfällt die Beschwerde, indem sie mit der Behauptung, das Erstgericht habe nicht festgestellt, "daß diese Fahrten (in der Zeit vom 9. bis 10. März ....... bis 17. November 1995) über Auftrag oder bloßes Ersuchen des Angeklagten durchgeführt wurden", weshalb es an der Grundlage zur Annahme einer Bestimmungstäterschaft mangle, die Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit negiert, woraus sich mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, daß Manuela F***** vom Angeklagten vorerst anläßlich einer "Probefahrt" über die Art und Abwicklung der einzelnen Schmuggelfahrten aufgeklärt, in die Vorgangsweise eingeführt und dann zur gesonderten Durchführung der einzelnen Transporte aufgefordert wurde (US 5 bis 7).

Der Beschwerde zuwider wurden im Urteil (S 6 bis 8) insgesamt elf Schmuggelfahrten datumsmäßig festgestellt. Im übrigen betrifft die Frage, ob die Zeugin in der Zeit von Februar 1995 bis 12. März 1998 zehn oder elf Schmuggelfahrten durchgeführt hat, keine entscheidende Tatsache.

Die in der Äußerung vertretene Meinung des Angeklagten, die Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe von Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO schließe die Anwendung des § 285d StPO aus, ist verfehlt, denn nur prozeßordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrügen führen zur Anordnung eines Gerichtstages (Mayerhofer StPO4 § 285a E 61, EvBl 1997/154 uam).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür gemäß § 285i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

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