OGH 14Os98/14i

OGH14Os98/14i28.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin A***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 17. Juni 2014, GZ 39 Hv 36/14i‑68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Angeklagten und der Verteidigerin Mag. Heiss-Hohenauer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00098.14I.1028.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin A***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. August 2013 in W***** Monika Ad***** durch Versetzen von zumindest 13 Messerstichen in den Hals vorsätzlich getötet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 6 und 13 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert unter Rekurs auf eine Reihe von Verfahrenergebnissen (Spontaneität des Tatentschlusses, massive Alkoholisierung des Angeklagten, „Labilisierung“ aufgrund von Trennungen und ein durch schwere Kindheit und vernachlässigte Erziehung verursachtes „Bindungs- und Geborgenheitsdefizit, welches sich in einer in Trennungssituationen massiv erhöhten Vulnerabilität manifestiert“ habe) die unterbliebene Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB.

Damit spricht die Beschwerde keine Umstände an, die die behauptete heftige Gemütsbewegung allgemein begreiflich erscheinen ließen. Nach der im Rechtsmittel referierten Einlassung des Angeklagten sei dessen (Ex-)Freundin zunächst von einem Mann umarmt worden, habe sich im anschließenden Gespräch geweigert, ihm ‑ trotz seiner Beteuerungen, sich zu ändern ‑ noch eine Chance zu geben oder zu ihm zurückzukehren und habe ihn zum Gehen aufgefordert. Zudem sei (nach dem Sachverständigengutachten) die Impulskontrolle des Angeklagten alkoholbedingt herabgesetzt gewesen.

Solcherart behauptet die Beschwerde keinen psychischen Ausnahmezustand, der im Verhältnis zu dem ihn herbeiführenden Anlass allgemein verständlich ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn sich ein rechtstreuer Durchschnittsmensch vorstellen könnte, auch er wäre in der Lage des Täters, (mit anderen Worten:) in der psychischen Spannung, der dieser damals ausgesetzt war, in eine solche heftige Gemütsbewegung geraten. Vorliegend stellt sich die Gemütsbewegung aber als eine „übersteigerte“ Reaktion dar, weshalb ihr eben deshalb das Moment der allgemeinen Begreiflichkeit fehlt (vgl RIS‑Justiz RS0092259; zur allgemeinen Begreiflichkeit vgl auch RIS‑Justiz RS0099233, RS0092127, RS0092138, RS0113212, RS0092353; Moos in WK2 StGB § 76 Rz 37 ff). Bei einer Enthemmung durch Alkohol kann § 76 StGB zudem nur dann angenommen werden, wenn der Affekt auch ohne diesen Konsum allgemein begreiflich wäre (RIS‑Justiz RS0092115 [T 7]).

Der von der Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) geltend gemachte Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB) liegt schon deshalb nicht vor, weil das Geschworenengericht nicht „das Versterben des Opfers durch zumindest 13 tödliche Messerstiche“ als erschwerend gewertet hat, sondern vielmehr die vom Opfer anlässlich der Tötung erlittenen Qualen (vgl § 33 Abs 1 Z 6 StGB; US 5).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Die Tatrichter verhängten über den Angeklagten die lebenslange Freiheitsstrafe. Dabei werteten sie den Umstand, dass der Angeklagte schon wegen zweier auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verurteilt worden ist (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), und die oben erwähnten Qualen des Tatopfers (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB) erschwerend, als mildernd das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) sowie die alkoholbedingt eingeschränkte Impulskontrolle samt damit verbundener Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit (US 4 f).

Der letzterwähnte Milderungsgrund hatte ‑ der Berufungsargumentation zuwider ‑ schon deshalb zu entfallen, weil der Angeklagte bereits zuvor in alkoholisiertem Zustand eine strafbare Handlung begangen hat und er demnach um seine durch übermäßigen (vorliegend exzessiven) Alkoholgenuss gesteigerte Aggressions- und Gewaltbereitschaft wusste (Ebner in WK2 StGB § 35 Rz 4). Im Übrigen ging die psychiatrische Sachverständige von logischen und schlüssigen Handlungssequenzen, motorischen Kombinationsleistungen mit zielgerichteter Tatgestaltung und einem lang gezogenen Handlungsbogen aus, welche Umstände gegen eine erhebliche Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB; vgl Fabrizy, StGB11 § 34 Rz 9) sprechen (ON 56 S 22, ON 67 S 31).

Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB war zu berücksichtigen. Er verliert jedoch dadurch an Gewicht, dass der Angeklagte im Hauptverfahren sein Geständnis abschwächte (US 5, ON 67 S 8 ff).

Weshalb beim Versetzen von zumindest 13 Messerstichen ein „verringerter Handlungsunwert“ vorliegen soll, bleibt unerfindlich.

Gleiches gilt für die Berufungsargumentation, wonach es dem Angeklagten mildernd zugute kommen soll, dass ihm keine weiteren schulderhöhenden Umstände (reifliche Überlegung und sorgfältige Tatvorbereitung) anzulasten sind.

Mit dem Vergleich zur Sanktionsfindung in anderen Mordfällen wird kein Aspekt personaler Täterschuld (§ 32 StGB) angesprochen.

Gewisse Berechtigung kann zwar der Argumentation betreffend familiär bedingte Faktoren (durch vernachlässigte Erziehung bewirktes Bindungs- und Geborgenheitsdefizit) nicht abgesprochen werden. Sie treten jedoch angesichts des gravierenden Handlungsunrechts sowie der sonstigen schuldaggravierenden Umstände entscheidend in den Hintergrund.

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zur begehrten Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht bestimmt.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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