OGH 14Os98/06b

OGH14Os98/06b10.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Roland als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter H***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14. Oktober 2005, GZ 24 Hv 33/05z-97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftig gewordene Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Peter H***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./1./ bis 4./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./4./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 2 StGB (II./1./ bis 3./) und des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Thaur und Innsbruck

I./ mit nachfolgend angeführten unmündigen Personen den Beischlaf sowie dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar:

1./ zwischen 1997 und März 2001 mit seinem am 4. September 1987 geborenen Stiefbruder Andreas W*****, indem er diesen wiederholt oral befriedigte und den Analverkehr an ihm durchführte; 2./ im Frühjahr 2003 mit seinem am 18. Juni 1994 geborenen Halbbruder Dominik W*****, indem er ihn oral befriedigte und sich von ihm oral befriedigen ließ, den Analverkehr an ihm vollzog und seinen Finger in dessen Anus einführte;

3./ zwischen Anfang Mai bis ca Mitte Juni 2004 mit der am 29. Juli 1995 geborenen Angela M*****, indem er von ihr den Oralverkehr an ihm durchführen ließ;

4./ am 15. Juni 2004 mit der am 30. Juli 1990 geborenen Nina F*****, indem er sie auf das Bett warf, beide Hände über ihren Kopf festhielt, mit seinen Beinen ihre Oberschenkel auseinanderdrückte und sodann gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr durchführte;

II./ an den unter Punkt I./1./, 2./ und 3./ angeführten unmündigen Personen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, von diesen an sich vornehmen lassen bzw dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich vorzunehmen, um sich geschlechtlich zu erregen, und zwar:

1./ zwischen 1997 und März 2001 mit seinem am 4. September 1987 geborenen Stiefbruder Andreas W*****, indem er diesen wiederholt manuell befriedigte und ihn dazu verleitete, in seinen Mund zu urinieren;

2./ im Frühjahr 2003 mit seinem am 18. Juni 1994 geborenen Halbbruder Dominik W*****, indem er ihn wiederholt manuell befriedigte, sich von ihm manuell befriedigen ließ und ihn dazu verleitete, in seinen Mund zu urinieren;

3./ zwischen Anfang Mai und Mitte Juni 2004 mit der am 29. Juli 1995 geborenen Angela M*****, indem er sie am Geschlechtsteil betastete sowie dadurch, dass er sie aufforderte, für Fotoaufnahmen zur Hervorhebung des Geschlechtsteiles die Beine auseinander zu spreizen, um sich geschlechtlich zu erregen und hievon auch Fotos anfertigte; III./ zwischen Anfang Mai bis Juni 2004 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person, nämlich der am 29. Juli 1995 geborenen Angela M*****, vorgenommen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er sich vor ihr manuell befriedigte.

Der vom Angeklagten dagegen erhobenen und auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

In der Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Vernehmung des Stefan D***** und weiterer in der Beschwerde namentlich nicht angeführter Zeugen sowie auf Durchführung eines Lokalaugenscheins zum Beweis dafür, dass der Angeklagte zu keiner Zeit mit Angela M***** in den (unter anderem als Tatort zu den Schuldsprüchen I./3./, II./3./ und III./ angenommenen; vgl US 12 f) Räumen des Trachtenvereins allein gewesen sei (S 381/II und S 13/III iVm ON 81 und 82). Durch die Abweisung dieses Beweisbegehrens wurden die Verteidigungsrechte des Rechtsmittelwerbers nicht beeinträchtigt, legte er doch im Antrag nicht dar, weshalb diese Zeugen zu einem Ausschlussbeweis in der Lage sein sollten und auf Grund welcher besonderer Umstände mit einem Ortsaugenschein ein solcher Negativbeweis geführt werden könnte. Die weiters gerügte Abweisung des Antrags auf Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte mit Andreas W***** nie einen Analverkehr vollzogen habe, lässt abermals offen, wie ein solcher Ausschlussbeweis von einem Sachverständigen geführt werden könnte. Dieses Begehren übergeht überdies den vom Gutachter Univ. Prof. Dr. R***** anlässlich der Untersuchung des Dominic W***** bereits dargelegten Umstand, dass ein Analverkehr ohne gravierende Verletzungen bei einer späteren Untersuchung des Tatopfers weder belegbar noch ausschließbar ist (S 5/III). Auf die erstmals in der Beschwerde vorgebrachten Gründe für die Beweiserhebung war nicht weiter einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof die Berechtigung des Begehrens stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen hat (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Zur kritisierten Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Barbara G***** und Sigrid W***** ist der Nichtigkeitswerber auf das Zwischenerkenntnis des Schöffensenates zu verweisen, wonach das mit dieser Zeugenbefragung angestrebte Beweisergebnis ausdrücklich als möglich eingeräumt wurde (S 383/II), sodass eine Beweisaufnahme dazu nicht mehr notwendig war (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 42).

Dass - wie vom Erstgericht erwogen (vgl US 22) - trotz Überprüfung auch gelöschter Dateien weder auf der Digitalkamera noch auf den Personalcomputer des Angeklagten Lichtbilder der Angela M***** (Schuldspruch II./3./) vorgefunden werden konnten, vermag der eine Speicherung dieser Aufnahme ausschließlich auf den sichergestellten Geräten bloß behauptenden Tatsachenrüge (Z 5a) zuwider ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen wie die Angaben dieses Tatopfers zu einer aus dessen Sicht erfolgten Vaginalpenetration, die vom Erstgericht zwar ausgeschlossen wurde (vgl Freispruch Punkt I./2./; US 13), dessen ungeachtet nach den Urteilserwägungen aber die Glaubwürdigkeit dieser im Tatzeitpunkt noch nicht einmal neunjährigen, mehrfache sexuelle Missbräuche schildernden Zeugin im Kernbereich nicht in Frage stellte (vgl US 21).

Die in der Rüge hervorgehobene problematische zeitliche Einordnung der von Angela M***** dargestellten Geschehnisse floss in die Beweiswürdigung der Tatrichter mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten der Zeiterfassung derartiger Missbräuche für ein noch nicht einmal neun Jahre altes Mädchen ein (US 19); die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angestellten konträren Beweiswerterwägungen können Bedenken iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht hervorrufen.

Gleiches gilt für die vom erkennenden Gericht berücksichtigten, in der Tatsachenrüge hervorgehobenen Angaben der Zeugen Siegfried und Elsa W***** zur fehlenden Gelegenheit des Angeklagten, mit Angela M***** alleine zu sein.

Soweit der Rechtsmittelwerber aus den nicht feststellbaren Verletzungen des Dominik W***** einen Analverkehr mit diesem Kind ausschließen will, übergeht er das medizinische Gutachten, wonach auch bei nicht sichtbaren Folgen ein derartiger sexueller Missbrauch weder belegbar noch ausschließbar ist (S 5/III).

Die Kenntnis des Peter H***** vom Alter der im Tatzeitpunkt unmündigen Nina F***** (Schuldspruch I./4./) wurde vom Schöffengericht eingehend erörtert (US 24 f). Indem der Angeklagte seine eigene leugnende Verantwortung sowie die ihn entlastenden Angaben seiner Lebensgefährtin der tatrichterlichen Beweiswürdigung gegenüberstellt, vermag er ebenso wenig erhebliche Bedenken iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO hervorzurufen wie mit dem Hinweis, dass nach Ansicht eines Erhebungsbeamten ein „Außenstehender" das Alter der Nina F***** höher einschätzen könnte (S 49/I), bezogen sich doch die erkennenden Richter darauf, dass der Beschwerdeführer dem die 3. Klasse Hauptschule besuchenden Tatopfer Nachhilfestunden gegeben und solcherart über dessen Alter näher Bescheid gewusst hatte (US 24 f). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Dies hat die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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