OGH 14Os99/01

OGH14Os99/0111.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Saban B***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Mai 2001, GZ 12e Vr 2.475/00-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Holzleithner, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Pacher, sowie des Vertreters der Finanzstrafbehörde Mag. Guhl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Geldstrafe auf 4,5 (viereinhalb) Millionen Schilling, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Saban B***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien als teils eingetragener, teils tatsächlicher Geschäftsführer und jedenfalls für die steuerlichen Belange zuständiges Organ der Firma S***** Bau und Handels GmbH

1. von Jänner 1998 bis Ende 1999 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar für das Jahr 1998 in Höhe von 3,201.668 S, für das Jahr 1999 in Höhe von 804.924 S;

2. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs-und Wahrheitspflicht,

a) im Oktober 1998 durch Abgabe wahrheitswidriger Jahreserklärungen 1997 bewirkt, dass Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht oder zu niedrig festgesetzt wurden, nämlich Umsatzsteuer 551.275 S und Körperschaftssteuer 293.566 S;

b) von Anfang 1997 bis Ende 1999 eine in unterbliebener Entrichtung gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragssteuer bewirkt, und zwar 1997 643.154 S, 1998 3,736.933 S und 1999 940.244 S.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit c StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) konnte die in der Hauptverhandlung begehrte Vernehmung des Farid B***** und zahlreicher ehemaliger Arbeitnehmer als Zeugen unterbleiben, ohne Verteidigungsrechte zu schmälern.

Dem mit Verdachtserörterungen, umfangreichen Beilagendarstellungen und Rechtsausführungen vermengten Beweisantrag (S 97/III iVm ON 26) fehlte in Ansehung des Erstgenannten die fassbare Angabe jener Umstände, die durch seine Befragung erwiesen werden sollten.

Zum Antrag auf Vernehmung früherer Arbeitnehmer, die angesichts des Vorwurfes gezielt steuerschädlicher Einschaltung von Scheinfirmen (vgl S 4 ff der Anklageschrift ON 11) bestätigen sollten, „dass es sich bei den Subunternehmen um faktisch existente Gesellschaften handelte, für die auch Leute tätig waren, die einzelnen Arbeitern Weisungen erteilen konnten“, hätte es der Angabe von Gründen bedurft, aus denen erwartet werden konnte, durch die begehrte Beweisaufnahme eine Verbreiterung der entscheidungswesentlichen Sachverhaltsgrundlage zu erzielen. Weshalb die Arbeitnehmer Einblick in die hier interessierenden Zusammenhänge zwischen den Gesellschaften gewonnen haben könnten, ist keineswegs von selbst einsichtig. Im Rechtsmittel dazu nachgetragene Aspekte sind unbeachtlich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41). Zudem hat das Erstgericht durch diese Zeugen zu bekundende Anhaltspunkte für den äußeren Anschein der faktischen Existenz der Subunternehmen ohnedies als erwiesen angenommen (US 5 f). Insofern der Antrag eine Weisungsbefugnis auch anderer Personen als jene des Angeklagten zum Gegenstand hatte, betraf er keinen entscheidungswesentlichen Umstand.

Soweit die Rüge (nominell Z 3, der Sache nach Z 5 vierter Fall) dem Erstgericht vorwirft, ungeachtet des Umstandes, dass dieser in der Hauptverhandlung gar nicht vorgekommen sei (§ 258 Abs 1 StPO), den Betriebsprüfungsbericht im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt zu haben, widerstreitet sie nicht nur dem Hauptverhandlungsprotokoll (Bd III Seite 97), sondern auch dem nachfolgenden Beschwerdevorbringen, das dessen Verlesung unumwunden einräumt. Von einer Bindung an die Annahme der Betriebsprüfer ist das Schöffengericht keineswegs ausgegangen. Soweit der Beschwerdeführer aber die Aussagen namentlich genannter Zeugen für nicht tragfähig erachtet, stellt er nur unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung in Frage.

Unbegründet ist ferner der Vorwurf unvollständiger oder unzureichender Begründung (Z 5) der Urteilsannahmen, dass die vier Subunternehmen (zu den hier interessierenden Zeiten) keine eigenen Betriebsstätten hatten und keine eigenständige Wirtschaftstätigkeit ausübten. Das Erstgericht stützte sich dabei nicht allein auf die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, sondern vor allem auf Befund und Gutachten des Sachverständigen Mag. Z***** (US 6 ff, 11 f). Im Hinblick darauf und auf den in der Expertise aufgezeigten Umstand, dass die Arbeiter die formalen Dienstgeber in der Reihenfolge der Fakturierung von „Subunternehmerleistungen“ wechselten und diese Abfolge exakt dem Trend der wechselnden Rechnungslegung entsprach (US 8 f, S 151/I), konnten die Tatrichter entgegen der Beschwerdeansicht mängelfrei auf die wirtschaftliche Identität der in Rede stehenden Unternehmen schließen.

Kein Begründungsmangel ist der Beschwerde zuwider aus einer Verlesung des Betriebsprüfungsberichtes abzuleiten. Sollte der undeutliche (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) Einwand, „eine Verlesung der Akten“ habe nicht stattgefunden, im Urteil neben anderen Beweismitteln verwertete finanzbehördliche Erhebungen betreffen (US 11), ist er nicht stichhältig (S 97/III).

In der Tatsachenrüge (Z 5a) unternimmt der Beschwerdeführer unter Wiederholung eines Teils der Mängelrüge eine Anfechtung der erstrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer zur Bekämpfung von Schöffenurteilen nicht vorgesehenen Schuldberufung. Sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen werden damit nicht aufgezeigt.

Dem Vorbringen zur Rechtsrüge (nominell Z 9 lit c, der Sache nach Z 9 lit a) zuwider setzt der Tatbestand des § 33 Abs2 lit a FinStrG keineswegs die Nichtabgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung voraus. Die Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen bezieht sich auf die inhaltliche Richtigkeit (Dorazil/Harbich FinStrG § 33 E 35b). Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer beim festgestellten Sachverhalt der Frage rechtliche Bedeutung zumisst, ob die Subunternehmer ihrerseits Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben haben, ist aus seinem Vorbringen nicht zu erkennen.

Auch die weitere Rechtsrüge lässt die gebotene Orientierung am Urteilsinhalt vermissen. Mit der Argumentation, auch Umsätze zwischen Konzernfirmen würden steuerrechtlich anerkannt, obwohl in diesem Fall evident sei, dass die sogenannte Muttergesellschaft eine faktische Machthaberposition gegenüber den Tochtergesellschaften einnehme, bleiben die hier maßgeblichen Feststellungen über die „wirtschaftliche Identität“ der Unternehmen und den gezielten abgabenverkürzenden Einsatz von den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen widersprechenden Gestaltungsmöglichkeiten zur Erlangung scheinbar vorsteuerabzugsfähiger Belege unberücksichtigt (US 6 und 9).

Der Beschwerde zuwider traf schließlich den Angeklagten auch als (bloß) faktischen Geschäftsführer gemäß § 80 Abs 1 BAO die Anzeige-, Offenlegungs-und Wahrheitspflicht sowie die Verpflichtung zur Abfuhr der Umsatzsteuer für die Gesellschaft (vgl Stoll BAO-Kommentar Band I S 787 ff; Sommergruber FinStrG S 222 f: 13 Os 88/99; 11 Os 127/00).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Bedachtnahme auf eine Strafverfügung (§ 21 FinStrG) zu einer Geldstrafe von fünf Mio S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu acht Monaten Ersatzfreiheitsstrafe.

Dabei wertete es die Begehung von Finanzvergehen verschiedener Art und den „hohen Hinterziehungsbetrag im Ausmaß des Zehnfachen der die Gerichtszuständigkeit qualifizierenden Hinterziehungssumme“ erschwerend; mildernd berücksichtigte es hingegen die finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit.

Der vom Angeklagten gegen diesen Strafausspruch erhobenen Berufung kommt Berechtigung zu.

Die erschwerende Berücksichtigung des hohen Hinterziehungsbetrages im Ausmaß des Zehnfachen der die Gerichtszuständigkeit „qualifizierenden Hinterziehungssumme“ verstößt nämlich-wie ausdrücklich nur als Berufungsgrund eingewendet wird-gegen das Doppelverwertungsverbot, weil er die Höhe des Strafrahmens bestimmt (§ 33 Abs 5 FinStrG).

Bei den im Übrigen richtig angenommenen Strafzumessungsgründen und unter Beachtung des strategisch ausgeklügelten Plans zur Steuerhinterziehung war die im Spruch ersichtliche maßvolle Reduktion der Unrechtsfolgen vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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