OGH 15Os104/22s

OGH15Os104/22s5.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * B* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. August 2022, GZ 44 Hv 50/22a‑83, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Angeklagten * B* und seines Verteidigers Mag. Jodlbauer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00104.22S.1205.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Verhängung einer Freiheitsstrafe über * B* (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

* B* wird für die ihm zur Last liegenden Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 2 Z 2 SMG (B./), der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz und Abs 3 SMG (C./) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall und Abs 3 SMG (D./) unter Anwendung des § 28 StGB nach § 28a Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von

zwei Jahren

verurteilt.

Auf diese Entscheidung wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte * B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 SMG (B./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 3 SMG (C./) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall, Abs 3 SMG (D./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * R* als Mittäter (§ 12 StGB) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, der zumindest die Angeklagten B* und R*, der abgesondert verfolgte * Ri* sowie unbekannte Täter angehörten, vorschriftswidrig

B./ „zu einem nicht festzustellenden Zeitpunkt bis zum 7. Dezember 2021“ Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, und zwar insgesamt 3.230 Gramm Cannabiskraut (Wirkstoff: Delta‑9‑THC und THCA) mit einem im Urteil zu sieben Teilmengen im Einzelnen benannten Reinheitsgehalt, indem sie die suchtgifthältigen Teile der Cannabispflanzen von diesen abtrennten;

C./ von zumindest September 2021 bis 7. Dezember 2021 (weitere) Cannabispflanzen (Wirkstoff: Delta‑9‑THC und THCA) zum Zwecke der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, und zwar durch Betreiben einer Plantage in einer Wohnung im Ausmaß von 64 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung von zumindest 1.280 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 0,86 % Delta‑9‑THC und 11,26 % THCA;

D./ „von einem nicht festzustellenden Zeitpunkt bis zum 7. Dezember 2021“ die unter B./ angeführte Menge an Cannabiskraut mit den dort angeführten Mengen an Delta‑9‑THC und THCA mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem sie das Suchtgift in einer Wohnung in * für den Weiterverkauf lagerten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*, welche sich – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – als teilweise berechtigt erweist.

[4] Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) vermisst Feststellungen zum Vorliegen eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung „bestimmte Verbrechen“ ausgeführt werden. Sie übergeht jedoch prozessordnungswidrig (vgl RIS-Justiz RS0099810) die dazu getroffenen Urteilsfeststellungen, wonach seit mehreren Jahren eine international agierende, aus Serbien stammende Tätergruppe, die eine Vielzahl von Mitgliedern aufweist, Suchtgift nach Wien schmuggelt, in W* und Umgebung Suchtgift, nämlich Heroin, Kokain und Cannabiskraut verkauft und auch Cannabisplantagen betreibt, wobei der Angeklagte B* „in der Tätergruppe“ als „Bunkerhalter“ agierte, aber insbesondere auch für das Erzeugen einer im Einzelnen konstatierten (die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden) Menge von Cannabiskraut durch Abernten einer Plantage verantwortlich war (US 6 f).

[5] Hingegen zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) zutreffend auf, dass die Heranziehung der mangelnden Schuldeinsicht des Angeklagten B* („mangelnde Kooperation und völlige Uneinsichtigkeit“; US 16) als eine für die Ablehnung der Gewährung bedingter Nachsicht auch nur eines Teils der Strafe (mit‑)entscheidende Tatsache einen unvertretbaren Gesetzesverstoß iSd § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO darstellt. Das Recht des Angeklagten, seine Verantwortung frei zu wählen (§§ 49 Abs 1 Z 4, 164 Abs 1 und 4, 245 Abs 2 StPO) und sich nicht selbst zu belasten, ist ein wesentlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens (Art 6 Abs 1 MRK; Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 24 Rz 138). Dieses Recht darf durch den Vorwurf der mangelnden Schuldeinsicht bei der Sanktionsfindung nicht konterkariert werden (RIS‑Justiz RS0090897 [T11]).

[6] Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur ist jedoch das Konfiskationserkenntnis nicht mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO behaftet, weil das Schöffengericht die Verwendung der elektronischen Geräte zur Begehung der Straftaten (§ 19a Abs 1 erster Fall StGB) sehr wohl festgestellt hat (US 17, vgl auch US 6).

[7] Somit war – wie aus dem Spruch ersichtlich – in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche im Übrigen zu verwerfen war, mit Aufhebung vorzugehen.

[8] Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, mildernd hingegen die Sicherstellung von Suchtgift und die Unbescholtenheit. Angemerkt sei, dass der Konfiskationsausspruch – entgegen dem Berufungsvorbringen – nicht mildernd zu berücksichtigen war (RIS-Justiz RS0130619).

[9] Ausgehend von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erachtete der erkennende Senat die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion als angemessen. Im Hinblick auf das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und den Tatzeitraum von einigen Monaten kam aus spezialpräventiven, aber auch aus generalpräventiven Gründen eine auch nur teilweise bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht.

[10] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte