OGH 15Os100/16v

OGH15Os100/16v16.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Ionel L***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Teodor T***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 12. April 2016, GZ 30 Hv 73/15h‑400, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00100.16V.1116.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten T***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter sowie ebenfalls rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde Teodor T***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall und Abs 2 erster Fall StGB (B iVm A I) sowie jeweils mehrerer Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (B iVm A III) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B iVm A IV) jeweils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Nach dem Schuldspruch haben

A. Ionel L*****, Sorin S***** und Marius Z***** am 16. November 2007 in A*****

I. als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung der jeweils anderen Mitglieder der kriminellen Vereinigung Christine G***** dadurch, dass sie ihr eine Spielzeugpistole vorhielten, sie schubsten, ihren Kopf mit dem Fuß am Boden fixierten, sie wiederholt zu Boden drückten, sie sowohl an den Händen als auch an den Füßen mit Schals fesselten, sie mehrmals traten und aufforderten, vermögenswerte Gegenstände herauszugeben oder deren Auffindungsort zu verraten, somit durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Modeschmuck mit dem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, sich und T***** durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung des Opfers, nämlich eine länger als 24 Tage anhaltende posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatte (US 13, 19: psychische Leidenszustände vergleichbar mit körperlichen Schmerzen für fünf bis sechs Wochen [ICD‑10 F43.1]);

III. unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, nämlich mehrere Bankomat‑ und Kreditkarten G*****s mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt;

IV. Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, nämlich eine E‑Card sowie mehrere Einkaufskarten G*****s mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

B. T***** vor dem und am 16. November 2007 in W***** L*****, S***** und Z***** als Mitglied der kriminellen Vereinigung durch die Mitteilung, dass es im Haus der Familie G***** viele Wertsachen (vor allem Bargeld in der Größenordnung von einer Million Euro) gebe, samt Aufforderung, zu deren Wohnhaus zu fahren, dort anzuklopfen und die öffnende Person mit einer Waffe zu bedrohen sowie Gewalt gegen diese anzuwenden, zu den unter Punkt A näher umschriebenen strafbaren Handlungen bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten T***** auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet, die Tatrichter hätten die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu B iVm A III und IV nicht oder bloß offenbar unzureichend begründet.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, welche den Kriterien folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0118317 [T1]). Davon kann bei der vorliegenden Begründung, wonach es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass sich in Geldtaschen nicht bloß Bargeld, sondern auch Urkunden sowie Bankomat‑ und Kreditkarten befinden, und auch die Angeklagten über diese Erfahrungswerte verfügten, sowie der Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen (US 21; RIS-Justiz RS0098671) nicht gesprochen werden.

Entgegen dem weiteren Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) war die Verantwortung des Angeklagten T*****, „derartige Karten und Urkunden gar nicht wahrgenommen“ zu haben, als nicht erheblich nicht gesondert erörterungsbedürftig (RIS-Justiz RS0118316), zumal das Schöffengericht davon ausging, dass der Rechtsmittelwerber den Auftrag zur Entsorgung der Geldbörse gab, ohne vorher deren Inhalt zu überprüfen (US 13 f, 21).

Aktenwidrigkeit eines Urteils (Z 5 letzter Fall) ist gegeben, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, wohingegen der Vorwurf an die Tatrichter, aus der Urkunde oder Aussage statt der vertretbarer Weise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, bloß unzulässige Kritik an deren Beweiswürdigung darstellt (RIS‑Justiz RS0099431 [T2]).

Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, aus den auf US 13 angeführten Aktenseiten (ON 359 S 22 [richtig: und S 23], ON 358 S 34) ergebe sich „keineswegs, dass die Entsorgung dieser Karten und Urkunden jemals Thema gewesen wäre“, wird Aktenwidrigkeit jedoch nicht aufgezeigt. Die Tatrichter gingen nämlich erkennbar davon aus, dass T***** den Auftrag gab, die Geldbörsen zu entsorgen, und stützten sich dabei zu Recht auf die zitierten Aussagen der Angeklagten S***** und T***** in der Hauptverhandlung. Dass Letztgenannter dabei die gegenständlichen Karten wahrnahm oder die Angeklagten sie ausdrücklich erwähnten, haben die Erstrichter hingegen nicht angenommen (vgl US 13, 21).

Die Ausführungen, das Erstgericht hätte die Feststellungen betreffend die Vorhersehbarkeit der posttraumatischen Belastungsstörung nur unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), lassen die diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter (US 20 f) prozessordnungswidrig außer Acht.

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil das Schöffengericht bei der Strafbemessung bei nachträglicher Verurteilung gemäß § 31 Abs 1 StGB „die Verwirklichung von zwei (Einbruchs)Fakten“ nach dem Urteil des Landesgerichts Steyr vom 2. Oktober 2008, AZ 11 Hv 109/08x, auf welches Bedacht genommen wurde, als erschwerend annahm (US 25). Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, die Tatbegehung durch Einbruch stelle für sich schon eine (strafsatzbestimmende) Qualifikation dar, weil der Angeklagte des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB (idF vor BGBl I 2015/212) schuldig erkannt worden war, verkennt er, dass das Schöffengericht nicht die Begehung durch Einbruch, sondern die Tatwiederholung als erschwerend wertete.

Das weitere Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11), bei der Ausmessung der konkreten Freiheitsstrafe „scheint ganz wesentlich mitgespielt zu haben, dass die Angeklagten nunmehr als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung angesehen werden und der Berufungswerber sogar als deren Chef“, lässt sich keiner Anfechtungskategorie des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes zuordnen (vgl im Übrigen § 33 Abs 1 Z 4 StGB) und entzieht sich damit einer inhaltlichen Erwiderung.

Das gilt auch für die Behauptung, das Schöffengericht hätte offensichtlich die vom Landesgericht Steyr verhängte Strafe „als viel zu gering empfunden“ und durch die Verhängung der Zusatzstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten korrigiert, wodurch es den in § 17 Abs 1 „StGB“ (gemeint StPO) normierten Grundsatz „ne bis in idem“ verletzt habe.

Aus dem Vergleich mit den über die Mitangeklagten verhängten Sanktionen kann Nichtigkeit ebensowenig abgeleitet werden wie aus jenem mit der früher über den Angeklagten selbst verhängten Strafe, auf welche nach § 31 StGB Bedacht genommen wurde ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 730; RIS‑Justiz RS0108596, RS0106659).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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