OGH 15Os104/17h

OGH15Os104/17h19.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung der Nada K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Mai 2017, GZ 91 Hv 59/16m‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00104.17H.0919.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung der Nada K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB mit der Begründung abgewiesen, dass es sowohl an einer mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Anlasstat (vgl US 8 f) als auch an der Gefährlichkeit der Betroffenen (vgl US 9 f) mangle.

Dem Antrag zufolge habe Nada K***** in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer schizo‑affektiven Psychose beruht,

I./ andere mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

A./ am 7. Mai 2016 Aleksandra F*****, indem sie zu ihr gesagt habe, sie werde sie „abstechen“, wobei sie dies mit einer Geste, als würde sie Stichbewegungen ausführen, unterstrich;

B./ am 14. Mai 2016 Violetta L*****, indem sie ein Messer mit einer feststehenden Klinge von rund 11 cm Länge drohend gezeigt und ihr sinngemäß gesagt habe, sie „steche sie ab“, das Messer gegen sie gerichtet und Stichbewegungen angedeutet habe,

II./ am 3. Juni 2016 Miodrag S***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, und zwar zum Verlassen ihrer Wohnung genötigt, indem sie ihm ein Küchenmesser mit einer feststehenden Klinge von rund 20 cm Länge drohend vor seinen Bauch gehalten und ihn angeschrien habe, er solle sofort die Wohnung verlassen,

sohin Taten begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I./) und als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, wobei nach ihrer Person, nach ihrem Zustand und nach der Art der Taten zu befürchten sei, dass sie sonst unter dem Einfluss ihrer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde (ON 12).

Rechtliche Beurteilung

Gegen das eingangs genannte Urteil richtet sich die von der Staatsanwaltschaft aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 iVm § 433 Abs 1 StPO erhobene – mit einer gegen die negative Prognose gerichteten Berufung verbundene – Nichtigkeitsbeschwerde, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

Der Begründungsmangel der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist; dabei sind stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick zu nehmen (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3]).

An diesen Prämissen orientiert sich die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) nicht, indem sie den Vorwurf undeutlicher Feststellungen zum – von der Betroffenen gewollten – Sinn und Bedeutungsinhalt des am 14. Mai 2016 gesetzten Verhaltens (I./B./) bloß isoliert aus einer einzelnen Urteilspassage (nämlich US 5 [unten] f: „Auch waren […] den von ihr [Anm: der Betroffenen] getätigten Drohungen ein geringerer Bedeutungsgehalt als die wortwörtliche Drohung mit dem 'Abstechen' beizumessen.“) ableitet. Denn aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ist – der diesbezüglichen Beschwerdebehauptung zuwider – unmissverständlich ersichtlich, dass die Betroffene jedenfalls keine Drohung mit dem Tod ausstieß, sondern dem Opfer bloß eine Verletzung am Körper in Aussicht stellte (vgl US 4, 5 f und insbesondere 8).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts (einschließlich prozessualer Verfolgungs-voraussetzungen) mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Ausgehend davon ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz http://193.58.211.1/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099810&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ). Ein Feststellungsmangel wird demgegenüber geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580).

Diesen Anfechtungskriterien wird die – Feststellungen zum Sinn und Bedeutungsinhalt der zu I./B./ (Vorfall vom 14. Mai 2016) inkriminierten Äußerung vermissende – Rüge (nominell Z 9 lit a und Z 10, der Sache nach nur Z 9 lit a) nicht gerecht, übersieht sie doch die bezughabenden Urteilsannahmen, wonach die Betroffene L***** nur mit einer Verletzung am Körper – und jedenfalls nicht mit dem Tod – bedrohte (vgl US 4, 5 f und insbesondere 8).

Mit Blick auf diese eindeutigen Konstatierungen zum Sinngehalt der Drohung stellt sich die nachgelagerte – von der Beschwerdeführerin in ihrer Rüge als unrichtig gelöst bezeichnete – Rechtsfrage nach der Eignung der Drohung, begründete Besorgnis in Richtung einer Tötung hervorzurufen, nicht (vgl RIS‑Justiz RS0092448, RS0092160, RS0092588).

Da die von der Staatsanwaltschaft allein in Beschwerde gezogenen Urteilsannahmen betreffend die Tat vom 14. Mai 2016 (die lediglich eine Subsumtion unter § 107 Abs 1 StGB zulassen) nicht erfolgreich bekämpft werden, erübrigt sich schon mangels des von § 21 Abs 1 StGB vorausgesetzten Vorliegens einer mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Anlasstat ein Eingehen auf das gegen die Nichtannahme einer spezifischen Gefährlichkeit iSd § 21 Abs 1 StGB gerichtete, auch mit der Berufung geltend gemachte Vorbringen der Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Das gilt auch für die solcherart gegenstandslose Berufung.

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