OGH 15Os107/91

OGH15Os107/9126.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Milorad M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4.Juni 1991, GZ 5 Vr 2393/90-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Milorad M***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, am 22.August 1990 in Graz dadurch, daß er Michaela S***** an den Oberarmen und am Oberkörper festhielt, ihre Oberschenkel mit seinen Knien unter Einsatz von Körperkraft auseinanderzwängte und sodann mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang, außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit der Angeklagte zunächst im Rahmen der Verfahrensrüge (Z 4) vorbringt, er sei über das vom Erstgericht außerhalb der Hauptverhandlung eingeholte schriftliche psychiatrische Sachverständigengutachten nicht hinreichend informiert worden, bringt er damit weder den genannten, noch einen anderen Nichtigkeitsgrund gesetzmäßig zur Darstellung. Er übersieht dabei - abgesehen von der gemäß § 45 Abs 2 StPO eingeräumten Möglichkeit der Akteneinsicht - aber auch, daß seinem Verteidiger mit der Ladung zur Hauptverhandlung eine Kopie des Gutachtens zugestellt wurde (siehe Lit Form LgHF 19 in ON 1); zudem hat das Erstgericht - dem Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit folgend - den Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlich erstatteten Gutachtens zur Hauptverhandlung vom 4.Juni 1991 geladen, dort auch ausführlich vernommen und den Parteien die Möglichkeit zur ergänzenden Befragung des Sachverständigen eingeräumt (ON 23). Gerade weil diese Möglichkeit dem Verteidiger gegeben war, sodaß es ihm freistand, seiner Meinung nach dem Gutachten anhaftende Widersprüche oder sonstige Mängel durch ergänzende Befragung des Sachverständigen beseitigen zu lassen, liegen die gesetzlich determinierten Voraussetzungen (§§ 118 Abs 2, 125, 126 StPO) für die Einholung des vom Beschwerdeführer beantragten Gutachtens eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen im konkreten Fall nicht vor, weshalb die Ablehnung dieses Antrages durch die Tatrichter keine Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 4 StPO begründet. Grundsätzlich ist im Strafverfahren nämlich nur ein Sachverständiger beizuziehen. Gemäß § 126 Abs 1 StPO ist die Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens nur für den Fall vorgesehen, daß sich gegen das Gutachten vorgebrachte Bedenken nicht durch die nochmalige Vernehmung des Sachverständigen beseitigen lassen. Derartiges wurde aber vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Die Kritik am Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Erwin O***** stellt sich vielmehr als (im Nichtigkeitsverfahren unzulässige) Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes - das dieses Gutachten als ausreichend und unbedenklich gewürdigt hat (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 E 132, 133 zu § 281 Z 4) - dar.

Soweit sich der Angeklagte durch die Abweisung seines Antrages auf "Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens unter Hinzuziehung des Polizeiamtsarztes Dr. P*****" beschwert erachtet, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Tatrichter das damit angestrebte Beweisergebnis, nämlich die Möglichkeit der Verursachung der Verletzungen der Michaela S***** durch Einführen von Tampons, inhaltlich des den Beweisantrag abweisenden Beschlusses (S 190) als mögliche Variante in ihre beweiswürdigenden Überlegungen ohnedies mit einbezogen - in der Folge allerdings verworfen - haben.

Hinsichtlich des weiters abgewiesenen Antrages auf "zeugenschaftliche Einvernahme der Inspektoren N. B*****, N. W***** und N. P***** zum Beweis dafür, daß nach den durchgeführten Ermittlungen, insbesondere unter Verwendung des polizeiärztlichen Befundes AS 45 die festgestellten Verletzungen durch Tampons entstanden sind" (S 189), divergieren das in erster Instanz vorgebrachte Beweisthema und das Beschwerdevorbringen, wonach sich der Angeklagte durch die Abweisung dieses Beweisantrages deswegen beschwert erachtet, weil die Aufnahme der genannten Beweise zum Ergebnis geführt hätten, "daß die Zeugin S***** von allem Anfang an widersprüchliche Angaben gemacht habe und sich nicht damit exkulpieren könne, keine wie immer geartete psychiatrische Unterstützung bei ihren Einvernahmen gehabt zu haben". Da für die Beurteilung der Frage, ob durch ein gegen den Antrag des Beschwerdeführers gefälltes Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte verletzt wurden, ausschließlich auf die Formulierung des Antrages in erster Instanz abzustellen ist, geht die Verfahrensrüge insoweit schon deshalb fehl.

Schließlich übersieht der Beschwerdeführer, wenn er sich durch die Abweisung des Antrages auf "zeugenschaftliche Einvernahme der Zeugen Abduselam H*****, Tatjana S*****, Ferdo K***** und Slobodanka M*****" beschwert erachtet, daß ein im Sinne des § 281 Abs 1 Z 4 StPO erheblicher Beweisantrag das Beweisthema, das Beweismittel und auch die Umstände anführen muß, die erwarten lassen, daß die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis haben werde. Mit der Formulierung des Beweisantrages, er diene zum Beweis dafür, "daß in der von der Zeugin behaupteten Zeit dermaßen viele Telefonate durch den Angeklagten geführt wurden, daß der Angeklagte - so wie es die Zeugin Michaela S***** behauptet - keine Zeit gefunden hätte, den Tatbestand zu setzen", wurden solche Umstände nicht dargetan, weswegen dieser Antrag ohne Verletzung der Verteidigungsrechte des Angeklagten abgewiesen werden durfte.

Die Verfahrensrüge ist somit zur Gänze unberechtigt.

In seiner Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Angeklagte die Unvollständigkeit und Aktenwidrigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die behaupteten formalen Begründungsmängel liegen nicht vor.

Das Schöffengericht hat die bekämpften Urteilsfeststellungen über den Tatverlauf beweiswürdigend (§ 258 Abs. 2 StPO) auf die als glaubwürdig beurteilte Aussage der Zeugin Michaela S***** gestützt und die für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes wesentlichen Tatsachen auch entsprechend begründet. Wenn die Beschwerde einzelne Details des Akteninhaltes aus dem Gesamtzusammenhang löst und isoliert betrachtet, bekämpft sie damit in Wahrheit (abermals) nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. In Anbetracht des Gebotes der Abfassung der Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht nicht verhalten, auf alle Einzelheiten der Zeugenaussage der Michaela S***** einzugehen. Die Tatrichter haben ihrer Begründungspflicht vielmehr dadurch entsprochen, daß sie unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Aussage dieser Zeugin, also auch der in der Beschwerde angeführten Details, deren Bekundungen Glaubwürdigkeit zuerkannten und dem entgegenstehenden Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze den Glauben versagten (siehe dazu Mayerhofer-Rieder aaO E 105 zu § 270 und E 8 zu § 281 Z 5).

Die behaupteten Aktenwidrigkeiten schließlich betreffen keine entscheidenden Tatsachen, sondern lediglich unbedeutende Details des in den wesentlichen Punkten unmißverständlich festgestellten und ausreichend begründeten Sachverhaltes.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) wiederholt der Angeklagte in seinem Bestreben, die Glaubwürdigkeit der Zeugin Michaela S***** neuerlich in Zweifel zu ziehen, im wesentlichen seine bisherige Verantwortung und die Ausführungen zum vorstehend behandelten Nichtigkeitsgrund, vermag aber damit keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Beschwerdeführers zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen (auch auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks) führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist einer Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 5 a StPO entzogen (EvBl 1988/109 = NRsp 1988/188).

In seinen Ausführungen zur Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO vermißt der Angeklagte Feststellungen zum subjektiven Tatbestand. Dazu genügt es, ihn auf den Inhalt des angefochtenen Urteiles (insbesondere S 196) zu verweisen, wo sich - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite finden. Indem die Beschwerde dies negiert, führt sie die Rechtsrüge insoweit nicht dem Gesetz gemäß aus. Von einem dem Vorbringen zur Z 10 des § 281 Abs 1 StPO unterstellten "Wegfall der Subsumtion nach § 201 Abs 2 StGB" kann demnach keine Rede sein, weswegen sich die Erörterung der darauf aufbauenden Beschwerdeargumente erübrigt.

Insgesamt war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Graz zuständig ist (§ 285 i StPO).

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