Spruch:
Der Oberste Gerichtshof ist zur Regelung der rechtlichen Meinungsverschiedenheit zwischen dem Oberlandesgericht Innsbruck und dem Landesgericht Innsbruck nicht zuständig.
Text
Gründe:
Mit Verfügung vom 8. Mai 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck das gegen Rahmil F***** und andere wegen § 105 Abs 1 StGB geführte Ermittlungsverfahren unter Verständigung des Fortführungswerbers gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1/S 1). Dagegen richtet sich der am 25. Mai 2009 bei der Staatsanwaltschaft eingelangte Fortführungsantrag des Dipl. Vw. Daniel I***** (ON 3), den die Staatsanwaltschaft Innsbruck mit ablehnender Stellungnahme vom 25. Mai 2009 (ON 4) im Wege der Oberstaatsanwaltschaft an das Oberlandesgericht weiterleitete.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 veranlasste die solcherart befasste Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck die Aktenvorlage an das Oberlandesgericht.
Am 8. Juni 2009 langte der Ermittlungsakt zur Entscheidung über den Fortführungsantrag beim Oberlandesgericht ein.
Mit Schreiben vom 19. Juni 2009 leitete das Oberlandesgericht Innsbruck den Akt gemäß § 31 Abs 5 Z 3 StPO iVm § 514 StPO zuständigkeitshalber dem Landesgericht Innsbruck weiter. Mit Note vom 24. Juni 2009 legte das Landesgericht den Akt, die Zuständigkeit gleichfalls verneinend, erneut dem Oberlandesgericht vor.
Rechtliche Beurteilung
Nachdem das Oberlandesgericht die Akten am 1. Juli 2009 neuerlich dem Landesgericht Innsbruck zur Entscheidung über den Antrag auf Fortführung zugeleitet hatte, legte dieses die Akten dem Obersten Gerichtshof „gemäß § 38 StPO" vor.
Nach dieser mit „Kompetenzkonflikt" überschriebenen Bestimmung hat ein Gericht, das sich für unzuständig hält, bei ihm eingebrachte Anträge dem zuständigen zu überweisen. Sofern auch das Gericht, dem überwiesen wird, seine Zuständigkeit bezweifelt, hat es die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken.
§ 38 StPO weicht - soweit hier von Bedeutung - in seiner Textierung von seiner bis 31. Dezember 2007 geltenden Vorgängerbestimmung des § 64 StPO idF vor BGBl I 2004/19 ab, die als „Streitigkeit über die Zuständigkeit von Gerichten" nur Auffassungsunterschiede auf derselben Stufe stehender Gerichte geregelt hatte. Dass der insoweit unklare § 38 StPO nichts anderes meint, ergibt sich jedoch unzweifelhaft aus den EBRV StPRG 57 f, wonach außer dem Fall des § 215 Abs 4 zweiter Satz (§ 213 Abs 6 zweiter Satz) StPO der Oberste Gerichtshof „als gemeinsam übergeordnetes Gericht" nur „bei Gerichten, die nicht dem Sprengel des Oberlandesgerichts zugeordnet sind", zuständig ist (idS auch Fabrizy StPO10 § 38 Rz 1). Diese Sicht liegt außerdem der auf Delegierungen bezogenen Vorschrift des § 39 StPO zu Grunde, wo - nicht anders als in §§ 31, 38, 42 GOG - der Begriff des „unterstellten Gerichts" verwendet wird, in welchem Verhältnis Landesgerichte im Sprengel eines Oberlandesgerichts zu diesem stehen. So ist ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Obersten Gerichtshof und anderen ordentlichen Gerichten von vornherein ausgeschlossen (vgl auch Art 138 Abs 1 B-VG).
Somit kann es zwischen dem Oberlandesgericht Innsbruck und dem diesen unterstellten Landesgericht Innsbruck zu keinem von § 38 StPO geregelten Kompetenzkonflikt kommen. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen im erwähnten Sinn über- und untergeordneten Gerichten gibt vielmehr wie vor dem 1. Jänner 2008 die Sicht des übergeordneten Gerichts den Ausschlag.
Bleibt jedoch anzumerken, dass sich - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt - bei durch teleologische Reduktion verfassungskonformer Interpretation (Art 83 Abs 2 B-VG) des § 514 Abs 5 erster Satz StPO idF des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 52, die sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die dort bis zum 18. Juni 2009 einlangenden Fortführungsanträge ergibt. Die fallbezogen durch die Ablehnung der eigenen Kompetenz begangene Gesetzesverletzung kann aber vom Obersten Gerichtshof nur im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufgegriffen werden.
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